Du zuckst zusammen beim Weckton deiner tragbaren Kommunikation-Einheit.
Beim aufstehen überkommt dich ein Anfall von orthostatischer Hypotonie.

Du taumelst benommen vom morgendlichen Nikotinschock, automatisiert zur Arbeit. Beim Weg aus der Umkleide schiesst Cortisol pfeilschnell in alle Zellen.

Los geht’s! Du hetzt von einem Gedanken zum anderen.
220 Volt Wechselstromspannung elektrisieren dein Nervensystem.

Du brauchst diese Spannung für deinen Hochleistungs-Akkumulator.
Ohne Stress lässt deine Reichweite nach. Zwischenladung, Fehlanzeige.

Du fühlst die Euphorie, das Dopamin, die nur der Stress erzeugt.
Du lässt dich tragen, du surfst sie, die Welle der Reizüberflutung.

Tausende Kleinigkeiten durchsieben deinen Verstand, auf der Suche nach dem Stück, welches nicht durch die Maschen fällt.

Die Spannung verliert keine Leistung. Die Pumpe läuft auf Hochtouren, mechanisch-rhythmische Ausdehnungen und Kontraktionen der Gefässwände sind am Anschlag.

Der Drehzahlbegrenzer ist im roten Bereich. Die Zeichen der Warnung übersiehst du. Das Hamsterrad muss am Rotieren bleiben, du darfst jetzt keine Schwächen zeigen.

Und plötzlich, Leistungsabfall, Systemabbruch, das Dopamin lässt nach. Du suchst nach klaren Gedanken. Dein Echolot verliert jegliche Reflektionen. Dein Cortisolspiegel fällt rapide ab.

Notfallplan! Koffein! Sinnlos…seit Jahren sind deine Rezeptoren resistent. Höchstens beim täglichen Stuhlabgang kann es noch behilflich sein.

Die Nebennierenrinde versucht zu kompensieren, schiesst einen Cocktail aus Adrenalin und Noradrenalin blitzartig in alle Peripheren…zu spät. Du spürst nur ein kurzes Aufflackern deiner Klarheit, kurze Zeit später, geistige Umnachtung.

Feierabend…..du strampelst dich ab, Tag für Tag, das BelastungsEKG beim Kardiologen war Kinderkacke dagegen.

Du schleppst dich mit halber Kraft nach Hause. Nach 16 Stunden ist sie wieder vorbei, die Pause.


© Sebastian Rapmund


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