Schneidig, fand ich, fuhr ich mit meinem Rad über die Strasse.
Noch auf dem Zebrastreifen traf der Reifen etwas scharfes, kantiges.
Ich hatte einen Platten am Vorderrad.
Nach sehr kurzer Besinnungspause schob ich das Rad zum Wittenbergplatz, drehte es rum und schloß es an.
Dann lief ich los in Richtung Gedächtniskirche um nach Schlauch und Mantel Ausschau zu halten. Im Werheim verwies man mich auf das Sportkaufhaus im ehemaligen Bilka. Dort hat die Mutter eines Schulfreundes gearbeitet und wir hatten sie manchmal besucht.. Die Eingänge, Rolltreppen und die Gestalt des Hauses waren noch die alten. Fahrradmantel und Schlauch kaufte ich im Parterre, auch Werkzeug , und lief damit zum Wittenbergplatz zurück.
An der Gedächtniskirche wurde ein Bau aus den siebziger Jahren abgerissen. Dahinter ragte ein neuer weißer Turm auf.
Am Wittenbergplatz fummelte ich am Mantel herum, bekam ihn aber nicht vom Reifen. Ich telefonierte mit einem Freund, der anbot mir zu helfen. Also schob ich mein Fahrrad zum Bayrischen Platz und der junge Mann machte sich an die Arbeit, zog den Mantel ab, mit Festhalten der gelockerten Stelle, zog den neuen Schlauch auf und ich hatte den gebrauchten Schlauch nicht gründlich genug gereinigt, abgespült und cetimeter für centimeter geprüft. Der prall aufgepumpte neue Schlauch verlor seine Luft. Das platte Rad schloß ich am Bayrischen Platz ab und lief
in die Philharmonie um die Musik zum Sommernachtstraum von Mendelsohn und Musik von Bartok zu hören. Die Musiker und Sängerinnin musizierten Mendelsohns Sommernacht herbei, in der Nacht aus der Wintersonnenwende. Die Töne klangen und schwirrten. Bartok hat ein Violinkonzert für eine Angebetete geschrieben
und Stücke aus seiner Volksliedersammlung.
Anschließend berichtete eine Freundin von ihren Israel-Erfahrungen.
Morgens lief ich los um Geld von der Bank zu holen und neuen Mantel und Schlauch.
Am frühen Nachmittag kam ich zum Freund und der zog den Neuen Mantel und Schlauch auf- und bis jetzt hält er, soweit ich weiss.
Noch kurz las ich im Buch von Chris Webb über die Belzec Death Camp in der Stabi.
In der Philharmonie ärgerten mich Laser-Ultraschall- Sprüche von hiesiger psychiatrischen Patienten und ihren lebenslangen Stasi- Begleitern nehme ich an.
Dann war die Wintersonnenwende auch schon vorbei und die Tage werden wieder heller, hoffentlich.


© hartmut


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