Neulich sagte jemand zu mir, ich besäße 2 ganz verschiedene Seiten, und es sei erstaunlich, wie gut sie zusammenpassten. Da dieser Mensch mir wohlgesonnen ist, kann ich annehmen, dass er seine Aussage als Kompliment gemeint hat. Und doch kann ich mich nicht recht darüber freuen. Meint er denn, ich habe nur 2 Seiten? Ein Blatt Papier, zwar doppelseitig bedruckt, aber dennoch nur 2-dimensional? Nein, dachte ich, so einfach ist es nicht. Um aus den einzelnen Teilen, die man hat, ein Ganzes zusammenzusetzen, muss man doch wissen, wieviel Teile es überhaupt zusammenzufügen gilt. Schon die geringste 3-dimensionale Form hat mindestens 4 Seiten. Sowas wie vorne-hinten-oben-unten. Oder eine Pyramide: drei Seiten und ein Boden, vielleicht sogar ein doppelter….? Wenn ich glauben möchte, nicht gar so flach zu sein, vielleicht wenigstens würfelförmig, hätte ich immerhin schon 6 Seiten. Hm. Ein einfacher Würfel. Ich habe schon Spiele gespielt mit einem 12 seitigen Würfel. Sogar mit einem 20er…. Aber ich bin kein Würfel, der geschüttelt und ausgeworfen wird, um anderen Glück zu bringen. Und trotzdem komme ich ins Grübeln. Woher weiß man, welche Form die Einzelteile geben? Man weiß es eben nicht. Ich weiß es ja nicht mal von mir selbst.
Und wahrscheinlich würde jeder, der meine ihm bekannten Seiten zu einem Ganzen zusammenfügen soll, eine andere Form hervorbringen. Und alle Formen wären doch ich. Und keine wäre vollständig. Da kommt mir ein neuer Gedanke: Gäbe es eine vollständige Form – hieße das dann: so, und nur so, bin ich? Kommen denn keine Seiten mehr hinzu? Oder ich verliere andere… Ich lebe doch! Bin kein mathematischer Körper, der zu berechnen ist! Und plötzlich habe ich das Gefühl, einem tiefen Geheimnis auf die offene Spur gekommen zu sein: Es gibt keinen „fertigen“ Körper. Schon vor der Geburt verändere ich mich. Und auch noch nach meinem Tode. Wer will mich in eine Form pressen, sagen, wie ich bin? Es gibt nur Momentaufnahmen. Ich bin erleichtert. Ich muss keiner Form entsprechen. Ich BIN Form.
Kommentar:Liebe Verdichter,
Ein schöner Essay ist das.
Hat mir gut gefallen.
Und hier noch was zum grübeln:
Wie viele Seiten hat eine Kugel?
Gruß, Sandro
Gevatter Tod, -unsichtbarer Geselle,
verbreitest bisweilen Angst und Schrecken,
stehst von Anbeginn schon vor der Tür,
gehst neben mir, trittst an des Lebens Stelle.
Gefühlsduseleien
Ein Tag brachte Enttäuschungen.
Gescheiterte Versuche,
warfen kalten Schnee auf die Gedanken.
Träume sprangen aus den Wolken,
sie brachen sich beinahe das Genick,
doch sie [ ... ]