Ich bin 38, seit ein paar Monaten wieder solo. Meine Ex-Partnerin und ich haben uns - rückblickend betrachtet - freundschaftlich getrennt. Einvernehmlich, wie man es etwas nüchterner nennt.
Sei 's drum, wir bilden derzeit eine reine Wohngemeinschaft wie zwei gute Freunde - was wir ja eben auch nach wie vor sind.
Ich bin ein Mensch, der vom sozialen Umfeld her tendenziell besser mit Frauen klar kommt.
Nicht, dass ich keine Kumpels hätte, natürlich, sogar einen seit 24 Jahren besten Freund. Dennoch, was anderen Männern ihre Kumpels, sind für mich einige sehr lieb gewonnene Freundinnen - Kumpelinen, wie man neudeutsch gerne sagt. Manche sind es, weil die Kontakthäufigkeit einfach nicht mehr zulässt, aber ein Teil von ihnen sind eben echt gute Freundinnen für mich.

Immer wieder begegnet mir etwas, das ich in diesem Moment mal ganz lapidar "gesellschaftliche Voreingenommenheit" nennen möchte, wenngleich es eher oberflächlich wirkt, lassen sich doch die Ursachen für diese unschöne Einstellung zum zwischengeschlechtlichen Mit- bzw. Gegeneinander(?) viel tiefer ergründen.
Wovon ich rede, ist die primär von uns Männern verbreitete Meinung, Frauen und Männer könnten nicht nur platonisch miteinander befreundet sein, das gehe einfach nicht. Schon gar nicht wenn beide solo sind.

Wie bei Allem finden sich auch hier pro und contra. Selbstredend können sich zwischen einer Frau und einem Mann, die beide solo sind, auch tiefere Gefühle entwickeln.
Sind sie aber "vernünftig" genug, sich erstmal eine gewisse Zeit zu beschnuppern, dann sind sie bis zum Zeitraum, in dem sie allmählich mehr füreinander empfinden, schlicht Freunde, wenn auch bereits sehr gute.
Natürlich stürzen sich manche, die ein Problem mit der Einsamkeit haben, nicht gern allein sind, nicht selten viel zu schnell in eine feste Beziehung. Allerdings dürften dies meines Erachtens eben jene Beziehungen sein, die den alltäglichen Aufgaben und Herausforderungen über kurz oder lang nicht trotzen können, so sehr man es sich wünscht. Man hat sich anfangs einfach nicht gründlich auf die Situation einstellen und vorbereiten können.
Das Fundament bestand womöglich aus "billigen Fertigbauteilen" und es war durchaus absehbar, dass es nicht lange würde standhalten können.

Ich bin ganz allgemein der Ansicht, Liebe zwischen zwei Menschen, die sich einst fremd waren, entwickelt sich ohnehin eher aus bestehenden Freundschaften und die Basis für diese Liebe, besagtes Fundament, hat sich bereits während dieser Freundschaft(en) gegründet und ist tendenziell auch stabiler.
Allerdings habe ich relativ bald nach der Trennung auch erfahren, dass Liebe ein mächtiges Instrument ist, für das es keiner Gebrauchsanleitung bedarf. Entweder man arrangiert sich mit ihr und hat sie im Blut oder man wird nie warm mit ihr. Dann lauern immer wieder Enttäuschungen, deren Schmied man selbst ist, so wenig gerne man es einsieht.
Ich hatte bis etwa eine Woche danach ganz böse mit dem Schmerz der Trennung zu tun.
Ich hatte durch einen Lehrgang, den ich 2012 begonnen hatte, eine BahnCard100 und konnte noch bis Ende Mai jederzeit, wenn mir danach war, ausbrechen. Das war aus heutiger Sicht einerseits egoistisch meiner Ex-Partnerin gegenüber, andererseits das Beste für uns hinsichtlich der gegebenen Distanz.
Ich setzte mich in den nächstbesten ICE nach Hamburg, um von dort mit einem anderen über Bremen, Osnabrück, das Ruhrgebiet, Bergisches und Rheinland mit Wuppertal und Köln über Koblenz und Mainz nach Frankfurt am Main zu fahren.
Die Tour tat gut, trotzdem kamen mir zwischenzeitig im Zug immer wieder die Tränen.

Nach etwa drei Wochen stellte sich das Ganze nicht nur allmählich ein, sondern ich auch fest, dass ich irgendwie wieder bereit wäre für jemanden Neues in meinem Leben. Das fühlte sich einerseits gut an, erschreckte mich andererseits aber ungemein vor mir selbst.
Wie konnte ich denn nach so kurzer Zeit schon wieder über Liebe nachdenken (wollen)?
Dann hörte ich tiefer in mich und mir wurde zunehmend klarer, ich wollte das gar nicht, das passierte einfach mit mir.
Ich öffnete mich dem Gedanken an etwas Neues, ohne es auch nur im Ansatz kontrollieren zu können.

Also wie gesagt: Liebe ist ein Instrument, das Töne spielt, die wir zwar nicht hören können, dessen Schwingungen wir dafür umso stärker empfinden.

Sind sie sehr ausgeprägt, möchten wir mehr mit dem anderen Menschen an unserer Seite erleben. Sind sie dagegen geringfügig schwächer, dann soll es eben gute oder gar sehr gute Freundschaft sein.
Der Grat kann sehr schmal sein, der dazwischen liegt und die Grenze kann auch total verschwimmen.

Ein Beispiel:
Für eine liebe Freundin, an der mir menschlich gesehen sehr viel liegt, bin ich als Single genauso da wie ich es für meine Partnerin wäre, wenn es aktuell eine gäbe.
Sie kann jederzeit anrufen, wenn etwas sie bedrückt. Sie kann mich für einen gemütlichen DVD-Abend zu sich bestellen, wir trinken während des Films ein Glas Wein zusammen oder machen uns sogar etwas zum essen dazu. Sie kann sich bei mir anlehnen und wir freuen uns am Film bzw. weinen evtl. bei traurigen oder rührenden Szenen.
Bedingungsloses Vertrauen sollte eine solche Freundschaft zwei Menschen ebenso abverlangen können wie eine Paarbeziehung.

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© Carsten Preuß


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