117. Schritt


Das Abenteuer Schizophrenie ist, wie der Name schon vermuten lässt janusköpfig. Es macht bisweilen Spaß, jemand anderer zu sein als der der man ist, vorausgesetzt man weiß, wer das sein soll – ebenso aber ist es geeignet uns in Verzweiflung zu stürzen wenn wir nicht aufpassen. Und welcher Schizophrene ist schon dazu in der Lage – aufzupassen?!

Meistens weiß ein Schizophrener doch erst, daß er schizophren ist, wenn ihm das diagnostiziert wird. Allerdings – und da müssen wiederum alle aufpassen, kann es auch vorkommen, daß ein Schizophrener einem ganz Normalen (was immer das ist) diagnostiziert, er sei schizophren. Ich persönlich halte das eigentlich für den Regelfall.

Aber das sei, so hat mir jemand gesagt, auch schon wieder schizophren. Ob der, der mir das gesagt hat schizophren war, kann ich nicht beurteilen, da ich mich vermutlich in einer nicht genau definierbaren Grauzone befinde. Zu diesem Ergebnis kam ich nach langjährigen, eingehenden Betrachtungen und unauffälligen Zeugenvernehmungen am Rande der Realität.

Die angewandte Schizophrenie, so konnte ich herausfinden, ist mit einer an Ignoranz grenzenden Selbstverständlichkeit, davon überzeugt, nicht zu existieren. Dieser Umstand versetzt nicht nur Berge, sondern auch Zwerge in die Lage Erreichbares Wirklichkeit werden zu lassen. Ein nicht von der angewandten Schizophrenie Befallener kann da nur noch vor Neid erblassen!

Ich persönlich wage es deshalb schon gar nicht mehr, mich dieser Modedroge zu entziehen. Hüten werde ich mich, leichtfertig zu behaupten, ich sei nicht schizophren. Das überlasse ich lieber anerkannten Fachleuten, denen es mehr als mir zusteht, durch ganz triviale Expertisen zu beweisen, daß sie es nicht sind! Ich stehe nur da und nicke ab, denn ich kann ja ohne Weiteres ein paar läppische hundert Jahre warten, bis sich herausgestellt hat, daß nicht nur die Fachleute im besonderen, sondern unsere Zeit im allgemeinen vorzugsweise ausgesprochen schizophren gewesen ist.

Dann werde ich triumphieren! Ich werde sagen (mit welchem Mund?) „Ich habe euch doch darauf hingewiesen“ und ich werde fühlen (mit welchem Herzen“, wie mir die Sympathie derer entgegenschlägt, die sich dann als die Fachleute bezeichnen. Dann werde ich (wofür) voller Stolz darauf sein, die Schizophrenie immer bekämpft zu haben. Na, wenn das nicht schizophren ist, was dann?

Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten"

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

Autor: axel c. englert   Datum: 08.05.2015 19:23 Uhr

Kommentar: "Gedankeneingebung" und "Wortneuschöpfungen" auftauchen -
So was - kann man dichterisch doch brauchen...

LG Axel

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

Autor: possum   Datum: 09.05.2015 8:45 Uhr

Kommentar: Also lieber Alf du lässt wirklich nichts aus,
bei deinen Themen, bin schon ein richtiger Fan deiner Zeilen!
Danke ... LG!

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

Autor: Alf Glocker   Datum: 09.05.2015 10:36 Uhr

Kommentar: Bin heute sehr in Eile...
aber Dank!

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

Autor: grauschimmel   Datum: 09.05.2015 15:15 Uhr

Kommentar: Die paar läppischen hundert Jahre kannst du dir sparen. Als in grauer Vorzeit der Wessi viel genauer wusste was der Ossi fühlt und umgekehrt, wurde nämlich die neuzeitliche Schizophrenier erschaffen.
Schöne Grüsse G.S.

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

Autor: Alf Glocker   Datum: 10.05.2015 9:40 Uhr

Kommentar: Harharr, ja!
G. Alf

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