Die Unausweichlichkeit der Schizophrenie

© Alf Glocker

Wir alle kennen Allgemeinplätze wie „Lebe im Jetzt!“, oder „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“, aber wir machen uns meistens zunächst, letztendlich aber grundsätzlich sehr wenige, bis gar keine Gedanken um die Bedeutung solcher „Lebenshilfen“. Sie unterstützen sowohl die Faulheit, wie auch den Fleiß, sind jedoch grundsätzlich von der persönlichen Einstellung abhängig, da sie – ehrlich betrachtet – frei interpretierbar sind.

Um herauszufinden wie Menschen damit umgehen, mit ihrem ganz persönlichen und somit lebensbestimmenden Jetzt, haben wir uns unters Volk gemischt und die verschiedensten Charaktere interviewt. Was wir grundsätzlich in Erfahrung bringen konnten, war wiederum ein Allgemeinplatz. Er lautet: „Sorge dich nicht, lebe!“ Was das bedeutet wurde uns dann schlagartig klar, als wir, unter anderem, der dicksten Frau der Welt ansichtig wurden. Sie lebte bis dahin sorglos im Jetzt und als wir sie besuchten wog sie stattliche 500 kg – eine halbe Tonne also.

Sie hat eben einfach auf alles einen Riesenappetit und sie möchte sich unter gar keinen Umständen etwas Essbares vorenthalten. Ihr ganzes Denken ist von der „Philosophie“ des Essens geprägt, und der kann sie nicht ausweichen. Sie ISST nicht nur das Essen, sie IST das Essen! Essen bedeutet für sie Leben, Nichtessen Qual! Und so lebt sie friedlich im Jetzt und genießt es manchmal, oder vielleicht meistens, am Leben zu sein...zumindest solange sie isst. Aber nicht alle Menschen wollen ausschließlich essen! Manche befassen sich lieber mit dem Geldverdienen – und dabei gehen sie ähnlich vor wie die dickste Frau der Welt...sie schaufeln alles in sich hinein!

Niemand möchte sich über sich selbst Sorgen machen, oder aber womöglich auch noch seine Veranlagungen überdenken. Der Diktator nicht, der überzeugte Sklave nicht, die Hure ebenso nicht wie der Priester. Alle sind auf ihre ganz spezielle Weise „gewissenlos“ - wenn auch nur in Bezug auf all die anderen Menschen, die ihren anderen Lastern frönen, die in der Übertreibung fast alle, um nicht zu sagen grundsätzlich alle, aufdringlich sind. Selbstverständlich leben aber auch Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder, Diebe, oder Räuber in ihrem persönlichen Jetzt, ohne sich Angst vor sich selbst machen lassen zu wollen. Auch sie denken „ich bin wie ich bin!“ und wer nicht will, der muss das auch gar nicht verstehen.

Jedem ist folglich wichtig, ob Freizeitvampir oder Scheinheiliger, unentdeckt – möglichst auch durch sich selbst – zu bleiben, damit er tun kann, wofür er sich beauftragt fühlt. Die Kräfte in jedem Wesen gehen ihren, durch die Gene vorbestimmten Weg! Und sollte man nach der Geburt auch noch so viel dazu gelernt haben, das eigene Selbst kann höchstens sublimiert, nicht aber seine Richtung verändert werden! Und deshalb finden wir glückliche Individuen, die mit sich und ihren, bewusst scheinenden Absichten, zufrieden sind, auch in allen Schichten der Bevölkerung. Besonders sensible Charaktere sind oft auch als Schlachter tätig, besonders liberal gesinnte Menschen, die vom Herrschen überhaupt nichts halten, in der Politik, und träumerische Romantiker im Bankwesen, wo sie allesamt friedlich humane Zwecke erfüllen.

Zusammengefasst ist das ganze Treiben in einem Verbund, der „Gesellschaft“ genannt wird. Wie die „Gesellschaft“ funktioniert ist aber erst dann nachvollziehbar, wenn man die Bildungsbestrebungen des Staates mit ihren realen Auswirkungen vergleicht. Fast mühelos kann man dann – so man das möchte – zu dem Schluss gelangen, daß die Schizophrenie keinen wesentlichen Faktor des öffentlichen Lebens darstellt. Man muss halt nur berücksichtigen, daß man dies nur dann erkennen kann, wenn man selbst unter ihr, nein, nicht leidet, sondern dient, sie mit all ihren Höhen und Tiefen, sozusagen „unweigerlich“ auszuleben versteht.


© Alf Glocker


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