Es gibt ja immer irgendwo einen, der wo mehr kann wie ich, aber der hat dann trotzdem nicht Recht. Weil ich sagen kann was man darf. Das hab ich nämlich von Leuten gehört, die wo überhaupt mehr wissen wie jeder – und die sind berühmt. Wenn die z.B. jemand nicht mögen, dich z.B. und dann z.B. sagen ich soll dich auch nicht mögen, dann machen die das und ich z. B. auch. Das ist aber genau richtig, weil ich es nicht weiß.

Aber wenn die das wissen, dann weiß ich das auch und dann weiß ich mehr wie der, wo was kann und ich nicht so. So gescheit bin ich! Da brauch ich nicht nachdenken, als ob ich in der Schule war. Prügeln kann jeder. Wenn aber keiner gute Noten hat, wie der Herr Lehrer, dann kann er vielleicht nix sagen. Mindestens nicht zu mir, weil ich mich kenne. Außerdem ist meine große Schwester bei der SDP. Sie natürlich nicht.

Aber ihr Stecher und der weiß Bescheid. Auch bei der CUD! Der weiß auch viel. Da gibt es eine Menge Personal. Da brauch ich keinen mehr, der wo mehr kann wie ich. Das zählt nicht! Jeder der wo weiß, wie man ist, der hat einen in der Partei und der kriegt dort Stimmen. Die hat man wenn man im Reichshaus sitzt. Da sind die Geordneten! Die sagen was man sagt, wenn man weiß, wie einer nichts kann, oder eben darf.

Und so kommt das von überall her, damit es mich dazu macht, besser zu sein, wie der wo was zu mir sagt, daß ich mich täusche. Ich muss lachen! Von dem lass ich mich noch lange nicht, oder ich geh zu meiner großen Schwester, damit sie das mit dem Stecher ausmacht. Woher soll denn einer wissen, der vielleicht was Schönes malen kann, oder der wo vielleicht was schreibt, von dem ich mir nichts dabei denke? Eben!

Der Pfarrer hat kürzlich gepredigt. Es heißt doch gepredigt, oder? Was überhaupt? Na, wir haben eine Seele, sagt er, und auf die muss nicht nur er aufpassen, sondern ich, wo ich keine Ahnung habe. Dafür sagt er mir ja auch wie sie heißt und was sie machen soll, wenn er sie in Versuchung führt. Nein, der Pfarrer bloß nicht, sondern der wo sagt, daß ich nachdenken soll, oder der Pfarrer! Das ist doch mir sowas von Wurst!

Also soll mir keiner sagen wo‘s für den Pfarrer langgeht, oder für den Lehrer, oder für die Geordneten, oder für meine große Schwester und ihren Stecher bei der SDP und den bei der CUD. Die wissen’s schon selber gleich! Jederzeit sind die auf Zack und ich mit, sobald die mir verraten haben wie sie ticken. Das sagt man doch so, oder vielleicht nicht?! Ich jedenfalls sag so und da lass ich mir nix dreinreden.

Woher soll denn der wissen, der wo mehr kann wie ich, aber nicht meine große Schwester, weil die den Stecher hat, was so ein Bundesministerpräsident vorhat. Das weiß der selber nicht. Aber alle zusammen wissen alles. Wer viele Stimmen bekommt, der weiß mehr als alle zusammen, mehr als ich weiß und darum sag ich das auch! Und niemand braucht dann kommen und mich auslachen. Der kriegt was!

Schließlich kann ich lesen und schreiben was man mir sagt. Was sonst?! Ich bin kein Anal-Phabeth! Wofür hält man mich denn? Aussuchen kann ich mir immer noch selber für wen ich arbeite. Und mit wem ich verheiratet bin seht ihr ja. Meine Partnerin ist geil. Das ist das Wichtigste, denn meine Kinder sollen es einmal besser haben wie der wo mich nicht richtig einschätzen kann und bloß immer kritisiert. Aber das ist Quatsch!

Dem hau ich eine um die Ohren! Vonwegen meine große Schwester und ihre Stecher! Das ist ja die Höhe. Da kann vielleicht kommen, wenn ich mich nicht irre und ich irre mich selten, weil ich gehört habe wie meine Seele heißt und daß ich aufpassen muss, wenn der Lehrer kommt. Dann gehe ich mit meiner großen Schwester zur SDP, oder zur CUD. Die machen dann Krawall, wenn einer so laut zu mir sagen will: „Du Depp!“

Ein Beispiel für keine Betrachtungen

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Ein Beispiel für keine Betrachtungen"

Re: Ein Beispiel für keine Betrachtungen

Autor: Sonja Soller   Datum: 18.03.2023 16:25 Uhr

Kommentar: Gedankenakrobatik vom Feinsten, lieber Alf, mit tiefem Sinn!!
Wer kann wissen, was andere wissen, wenn niemand was weiß!?!?

Herzliche Samstagsgrüße aus dem sprachlosen Norden, Sonja

Re: Ein Beispiel für keine Betrachtungen

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 18.03.2023 16:56 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
für keine Betrachtungen sind das allerhand Betrachtungen. Mit Interesse gelesen.
Bild mysteriös.
Liebe Grüße aus der betrachtenden Mitte
Wolfgang

Re: Ein Beispiel für keine Betrachtungen

Autor: Alf Glocker   Datum: 19.03.2023 17:27 Uhr

Kommentar: Vielen Dank liebe Freunde!

Liebe Grüße
Alf

Die Gestalt auf dem Foto ist übrigens eine (verkleidete) Pychiaterin...nein, nein, keine mich behandelnde, sondern eine Bekannte :-)))

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