Wenn ich lebe, ohne philosophisch zu denken (mir also nur um die Nahrungsbeschaffung Sorgen mache), dann bewege ich mich in so etwas wie den „Ewigen Jagdgründen“. Selten gewordenen Urwaldstämmen ist dieser Zustand als „Immerwährende Gegenwart“ bekannt.

Sobald ich anfange, wirklich zu denken, registriere ich etwas, das sich unangenehm auf meine Psyche (nicht Seele) auswirken kann: die Zeit! Ich betrachte mein Vergehen = Altern mit gemischten Gefühlen und beginne, wie in einer Wasserrutsche abzustürzen. Hauptsächlich erkenne ich, daß es sinnlos ist, sich irgendwo festzuhalten. Alles ist glitschig. Ich kann mich nur fügen! Aber die Anziehungskraft der Zukunft bewirkt eine Schwere, der ich mich ebenfalls nicht entziehen kann …
Für mich selbst versuche ich, Zeichen zu setzen, auf denen steht „Du hast dich nicht umsonst bemüht.“ Aber wie geht das?

Einen Baum pflanzen, ein Buch schreiben, ein Haus bauen, einen Sohn zeugen?
Ha! – Angenommen, das würde jedem von uns gelingen – was wäre dann?
Wir würden erkennen, daß es für uns keine „Immerwährende Gegenwart“ gibt, daß wir vergehen, egal, was wir je getan haben, daß alle unsere Vorhaben und Vorgaben nur Krücken zur Lebensbewältigung sind. Und etwas in uns erinnert sich immer an das/den, der er einmal war.

Dann empfinden wir unsere Füße als bleiern, dann fragen wir uns unwillkürlich, warum etwas ist, wenn es doch einmal wieder nicht ist. Sämtliche Traumata uner-wünscht erlebter Ereignisse stürmen im Zuge dieser Erkenntnis auf uns ein …
Dann ist der persönliche Karfreitag!

Ob die ersehnte Auferstehung irgendwann erfolgt, ist eine Frage unserer inneren Einstellung. Wir raffen uns – solange wir nur können – immer wieder auf. Ein Ungläubiger Thomas aber bleibt dennoch in uns präsent: die sich in lebendigen Rhythmen zeigende (philosophische) Schwermut.

Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 181. Schritt

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 181. Schritt"

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 181. Schritt

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 30.01.2022 9:34 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
immer wieder gern gelesen. Mit deinen Schritten hast du ja auch bald Bergfest (Halbzeit).
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 181. Schritt

Autor: Angélique Duvier   Datum: 30.01.2022 12:46 Uhr

Kommentar: Was für kluge Gedanken wieder in Deinem Kopf vorgehen, lieber Alf!
Super geschrieben!
L.G.
Angélique

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 181. Schritt

Autor: Jens Lucka   Datum: 30.01.2022 13:19 Uhr

Kommentar: Wow !!! Den Nagel auf den Kopf getroffen.
Und sei Der dabei krumm oder nicht,
fraglich bleibt der Zukunft Licht.

Herzliche Grüße von Jens !

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 181. Schritt

Autor: Alf Glocker   Datum: 30.01.2022 13:30 Uhr

Kommentar: Vielen Dank liebe Freunde!

LieGrü
Alf

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 181. Schritt

Autor: l.Maja   Datum: 30.01.2022 17:28 Uhr

Kommentar: Die Wahrheit ist wohl, dass es der Existenz völlig gleich ist, ob man oder wie man gelebt hat.
Da helfen uns auch keine christlichen (religiösen) Geschichten oder Symbole oder sonstiger Irrglaube.
Selbsterkenntnis bleibt als Ansatz und als steiniger Weg übrig, für alle, die die Wahrheit erkennen wollen.

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 181. Schritt

Autor: l.Maja   Datum: 30.01.2022 17:28 Uhr

Kommentar: Die Wahrheit ist wohl, dass es der Existenz völlig gleich ist, ob man oder wie man gelebt hat.
Da helfen uns auch keine christlichen (religiösen) Geschichten oder Symbole oder sonstiger Irrglaube.
Selbsterkenntnis bleibt als Ansatz und als steiniger Weg übrig, für alle, die die Wahrheit erkennen wollen.

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 181. Schritt

Autor: Alf Glocker   Datum: 30.01.2022 17:42 Uhr

Kommentar: Wo du recht hast hast du recht liebe Maja!

Viele Grüße
Alf

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