Steuerhinterziehung in Deutschland

Ist der Ankauf von Steuersünder-CDs ethisch sowie moralisch vertretbar?

Im ersten Quartal des Jahres 2014 beherrschten Meldungen prominenter Steuerhinterzieher die deutschen Titelblätter. Bekanntgewordene Fälle wie der des Bayernpräsidenten Uli Hoeneß oder der Feministin Alice Schwarzer erlangten die unermessliche Aufmerksamkeit des gesamten Landes. Auch wurden wir von einer Welle der Selbstanzeigen überschwemmt, wahrscheinlich ausgelöst durch die selbige von Hoeneß, mit welcher er sich noch vor einer größeren Strafe schützen wollte. Steuerhinterziehung ist laut Steuergesetz eine Straftat in Deutschland, die im äußersten Fall einen Gefängnisaufenthalt nach sich zieht. Um diese Delikte zu vermeiden, griff der Staat in letzter Zeit öfter zu einem konstruktiven Mitteln, um den Steuerprellern auf die Schliche zu kommen: Dem Kauf von Steuersünder- Dateien, die sich im Besitz ausländischer Geldinstitute oder anonymen Privatpersonen befinden. Mithilfe dieser CDs wurden unzählige Betrugsfälle aufgedeckt und gesetzesmäßig geahndet. Doch verletzt diese Methode den privaten Datenschutz der Täter? Ist dieser Ankauf von Steuersünder- Karteien in einer Technologiehochburg wie Deutschland überhaupt ethisch vertretbar?
Mittlerweile ist der Kauf von Steuer-CDs in Deutschland ein beliebtes Mittel zur Aufdeckung von Steuerbetrugsfällen. Die erste Instanz, die zu dieser Maßnahme griff war der Bundesnachrichtendienst im Jahre 2006. Für die horrende Summe von 4,6 Millionen € erlangte der BND etwa 1000 Kundendaten der Vaduzer Treuhandbank in Liechtenstein. Zugleich beendete diese Transaktion den Sonderstatus der damaligen „Steueroasen“ Liechtenstein und Schweiz. Im Generellen gelten Steuersünder-CDs als gestohlene Datensätze, die durch „Whistleblowing“ in medialen Plattformen wie WikiLeaks für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. An erster Stelle verfolgen die sogenannten Whistleblower das Ziel, die Enthüllung von ethischen und gesetzlichen Verstößen im eigenen Unternehmen zu fördern. Bekanntester Whistleblower ist der US-Amerikaner Edward Snowden, der mit der Enthüllung der NSA-Affäre ein weltweites Umdenken in Angelegenheiten wie Staatssicherheit und der Datability, sprich dem sicheren, verantwortungsbewusstem und nachhaltigem Umgang mit Daten, herbeigeführt hatte.
Laut dem aktuellen Stand der Dinge wechselten seit dem oben genannten Fall etwa 9 weitere Steuer-CDs den Besitzer. Die Käufer, Finanzbehörden aus der gesamten Bundesrepublik, überwiesen jeweils Summen im höheren siebenstelligen Bereich. Trotz diesem horrenden Obolus sprechen die daraus folgende Rentabilität und die Aufdeckung diverser Staatsbetrüger für sich. Bisher konnte jedes Speichermedium ein Vielfaches des eigenen Wertes einspielen und wahrscheinlich brachte schon die rohe Existenz solcher Steuer- CDs die Täter dazu, zur Selbstanzeige zu greifen und ergo größere Schäden zu verhindern. Auch Uli Hoeneß entschloss sich diesen Schritt zu gehen, um einer Haftstraße vorzubeugen. Aufgrund der Tatsachen, dass er mindestens 27 Millionen € hinterzogen hatte und die wahrscheinliche Dunkelziffer deutlich höher liegt, konnte Hoeneß sich nicht mehr klammheimlich aus der Affäre ziehen. Im Frühjahr 2014 wurde er schuldig gesprochen und vom Landesgericht München II zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Ironischerweise tritt der bayrische Würstchenfabrikant diesen Gefängnisaufenthalt hinter den schwedischen Gardinen der JVA Landsberg an, eben jene Haftanstalt, in der Adolf Hitler seine Autobiographie „Mein Kampf“ verfasste. Ob Hoeneß dort wirklich ohne Promibonus behandelt wird, bleibt äußerst fraglich. Gerüchten zu Folge wird er schon nach wenigen Monaten Hafterleichterungen erfahren und muss sich nur in den Nachtstunden dorthin bewegen.
Seitens der Anbieter von dubiosen Steuer- CDs herrscht auch eine gewisse Ideologie: Man möchte die „Altlasten“, wie es im Bänkerjargon heißt, loswerden und so Platz für neue, liquide Kundschaft schaffen. Nach der Annullierung der Verhandlungen zwischen Deutschland und der Schweiz zwecks eines Steuerabkommens haben sich die Eidgenossen mehr denn je zum Ziel gesetzt, deutsche Kunden aus ihren Geschäftsbüchern zu streichen. Diese Denkweise ist natürlich hinterfragt worden, denn würde eine solche Ablehnung von Deutschland ausgehend stattfinden, kämen postwendend klischeebehaftete Begriffe wie „Nazistaat“ oder „ Land der Spießer“ in den Raum. Eine Ablehnung ausländischen Geldes würde uns wahrscheinlich weniger schaden als anderen europäischen Staaten, aber diese Vermutungen sind selbstverständlich extrem hypothetisch. Wer sich ein wenig mit dem Bankwesen beschäftigt weiß, dass Deutschland nicht gerade als Steuerparadies gilt. Aber trotzdem stellt sich die Frage: Ist der Ankauf solcher Steuer- CDs aus moralischer und ethischer Sicht korrekt?
