Der verzauberte Wald oder: Wo die „Ich Wünsche-mir-Weide“ steht

Es ereignete sich in einer Zeit in der diese Welt noch in Ordnung war, dass zwei junge Menschen, deren Herzen noch rein und ohne Schatten waren, gemeinsam durch die wohlige Sonne eines Frühlingsnachmittags spazierten. Ihre Herzen waren so rein wie ein unschuldiges Herz es nur sein konnte und ihre Seelen von einer solch ungezwungenen Leichtigkeit, dass der zarte Lufthauch mit dem der Wind ihre Haut liebkoste, sie einfach hätte mit sich davon tragen können. So wie er die Sonnenstrahlen einfing und mit sich trug, um sie anderen Ortes wieder frei zu lassen. Ausgelassen und fröhlich plauderten die beiden mit einander. Das Mädchen, in ihrem blauen Kleid und einem kleinen goldenen Reifen an ihrem linken Handgelenk ,tollte verspielt links und rechts am Wegesrand umher, um hier und dort ein paar Blümlein zu pflücken, welche es sich in das blaue Band steckte, das ihr goldbraunes volles Haar zu einem Zopf zusammenhielt. Der Junge betrachtete sie und hatte seine Freude an ihrer ausgelassenen Fröhlichkeit und ließ sich ein wenig mit Glückseligkeit verzaubern. So gerne wäre er sie. So warm, so leicht, so unbeschwert und lieblich. Gerne wäre er ihr hinterher gelaufen und hätte ihr die Blumen selbst in die Honigpracht ihrer Haare gesteckt. Wie er das Mädchen so betrachtet und sich erfreute, lies er alle Ordnung fallen und vergaß alle Anständigkeit, die er einmal erlernt hatte. Ebenso fröhlich, leicht und frei wie sie es war, tollte er ihr hinterher. Sie liefen über Wiesen und Felder, verfolgten Schmetterlingen und trieben Libellen vor sich her. Bis sie der Flusslauf auf dem die Sonnenstrahlen tanzten, schließlich zu einem kleinen dichten Wald führte. Für einen Augenblick der so kurz war, dass ihn ein Mensch niemals bemerken hätte können, blieben die beiden gebannt von der Schönheit des Waldes stehen. Ehe sie sich anblickten und in den Augen des anderen laßen, dass es Zeit war hinein zu gehen. Gemeinsam gingen sie ein steinernes kleines Weglein entlang, der Waldboden auf der rechten und der linken Seite des Pfades war von weißen, blauen und gelben Blumen bedeckt, als hätte der Wald sich zurecht gemacht und aufgeputzt, um die beiden zu empfangen. Das Sonnenlicht, das durch das Blätterdach der hohen Bäume herein fiel und verspielt über die Blätter tanzte, kleidete alles ins ein sanftes warmes Licht, wodurch die verschiedenen Grüntöne des Waldes in all ihren Facetten und Nuancen leuchteten. Die jungen Menschen waren verzaubert von der Vielzahl an grünen und braunen Farbtönen, mit denen sich sattes weiches Moos und junger starke Efeu, um Jahrhunderte alte Baumstämme rankte. Ehrfürchtig schritten sie einher. Sie überquerten umgestürzte Baumstämme, auf denen schillernde Insekten ihrem geschäftigen Treiben nachgingen. Stiegen mal hinauf und mal hinab, um sich gegenseitig die Schätze zu zeigen, die sie entdeckt hatten. Mal war es eine Baumwurzel, die die Form eines Reittiers hatte, mal war es ein großer und moosbedeckter Stein, der sich von allen anderen unterschied, da er ein grimmiges Gesicht trug. Wenige Schritte weiter wiederum war es eine Blume deren Blätter von besonderem Blau waren, dass diese beinahe so sehr leuchteten wie das Kleid des Mädchens. Dessen Farbe im Zusammenspiel mit den Farben des Waldes, noch an Leuchtkraft gewonnen hatte. Bis sie schließlich einen großen und knorrigen Stamm entdeckten der borkig, stabil und moosbewachsen, als Brücke über den klaren, kleinen Flusslauf führte, der sich über kleine Wasserfälle und Windungen durch den Wald schlängelte. Mit einer fließenden Bewegung hatte das Mädchen die Brücke erklommen. Das Herz des Jungen machte einen Hüpfer, als ihm gewahr wurde, dass sie fallen und sich verletzen könnte. Doch mit der grazilen Gangart einer Wildkatze, setzte sie einen Lackschuh vor den anderen und hatte sogleich, mit ausgestreckten Armen um die Balance zu halten, die Brücke in nur einem Wimpernschlag überquert. Der Junge schickte sich an ihr zu folgen und hoffte, dass sie nicht bemerkte wie mühsam es ihm war, das Gleichgewicht auf der Brücke zu halten. Auf der anderen Seite des Flusses stand sie, die blauen Augen fest auf ihn gerichtet, um ihn mit einem Lächeln auf der anderen Seite willkommen zu heißen. Der Waldboden war hier dicht von Sträuchern und umgestürzten Bäumen, Klee und Farnen bedeckt. Vorsichtig setzten die Menschen den Weg fort und gelangten schließlich an drei große Sommerlinden, die im Halbkreis am Ufer des kleinen Flusses standen. In die Seelen der beiden legte sich ein umfängliches Glücksgefühl, sie fühlten sich leichter und glücklicher und ruhiger, als sie sich jemals gefühlt hatten. Hier im Wald, nahe des Flusses unter den Sommerlinden.
