Vita brevis - wir sind zum Tode. Diese Erkenntnis ist,unter anderem, ein zentraler Wesenskern philosophischer Erkenntnisse.
Man könnte sogar sagen, Philosophie betreiben heißt, sterben zu lernen.Die Erfahrung von Sterblichkeit und Leid gehört leider zu unserem Menschsein. Unabdingbar - und man darf an ihr auch leiden. Die Frage ist lediglich, welche Schlussfolgerungen zieht man für sich aus dieser Einsicht.Verzweiflung würde dem beträchtlichen Potenzial an reflektierenden und erkennenden Fähigkeiten des Menschen nicht gerecht. Noch weniger überzeugend sind die Lösungsangebote der von der Menschheit entwickelten Religionen.
In den letzten zwei Jahrtausenden sind alle Gottesbeweise gescheitert - sie waren äußerst anspruchsvoll und sie waren immer auf der Höhe ihrer Zeit (einfach mal nachlesen!). Chapeau! Große Denker waren am Werk,mit bewundernswertem Scharfsinn, bewundernswertem Bemühen.
Si deus unde malum ?Auch das Projekt `Theodizee`, ausgelöst in der Neuzeit durch das verheerende Erdbeben in Lissabon 1755 und in der Folge primär durch Leibniz, darf nach über 2000 Jahren als endgültig gescheitert betrachtet werden.Leider.Was also tun, wenn Religion zur Sinnstiftung dauerhaft ausfällt?
Für mich unannehmbar ist es auf jeden Fall,im Bereich der `Selbstoptimierungsindustrie` und `Ratgeberliteratur` Hilfe zu erwarten/zu suchen. Wie wäre es denn mit Seneca, Marquard,Freud,Fromm,Flasch,Camus,Baggini,Edelmann, etc? Selbst Sartre hatte zu dem Problem der Sterblichkeit und der Sinnfrage kluge Antworten. Verzweiflung greift immer zu kurz. Und aus einem, zumindest naiv erscheinenden, Unverständnis der aufgeworfenen Fragen heraus dann auch noch mögliche Plausibilität für hedonistische Lebensmodelle abzuleiten, ist eigentlich schon unmoralisch - oder ignorant. `carpe diem` greift – ganz flach wörtlich genommen - wirklich zu kurz und ist dann einfach nur dumm. Außerdem kann unser Planet auf Dauer die Konsequenzen eines Lebenskonzeptes nicht verkraften, das nur auf weiter eskalierende Fortschreibung des materiellen Lustprinzips reflektiert. – Haben oder Sein ? Erich Fromm hat die Antwort zu dieser Frage bereits im letzten Jahrhundert überzeugend gegeben.
I Have A Dream: wir verändern die Mythen unseres Kulturkreises. Wir erzählen in Kindergärten und Schulen keine halbgaren Religionsgeschichten mehr, sondern dass der Mensch sterblich ist und nur dieses eine kostbare Leben besitzt. Diese Botschaft ist für jeden verständlich und sie muss von Anfang eindeutig kommuniziert werden. Ein Paradigmenwechsel ist längst überfällig.
Der Mensch kommt aus dem Nichts und er geht in das Nichts – aber viel entscheidender: das ist nicht schlimm! - dieser Gedanke hat entscheidende Konsequenzen für Verhalten,für Moral und Lebensgestaltung. Ein Mensch, der seine Autorität und Autonomie nicht von einer höheren Macht ableitet und für den es keinen vorgesehenen transzendenten Sinn gibt, ist dann auch unverzichtbar aufgerufen, diese eine Existenz, die einzige Chance des Hier und Jetzt selbst mit Sinn zu erfüllen. Da gibt es keinen Aufschub mehr keine Hoffnung auf zweifelhafte Erlösungsversprechen. Hic Rhodos, hic salta. Hier und jetzt ist jeder gefordert und in der Verantwortung.
Autonom,selbstverantwortlich.
Dieses eine Leben ist hieraus folgend kostbarstes Gut und gewinnt absoluten Wert gerade daraus, dass jenseits seiner irdischen Realität nichts zu erwarten ist. Und daraus folgt dann zwingend: . . . die Einmaligkeit unserer puren Existenz verpflichtet uns und fordert uns heraus. Lebenssinn fällt nie vom Himmel,kann niemals durch Religion gestiftet werden.- Genauso wenig kann ein Gottbezug Moral begründen. Wir sind in der Verantwortung. Ganz alleine.
Wie frei macht dieses Akzeptieren! Wie groß ist dieser Gedanke! Jeder muss ihn für sich selbst ergründen und verstehen. Denn dann wird klar: das einfache, moralische, anspruchsvolle, ultimative Ziel kann nur sein: Lebe so,dass die Welt,wenn Du stirbst ein besserer Ort ist!
Das geht ganz ohne Kant etc., moralischer Imperativ etc
Bringe Dich ein,lerne,entwickele Dich! Und - Sinn entfaltet sich am ehesten im sozialen Bereich.
"Wer nur sich sucht, der kann sich nicht finden ". (Goethe)

