Ein Liebesbrief ist eine der schönsten Arten, einem Menschen zu zeigen, wie unersetzlich er geworden ist – dachte ich zumindest.

Einen Brief dieser Art zu schreiben, bedarf weder viel Vorbereitung noch eine große Anzahl an Regeln, die es zu beachten gilt. Man schreibt einfach drauf los und hofft, dass das Gefühlschaos, was in einem tobt, irgendwie auf das Blatt fließt – unzwar so, dass der Gegenüber versteht, worum es geht.
Ich habe in meinem jungen Leben nicht viel solcher Briefe verfasst. Wenn ich ehrlich bin, sind es nur zwei. Zwar habe ich einen großen Haufen an Liebesbotschaften per SMS oder What’sApp verschickt, doch das geschriebene Wort ist etwas Besonderes für mich geblieben. Eine solche Nachricht zu verfassen, mir die Zeit zu nehmen, diese sorgfältig auf’s Papier zu bringen – das würde ich, weiß‘ Gott, nicht für jeden tun.
Doch die beiden glücklichen Gewinner wussten diese leider nicht zu schätzen.

Die erste Person, nennen wir sie Ralph, war mein erster großer Schwarm. Anfangs habe ich ihn nur als Freund gesehen, doch als er mir seine Zuneigung offenbarte, war ich so neugierig auf dieses sagenumwobene „Verliebtsein“, dass ich mich in seine Liebe fallen ließ. Doch schon nach wenigen Tagen drohte Ralph mir zu entrinnen – er war im Begriff umzuziehen. Da setzte ich mich an meinen Schreibtisch, nahm kitschiges rosarotes Papier zur Hand und kritzelte in winzigen Buchstaben eine Nachricht, die ihm zeigen sollte, dass auch nach seinem Umzug eine Möglichkeit bestand, meine Liebe wahrzunehmen. Ich war nervös, aufgeregt und dennoch besorgt.
Anfangs habe ich nicht erfahren, ob er die Nachricht erhalten hatte, denn er meldete sich jahrelang nicht bei mir. Als er es dann schließlich tat, war Ralph mir egal geworden. Denn auf eine gewisse Art und Weise hatte er mich verletzt. Auch wenn ich nie die wahren Gefühle der Liebe für ihn empfunden, so war es doch ein Schlag, als ich tagelang, wochenlang neben dem Briefkasten und dem Handy saß und verzweifelt auf eine Nachricht wartete, die nie kommen würde. Da änderte die Beichte, dass er meinen Brief bis zum heutigen Tage aufbewahrt, auch nichts mehr dran…

Bei der zweiten Person war alles viel Emotionsgeladener. Ich lernte ihn vor gut einem Jahr kennen. Allein sein Anblick raubte mir den Atem. Quentin (Name geändert) war ein Mann, direkt aus meinen kühnsten Träumen gerissen. Ich hatte nie viel mit ihm zu tun, war nur am Rande seiner Wahrnehmung, und dennoch verlor ich mich unsterblich in seinem Wesen.
Als ich drohte, auch aus dem Rande seines Blickfeldes zu verschwinden, entschied ich mich, einen zweiten Versuch in Sachen Liebesbrief zu wagen. Diesmal nahm ich mir mehr Zeit, spielte mit den Worten, arbeitete Gefühle in Metaphern um und ließ Amor über das Blatt hüpfen. Ich gab mir die größte Mühe, schüttete mein ganzes Herz auf dem einseitigen Brief aus.
Was aus diesem Brief geworden ist? Nun, ich habe ihn abgeschickt – per E-Mail. Postialisch war es leider nicht möglich. Erst erhielt ich tagelang keine Antwort – und dann kam der Schlag. Seine Antwort – eiskalt. Seine Wortwahl – gestochen scharf. Seine Meinung – niemals.
Trotz der größten Gefühlsausbrüche und der leidenschaftlichsten Worte, die ich zufinden vermocht hatte, war er nicht einen Moment berührt. Sagte mir klipp und klar durch das Papier ins Gesicht, dass ich mich nicht mehr zu melden hatte. Weder jetzt, noch irgendwann. Zwischen den Zeilen las ich … nichts. Seine Antwort auf meine Gefühlsduselei hätte auch ein Schreiben von einer Firma sein können, wo man sich beworben hatte, aber schon im Vorausscheid rausgeflogen war.

Da stellt sich die Frage, ob ich das Thema Liebesbrief für immer von mir geschoben habe. Nein, tatsächlich habe ich dies nicht.
Ich denke, wenn der richtige Mensch um die Ecke kommt, werden meine Worte erhört werden. Auch wenn sie dann vielleicht nur auf einer labbrigen, alten Serviette stehen…


© a.k.heidmann


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Beschreibung des Autors zu "Love of my life: Ein paar Zeilen"

Der Liebe in Worten auf den Fersen.

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