Sieh sahen einander an und im Glück des Momentes ,war sie schöner, lieblicher und reiner als sie es jemals war und auch er war schöner und stärker und mutiger, als er es jemals für möglich gehalten hatte. Er sah in ihre blauen Augen, die umspielt wurden von einzelnen honigbraunen Haaren, welche sich aus dem Zopf gelöst hatten und noch ehe er seine Worte als Gedanken formuliert hatte sprach er ungezwungen aus: „ Ich wünschte Du würdest mich lieben.“ Doch als wäre nichts gesprochen und nichts gehört worden, setzten die beiden ihren Weg am Fluss entlang fort. Alsbald nahmen sie ein leises sanftes Lied war. Eine zärtliche und wundervolle Stimme fand den Weg in ihre Ohren. Es war, als wollten ihre Herzen Freudentränen weinen, so schön und bedeutend war jenes Lied, das in der Zweisamkeit des Waldes den Weg zu ihnen fand. Sie folgten der Stimme, um zu sehen, wer dort so versteckt im Wald jene schönen Lieder sang. Bald schon erblickten sie, auf einem grünbemoosten kantigen Stein in der Mitte des Flusses, ein geselliges Treiben. Nixen hatten sich auf ihm versammelt und sangen gemeinsam und so im Gleichklang, als hätten sie nur eine einzige wunderschöne und verzauberte Stimme. Jenem wundervollen Lied, das die Menschen zu ihnen geführt hatte, wohnte ein Zauber inne, der seit Anbeginn der Zeit bestand und die Jahrhunderte überdauert hatte. Ein Zauber der bereits war, als die Welt noch jung und die Menschen nur ein Hauch in der Ewigkeit der Schöpfung gewesen sind. Jene verzauberten Wesen waren winzige Flußnixen, nicht größer als die runden Kieselsteine auf dem Boden des Flussbettes. Jede von ihnen hatte einen feingliedrigen Oberkörper, dem einer Menschenfrau glich und einen schillernden mit Edelsteinen besetzten Fischschwanz. Von ihrem Lied angezogen und von ihrem Anblick verzaubert, setzten sich der Junge und das Mädchen auf eine Wurzel und lauschten den Nixen. Er legte seinen Arm um sie. Das Mädchen legte ihr Köpfchen an seine Schulter. Gemeinsam lauschten sie dem Gesang der Nixen und ihren eigenen symmetrisch schlagenden Herzen. Als sich die Frühlingssonne zurück zog, wurde es kühler im Wald und als das Licht schwand, beschlossen sie sich zurück zu gehen. Er stand auf und reichte ihr die Hand, um seinem Wohlwollen Ausdruck zu verleihen und sie gewährte ihn die Ehre seine Geste der Hilfsbereitschaft anzunehmen. Nachdem sie ihre Hand in seine gelegt hatte, um sich auf den Nachhauseweg machten, lies sie seine Hand nicht wieder los. Das Mädchen hielt sie fest und wann immer die beiden sich ansahen, umschlangen sich ihre Seelen, verknüpften und verbanden sich, bis sie sich schließlich ganz erkannten. Als sie wieder an die Sommerlinden kamen, bestaunten sie in ihrer Mitte eine wunderschöne große goldene Trauerweide, die vollauf in goldenen Blüten stand. Mit großen Augen betrachteten die Liebenden einander und die große goldene Weide, welche sie zuvor nicht einmal bemerkt hatten. Hand in Hand schickten sie sich an, nach Hause zu gehen. An der alten Baumbrücke angelangt, erblickten sie auf dieser eine kleine knubbelige Gestalt, den Hosenbund hoch über den dicken Bauch gezogen, der Kopf kahl und eine dicke runde Brille auf der knubbeligen Nase. Das Männchen lief auf der Brücke auf und ab. Mal schimpfte es und lief von den beiden fort, dann weinte es und wechselte die Richtung, bevor es wieder schimpfend davon lief. Es weinte und klagte, schimpfte und fluchte, bettelte und flehte in seinem ewigen hin und her. Die beiden Liebenden sahen sich verwundert an, es überfiel sie das Mitleid und sie beschlossen den Gnom zu fragen, was ihn nur so sehr verzweifeln ließ. „Ach, ihr könnt das nicht verstehen.“ Schimpfte es und lief davon, nur um auf der Mitte der Brücke kehrt zu machen und weinend zu ihnen zurück zu kehren, zu wimmern und zu klagen, bevor es wieder schimpfend davon lief. „Verstehst du das?“ fragte der junge Mann seine Frau. Sie sah zu ihm auf, sah ihm tief in die Augen und antwortete. „Ja, es würde gerne jemanden lieben, so sehr wie ich dich.“ Er nahm ihre Hand noch fester und sie setzten ihren Weg Nachhause fort. Während das Männchen, dessen Partnerin längst fortgelaufen war, alleine mit seinem Zweifel auf der Brücke verblieb. Denn nur jene, die reinen Herzens sind, mutig stark, klug und von einem edlen Gemüt, können über sie hinüber gehen. Ins Elfenland, wo die Bäume des Glücks in den Himmel aufwachsen, die Nixen verzauberte Lieder singen und die „Ich wünsche mir Weide“ blüht.


© lost Meiki


5 Lesern gefällt dieser Text.

Unregistrierter Besucher



Unregistrierter Besucher

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Der verzauberte Wald oder: Wo die „Ich Wünsche-mir-Weide“ steht"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Der verzauberte Wald oder: Wo die „Ich Wünsche-mir-Weide“ steht"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.