Die feine Gesellschaft

© ©Alf Glocker

Willkommen im Land der Sauberkeit! Hier leben die anständigsten Bürger des Globus. Wir alle haben hier eine Herzensbildung die Ihresgleichen sucht. Ihre Ursprünge liegen in unseren Denkgesetzen begründet. Wir sind gesund (so sagt man). Alles was wir wissen haben wir irgendwo gelernt. Darauf legen wir großen Wert. So kann uns nichts passieren (glauben wir). Wir sind edel zum Auswachsen! Was wir tun, das tun wir gesittet: wir sind Gentlemen! Sogar die Liebe ist bei uns eine Frage der Ehre!

Nichts kann uns aus der Ruhe bringen! Wir haben alles was wir brauchen! Wichtige Dinge erledigen bei uns die dafür besonders Beauftragten. Damit befassen wir uns nicht selbst! Dafür sind wir nicht kompetent und Inkompetenz ist unter unserer Würde! Auch bestimmte Arbeiten sind unter unserer Würde – genau wie der dafür bezahlte Lohn! Daher lassen wir arbeiten. Wir sind Exportweltmeister – gewesen, weil wir unsere Exportgüter woanders herstellen lassen!

Wenn Not am Mann ist, lassen wir alles woanders machen. Manchmal lassen wir sogar woanders lieben! Auch denken müssen wir nicht selbst – wir lassen denken! Mit eigenem Denken lassen wir uns komplett in Frieden! Viel lieber lassen wir uns schon Vorschriften machen. Wir unterscheiden nicht selbst zwischen Gut und Böse, zwischen nützlich und nutzlos – wir lassen entscheiden! Das ist bequem, das ist rational. Bei uns wird alles rationalisiert. Deshalb ist bei uns auch nur das Irrationale wirklich überlebensfähig!

Ist das nicht anständig?! Das ist mehr als anständig! Und weil wir so anständig sind, ist es unsere ungeäußerte Absicht, uns, zugunsten der Konzerne, selbst wegzurationalisieren. Wir sind einfach nicht mehr etabliert – dafür sind wir zu fein. Wir haben keine Lobby. Dafür sind wir zu tolerant! Und wir haben keinen Mut – dafür sind wir zu sanft!

Diese unsere erstaunliche Sanftmütigkeit tritt bei uns überall zutage. Vor allem in der Schulbildung. Sie ist für gewöhnlich eine „höhere“! Wer sie hat, der kann wundervolle Diktate mitschreiben, die wir vorher denken ließen. Wir bringen das zum Ausdruck in Nachrichten, Unterhaltungsfilmen und Talkshows, wo ganz selten etwas anderes getan wird, als allgemeingültige Überzeugungen zu wiederholen. In fast allen Filmen, jedenfalls denen “von Rang“, sind wir selbst die Bösen und alles was wir nicht sind das Gute!

Das sind wir uns schuldig und deshalb haben wir gute Noten – weil wir brav gewesen sind! Wer brav ist darf sagen, was die Wahrheit zu sein hat. Das ist alles, was ins Konzept der Konzerne passt und somit von der Regierung verordnet wird. Unsere saubere Obrigkeit ist stets darum bemüht, mit dem Vorschlaghammer alles auszulöschen was schmutzig ist: uns!

Wir aber sind keine Flagellanten, wir bilden Lichterketten, wenn am Südpol ein Fahrrad umfällt, wir demonstrieren gegen alle möglichen Arten von Unterdrückung – nur nicht gegen die eigene! So etwas tut ein Gentleman nicht! Ein Gentleman genießt und schweigt. Und wenn ihm der Rotz zu den Ohren rauskommt, mit dem er von allen Seiten zu gesoßt wird, dann schweigt er immer noch! Ein Gentleman ist ein Vorbild in allem, was man ihm auferlegt, ein Ritter der Kokosnuss sozusagen, ein Held in rosa Strumpfhosen und sei es nur, um zu beweisen, daß wer rosa Strumpfhosen trägt, auch etwas ganz Besonderes sein kann!

Stets kehren wir vor der eigenen Tür – es darf nur kein Dreck vom Nachbarn sein. Der muss selbstverständlich liegen bleiben, denn anderer Leute Dreck weg zu räumen gilt bei uns als intolerant! Wer uns nicht versteht, der gehört zu einer verschwindend geringen Minderheit, die sich selbst dann nicht gravierend auswirkt, wenn die überwiegende Mehrheit derer, aus der die verschwindend geringe Minderheit stammt, zulässt, daß man uns mit Knüppeln schlägt. Denn wir ganz allein sind die Bösen – niemand sonst ist, war einmal und wird jemals böse sein, böse werden oder böse gewesen sein!

Und wer behauptet, wir seien böse, weil irgendwer – eine verschwindend geringe Minderheit? – hierzulande einmal böse war, dann trifft er uns mitten ins Herz! Dann streuen wir uns Asche auf’s Haupt, kriechen zu Kreuze, oder zu anderen Glaubenssymbolen und wir geloben feierlichst, nichts mehr mit denen zu tun zu haben, die jemals böse gewesen sind, sein wollten, mussten, oder gar nicht wussten wie sehr sie es waren. Dann ist jedem, aber auch jedem alles erlaubt, was er sich nur einbildet und wir singen, quasi im Gleichschritt (weil wir das immer noch sehr gut können), nein, nicht den alten, sondern den neuen Schmus: Willkommen im Land der Sauberkeit! Egal was du auch darstellst, wir lieben dich mehr als uns selbst! Aber wer sind wir denn schon auch? Nichts als eine feine Gesellschaft!


©Alf Glocker


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Kommentare zu "Die feine Gesellschaft"

Re: Die feine Gesellschaft

Autor: axel c. englert   Datum: 29.12.2014 9:15 Uhr

Kommentar: Auch Dichter haben keine Lobby!
Denn die Kunst ist einfach - Hobby....

LG Axel

Re: Die feine Gesellschaft

Autor: Yvane   Datum: 29.12.2014 12:42 Uhr

Kommentar: Also Alf... wie kannst Du nur... ;)

Genial!

LG Yvane

Re: Die feine Gesellschaft

Autor: Uwe   Datum: 29.12.2014 13:05 Uhr

Kommentar: Exzellenz, excellent!!!

Re: Die feine Gesellschaft

Autor: Alf Glocker   Datum: 30.12.2014 16:09 Uhr

Kommentar: Meinen eminenten Dank!

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