Beim Wort „ Steuer- CD“ denke ich zu aller erst an die Privatsphäre der „Opfer“, die ja eigentlich als Täter dastehen müssten. Die Banken geben ohne Einverständnis oder Genehmigung die Daten an Dritte weiter. Natürlich darf der staatsdienliche Zweck nicht missachtet werden, denn sonst würde wohl jeder Bundesbürger zur Hinterziehung greifen. Auch wenn damit nur die gesetzlichen Richtlinien eingehalten und Steuerhinterzieher an den Pranger gestellt werden, sehe ich den Vorlaufprozess einer solchen Transaktion zwischen zwei Ländern sehr skeptisch an. Durch die Weitergabe der Daten werden die Personen in ihren Grundrechten verletzt. Gerade heutzutage ist aufgrund der ständigen Präsenz des Internets und weltweiten Vernetzung der Handel mit Daten eine äußerst prekäre Angelegenheit. Geht man dieses Gebilde nicht mit Samthandschuhen an, befindet man sich schnell auf dünnem Eis. Ich finde es zwar richtig, etwaigen Betrügern auf die Schliche zu kommen, jedoch führt ein solches Handeln in dieser Grauzone zu einem Verantwortungsverlust folgender Generationen. Wenn schon der Staat illegal Daten bezieht, werde ich als Einzelperson wohl auch illegale Downloads von Musikdateien oder gar ganzen Filmen mit meinem Gewissen vereinbaren können. Eine verständliche Denkweise, denn die Schweizer Banken mussten auch nicht mit Konsequenzen unsererseits rechnen. Dies treibt wiederum auch dazu an, mit dem Geschäft fortzufahren. Die Rechtslage ist hier eigentlich eindeutig, denn eine Verbreitung von Daten an unbefugte Dritte ist genauso gesetzeswidrig wie das Uploaden von Daten, wie es auch der ehemalige MegaLoad- Betreiber Kim Dotcom in unvorstellbarem Maße tat. Im Falle der Steuerhinterziehung ist die Sachlage sogar noch deutlicher, denn es gilt nicht als Kavaliersdelikt und wird im schärfsten Falle mit einer Haftstrafe geahndet. Immerhin wurde im Falle Uli Hoeneß auch eine menschliche Seite in unserem Justizsystem offenbart, denn es wurde nicht zwischen Reichen und Nichtreichen Bürgern sondiert. Der Kauf von Steuer-CDs deckt nur die nackte Wahrheit auf, es wird nicht nach Aussehen oder Gesellschaftsstatus beurteilt. Oft versuchen populäre Personen ihre Missetaten zu leugnen, beispielweise eine brisante Affäre trotz Ehefrau. Eine solches Hin und Her ist hier nicht möglich, da der Name wie in Stein gemeißelt auf der CD steht. Das sehe ich als positives Attribut dieser Käufe. Eine Frage, die mir immer wieder in den Sinn kam während der Erarbeitung dieses Textes: Wird eigentlich die Transfersumme, welche die Verkäufer erhalten, versteuert? Ich verstehe, dass es höher einzuordnen ist, für die Steuergerechtigkeit und einen sauberen Staat zu sorgen, anstatt auf das Bankengeheimnis zu bestehen. Jedoch ist nach dem Kauf der Akt noch nicht beendet. Zuerst werden die Daten analysiert und Steuerhinterzieher zur Strecke gebracht und gegebenenfalls verurteilt. Doch damit ist der Fall noch nicht abgeschlossen, denn das Geld, jenes der Käufer mit einer CD verdient, gehört eigentlich wiederum versteuert. Hier beginnt der Kreislauf wieder von vorne. Natürlich möchte man ungerne von einem Millionensümmchen etwas an den „geldgierigen“ Staat abgeben, verschweigt letztendlich den eigenen Gewinn und beginnt so selbst eine neue Steuerhinterziehung. Das sollte klarerweise nicht Sinn eines solchen Geschäftes sein, wird aber wahrscheinlich in der Praxis nicht selten so geschehen. Vielleicht ist auch eine neue Sichtweise des Staates erforderlich, um das Problem effektiv zu bekämpfen. Der Staat muss erst einmal selbst hinterfragen, wieso es gerade in Deutschland solch eine enorm große Zahl an Steuerbetrügern gibt und weiterhin geben wird. Ein anderer Aspekt wäre die Fortsetzung der Verhandlungen mit unserem Nachbarland. Gäbe es eine Übereinkunft mit den schweizerischen Steuerbehörden, könnte man sicherlich einige mutmaßliche Steuerflüchtlinge schon vor Ausführung der Tat umstimmen.
Mein Fazit:
Ich bin mit mir selbst noch nicht ganz im Reinen, ob ich einem solchen Ankauf von Steuer- CDs mit Euphorie oder Skepsis begegnen soll. Zwar unterstützt der Staat vermeintliche Datenräuber und belohnt sie für ihre Gräueltaten, anderseits kann er interne Steuerhinterzieher gesetzlich korrekt bestrafen. Alles in allem sehe ich diese Transaktionen in einer dunkelgrauen Zone, und dass wird sich wohl bis zu einer klaren Definition seitens der Judikative nicht ändern. Im Endeffekt heiligt der Zweck die Mittel, und es gibt für uns Ottonormalbürger wichtigere Dinge als das. Ändern könne man sowieso nichts, den die staatliche Moral wird in oberen Kreisen auf anderem Wege gepredigt.


© Nico Wickersheim


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Beschreibung des Autors zu "Ist der Ankauf von Steuer-CDs ethisch vertretbar?"

In diesem kleinen Essay lasse ich meine Gedanken um die aktuellen Geschehnisse in unserer Steuerlandschaft kreisen.

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