„Die enthemmte Mitte“ (repräsentative Umfrage Uni Leipzig v. 16. 06.16 in der GAZ) - die Umfrage zeigt eine irritierende Entwicklung im Denken großer Bevölkerungsteile auf (Islamfeindlichkeit, Homophobie . . . aufkommender Nationalismus). Aber ist alles nicht noch viel schlimmer? Der Autor dieser Zeilen fasst sich ausdrücklich auch an seine Nase. Anbei also keine dezidierte Meinung, sondern Fragen, deren Antworten meist auf der Hand liegen. Die Problemlage skizziert sich so quasi wie von selbst. ("Eindeutigkeit und Widerspruchsfreiheit ist etwas für schlichte Gemüter" R. D. Precht: Erkenne die Welt S. 161) Wer glaubt ernsthaft, dass sich der Flugverkehr ohne katastrophale Auswirkungen für die Welt in den nächsten Jahr(zehnten)en verdoppeln lässt, dass weltweiter Massentourismus auf Dauer grundsätzlich möglich ist? Wer weiß nicht, dass die globale überall vorhandene Kluft zwischen arm und reich mit Frieden unvereinbar ist? Wie schräg ist eigentlich der sommerliche `Grill-Wahnsinn` und der unappetitlich hohe Fleischkonsum vor dem Hintergrund skandalöser industrieller Massentierhaltung mit allen schlimmen Effekten auf die globale Ökologie? Kann jemand den boomenden `Kreuzfahrten- Irrsinn` mit allen daraus resultierenden schwer wiegenden Folgen wirklich verstehen? Müssen wir kaufend und essend rund um die Uhr durch die Städte unseres Planeten taumeln? Wird es bald nur noch SUV' s auf den Straßen geben und kann jeder Erdenbürger überhaupt ein Auto besitzen? Ist nicht allein der Anspruch, den einzig richtigen Gott anzubeten, schon immer ein Grundübel? Wer von denen, die ständig von deutscher Kultur, von Rasse etc. schwafeln hat sich jemals mit Anthropologie oder der Evolutionslehre beschäftigt, oder damit, wie es nur in einem sehr mühsamen Prozess über den Zeitraum von Jahrhunderten zur Herausbildung von Nationalstaaten kam? Warum ist es so schwer, Nationalismus als wahrhaft dumme Einfalt zu erkennen? Wer von den Einfachdenkern hat 'unsere ' Klassiker gelesen? Warum erzeugen Google, Wikipedia, Internetforen und TV keine Bildung, obwohl sie manchmal hilfreich sind? Warum lassen unsere Führungseliten meist jegliche Kenntnis zur europäischen Geistes-, Kultur-, und Philosophie-Geschichte vermissen? Legitimieren wirtschaftliche Zwänge und globaler Wettbewerb Betrug und unmoralisches Verhalten? Warum dauert es so lange, bis neue Erkenntnisse aus Biologie, Physik, Neurowissenschaften, Soziologie etc. in die Lehrpläne unserer Schulen gelangen? Würden sie nicht die Erkenntnis lehren, dass der Mensch ein Mängelwesen ist, gänzlich abhängig von der Natur und im Bewusstsein ständiger unbegründeter Überschätzung seiner Fähigkeiten befindlich? Kann man mit dem 'Schnee von gestern' im Kopf Führungspositionen in Politik oder Wirtschaft gestalten, als Privatperson ein sinnvolles Leben führen? Wie zerstörerisch ist es, wenn viele Bosse großer Unternehmen wie das Kaninchen nur auf die Kurse an den Weltbörsen starren und unverändert an ihre Prognosen und die Selbstregulierung globaler Märkte glauben? Warum gibt es nicht endlich einen Aufstand von Millionen echter Fußballfans gegen die obszönen Gehälter ihrer Idole? Glaubt eigentlich wirklich noch jemand, unsere Erde mit all ihren Ressourcen sei unerschöpflich? Warum hält sich fast jeder für klüger als er ist? Warum führt gute Einsicht viel zu selten zu gutem Handeln? Muss man nicht zu allererst lernen, dass wir sterblich sind? Ist diese Erkenntnis nicht gerade unverzichtbare Bedingung dafür, den Wert jedes einzelnen Lebens zu erkennen, die Gleichheit aller Menschen zu verstehen? Ergibt sich daraus nicht wie von selbst, dass Konsumwahn und narzisstischer Egoismus eine Krankheit sind? Könnte es sein, dass alle Bildungssysteme auf unserer Welt seit langem falschen Lernziele festschreiben, weil sie die für das Überleben unserer Spezies wichtigsten Werte nicht hinreichend vermitteln, nämlich Solidarität, soziales Engagement, Bescheidenheit, Kritikfähigkeit Kooperation, Nächstenliebe? Ist das Einüben eines Verhaltens, dass lediglich ein Funktionieren in der globalen Wirtschaft ermöglicht nicht eine völlig falsche Priorität? Warum spürt offenbar nur eine Minderheit ganz authentisch, wie ernst die Lage auf unserem Heimatplaneten ist? Gibt es noch Hoffnung? Ich bin überzeugt davon, dass die überwiegende Mehrheit der Menschheit das Gute will. Ob das ausreicht? Die Sorge wächst.


© ulli nass


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Beschreibung des Autors zu "Die enthemmte Mitte"

Die Fragen ließen sich wohl nahezu endlos durch weitere fortsetzen . . .
ulli nass

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