Ich verstehe die Realität nicht mehr. Ein Treiben in voller Tätigkeit, ein Treiben in rastlosem Warten auf das Nächste das Folgt. Wir leben, ja, und wir tun, wir konsumieren und denken. Wir handeln und folgen Prinzipien und Moral. Wir sind. Aber dieses Sein fällt zur Last. Es wiegt auf der Seele, drückt auf die Brust. Wie können wir Sein, wenn man Sein nicht definieren kann? Ist es der Ablauf verarbeitender Organismen zu einem Ganzen? Oder das Denken in einem Kopf, der vor Ideen und Bildern nur so strotzt? Beides zusammen? Doch was bewirken wir wirklich? Wir leisten täglich unseren Beitrag. Erfüllen unsere Verpflichtungen gegenüber uns selbst und anderen. Versuchen es zumindest. Doch was bleibt außer diesem Gefühl der Schwere? Viele nehmen es überhaupt nicht wahr. Tönen ihren Alltag so voll, dass sie nicht in der Lage sind in sich selbst hineinzuhören. Sehen nicht in ihr Spiegelbild, welches sie reflektiert in den unterschiedlichsten Farben. Gehen unter in ihrem eigenen Lärm und dem der Anderen. Halten nicht inne um zu verschnaufen, klammern sich nicht an einen Ast sondern tauchen und schwimmen mit dem Strom, ohne Halt, ohne Rast, ohne den Sog des Wassers wahrzunehmen der an ihnen leckt und sie mitreißt, unwiderruflich, unendlich. Doch hält man inne und greift nach einer in das Flussbett hineinragenden Wurzel, klammert sich an sie, so spürt man die Urgewalt des Soges, die nagende Furcht und Kälte an einem, aber auch das sanfte Streicheln der Flüssigkeit auf der Haut und die samtigen Wasserarme, die den im Wasser befindlichen Teil des Körpers liebkosen. Wir sind der Teil eines Ganzen. Steigt einer aus, so hat es keine großen Konsequenzen. Einige Körper werden dem teilnahmslos Treibenden begegnen und diesen passieren. Er wird ein Eindruck in ihrer Wahrnehmung hinterlassen und sie auf eine andere Bahn lenken. Doch ist der Körper erstmal am Ufer angespült, so werden weitere Körper vorbeigetragen, ohne Kenntnis vom Schicksal des einen zu nehmen, ja sie könnten es nicht einmal wenn sie wollte, wissen sie doch nicht, dass er dort am Ufer liegt, die leblosen Augen gen Himmel gerichtet. Die Flut rasender Körper in ihrem Lauf, weiter immer weiter, in vollem Karacho bis zum Ende, mit großen Erwartungen, was dort auf sie warten möchte, nein, so denkt man, gewiss nicht der Tod. Doch bleiben mehrere Körper zurück, so bieten sie mehr Widerstand und das System wird gefährdet. Der Einfluss auf andere Körper könnte weitere aus der Bahn bringen und mit sich ans Ufer reißen, hinein in die Leere. Deshalb warten am Ufer, mit den Füßen im Wasser stehende Gestalten winkende Gestalten und stoßen Aussteiger wieder zurück in Wasser. Egal ob mit Kopf unter Wasser und gebrochenen Gliedmaßen. Hautsache der Strom fließt. Alles ist in Bewegung. Ich möchte Aussteigen. An manchen Tagen, eine Pause. Nicht nicht arbeiten oder schlafen, so etwas in die Richtung, nein ich möchte einfach nicht mehr Sein. Nicht mehr dieses beklemmende Ziehen in meiner Brust, dieses Drücken, das lastet so schwer. Dieser rastlose Blick in meinen Augen mit dem ich niederstarre was mir begegnet und dieser innere Widerstand bei allem was ich tue. Das innere Zerfallen und Zusammen gehalten werden von etwas unpersönlichem, etwas fremden, das einen nicht versteht. Der Lauf der Welt, des Denkens, des Seins, dem etwas anhaftet, dass keine Atempause zulässt. Das Gefühl keinen Sinn zu finden in dem was man sucht. Das leblose Dasein im ruhigen Zustand. Das in sich hineinhören und das Einatmen, das keinen Hauch Luft lässt hinein. Das bedürftige Ziehen der Lungen und das volle Einatmen schlussendlich doch, und das Verarbeiten der Luft in den Lungen und doch das Gefühl zu ersticken, die unmögliche Befriedigung des Atemhauchs, und das Gefühlt nicht ersticken, aber auch nicht Lebens im Kopf. Das vor sich hinvegetieren und Leiden, und die Gewissheit, dass selbst der Tod keine Erlösung bringen kann, da man sogar als Toter in gewisser Weise noch da ist. Man ist. Man hört nie auf zu sein. Und doch stirbt man mit dem letzten Atemhauch. Brainfuck. Worauf ich hinaus will, ist dass das Leben manchmal einfach zu anstrengend ist, aber man nicht wirklich aussteigen kann. Zum einen Verhindert durch das System, zum andern einfach durch Biologie und Wissenschaft. Und dass man sich einfach so schwer und tot fühlt manchmal. Und kein Bock mehr hat und es einem irgendwie dreckig geht. Man will einfach mal aufhören zu atmen für 5 Minuten. Aufhören auf der Erde zu laufen, ein Gewicht zu haben, durch das man nach unten gezogen wird, aufhören zu hören und zu sehen, etwas zu fühlen, innerlich und äußerlich. Man will einfach manchmal aufhören zu Sein.

Über das Sein in der heutigen Gesellschaft

© Sebastian P.


© Angela Lingenhöl


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Beschreibung des Autors zu "Über das Sein in der heutigen Gesellschaft"

Gedanken zum Stress im Alltag und der Flucht aus dem unaufhörlichen Leistungsgedanken.

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