Da unsere Gehirne extrem plastisch (=formbar/lernfähig) sind, sollte es doch gelingen, diese schönen Gedanken neuen Generationen zu vermitteln - das wird viel Zeit brauchen.
Aber nach `Sloterdijk`, und da hat er dann recht, muss man an einem Denken,welches man als richtig erkannt hat, lebenslang üben.


© ulli nass


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Kommentare zu "Sterblichkeit und Sinnfrage"

Re: Sterblichkeit und Sinnfrage

Autor: Piscium   Datum: 29.03.2018 1:12 Uhr

Kommentar: Das kann nicht unwidersprochen bleiben: Der ontologische Gottesbeweis nach Kurt Gödel ist bestätigt worden. --> http://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2013/fup_13_308/index.html

Wobei: "Eine gottähnliche Entität besitzt alle positiven Eigenschaften"?! Hmmh... ;-)

Annahme 5: "Notwendigerweise zu existieren ist eine positive Eigenschaft"
Ähm ja, würde ich nicht existieren, würde ich mir vermutlich nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob das nun positiv wäre, zu existieren...

Raus kommt dann:"Gott existiert notwendigerweise", also wenn man oben genanntes und noch weiteres in einer Logikkette anerkennt...

Re: Sterblichkeit und Sinnfrage

Autor: ulli nass   Datum: 29.03.2018 3:37 Uhr

Kommentar: bitte besser und unvoreingenommen recherchieren.Ich schätze Gödel als Mathematiker.Hier hat er sich überprüfbar vertan.Es existiert kein erfolgreichen Gottesbeweis.Es wäre ja auch zu simpel.

https://de.richarddawkins.net/articles/warum-der-gottesbeweis-kurt-godels-falsch-ist

Du darfst gerne an Gott glauben, lieber Fisch,aber nicht mit Anspruch
er sei zu beweisen,oder gar bewiesen.
Ein bewiesener Gott wäre übrigens total lächerlich.
Niemand müsste mehr glauben.

ulli

Re: Sterblichkeit und Sinnfrage

Autor: Piscium   Datum: 29.03.2018 11:25 Uhr

Kommentar: Falsch, Informatiker haben gezeigt, dass der Gödel´sche Gottesbeweis FORMAL richtig, also nach dem Programmmieren kommt "ja" heraus. Damit ist nicht ausgesagt, ob Gott wirklich existiert, weil die ganzen Voraussetzungen, über die ich mich zum Teil erheitert habe, angenommen und auch stimmen müssten. Deshalb ist das auch kein wirklicher "Beweis". Dennoch ein interessanter Versuch ;-)

Ich habe übrigens nichts anderes gesagt. Was ich glaube und nicht habe ich mich überhaupt nicht geäußert. Woher nimmst du das?

Dawkins posten ist schön, aber als objektive Quelle ziehe ich das auch nicht heran, der hat Gott zu widerlegen ja inzwischen zu seinem alleinigen Lebensinhalt gemacht, ist mir folglich egal, was dessen Stiftung sagt...

Re: Sterblichkeit und Sinnfrage

Autor: ulli nass   Datum: 29.03.2018 11:49 Uhr

Kommentar: "Deshalb ist das auch kein wirklicher "Beweis". Dennoch ein interessanter Versuch ;-) "

Zu dieser Variante hätte es von mir keinen Kommentar gegeben.

Aber warum nennt man sich ' piscium ' ? ;-)

Re: Sterblichkeit und Sinnfrage

Autor: Piscium   Datum: 29.03.2018 11:56 Uhr

Kommentar: Geheimnis des Glaubens ;-)

Re: Sterblichkeit und Sinnfrage

Autor: Piscium   Datum: 29.03.2018 11:57 Uhr

Kommentar: Hat aber nichts mit Religion zu tun...

Re: Sterblichkeit und Sinnfrage

Autor: ulli nass   Datum: 29.03.2018 12:02 Uhr

Kommentar: Alles gut . . . dass wir darüber gesprochen haben.
Sitze gerade als Aufsicht in einer Kunsthalle, Ehrenamt.
Nix los heute. So habe ich dann halt Zeit für's Schreiben

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