Kaltes Wasser, ein altbekannter Freund mit seinen Tücken. Morgens unter der Dusche, wenn aus dem Duschkopf das noch nicht geheizte Wasser den Rücken runterläuft wie ein kalter Schauer, wenn die Serie am Abend doch zu unheimlich war. Gänsehaut am ganzen Leib, die Muskeln, sie arbeiten und versuchen, ja, sie müssen den Körper warm halten. Warm halten um jeden Preis, denn er ist alles, was wir brauchen, richtig? Und es ist so kalt, so unangenehm. Eine Quälerei über Stunden, Wochen, sogar Monate, die uns den letzten Funken Energie raubt, aussaugt wie ein Vampir.
Das nächste Mal bleiben wir draußen stehen, sagen wir. Wir tasten vorsichtig mit den Fingerspitzen an den kalten Fliesen entlang, um ja nicht zu viel abzubekommen, um ja nicht zu viel zu spüren, um ja nicht zu viel zu riskieren. Das Wasser könnte ja noch kälter sein als vorher. Es könnte ja wieder unangenehm sein.
Doch wie sollen wir lernen, dass es mit der Zeit besser wird? Wie sollen wir erkennen, dass wir uns doch an so vieles anpassen könnten, würden wir nur den Schritt wagen? Wie sollen wir verstehen, dass ein neuer Anfang immer mit einem Abschied beginnt, der kalt ist, und unangenehm?
Und ja, mal stehen wir vor der kalten Dusche, mal vor einer Pfütze am Straßenrand, getränkt mit Staub, Schlamm, Sand und Hundescheiße. Mal stehen wir mit Freunden vor dem Ufer des Badesees, die Handtücher auf der Wiese zurückgelassen, und mal stehen wir vor den hohen Wellen des Meeres.
Mal sehen wir den Grund vor lauter Dreck, mal vor lauter Tiefe nicht. Mal sehen wir kein Ende, endloses Wasser und so viel Blau. Blau, das Angst macht. Blau, das so anders ist als Braun und Grün, obwohl es ein so wichtiger Bestandteil ist.
Aber was macht das schon? Die Dusche wird wieder warm sein. Lasst es uns genießen, solange sie noch kalt und unangenehm ist. Denn wie oft stellt man sich schon unter eine kalte Dusche?
Lasst uns keinen Bogen mehr um die Pfützen laufen, sondern mit Regenschirm und Gummistiefeln ein Wetthüpfen veranstalten, mit lautem Plitsch Platsch.
Lasst uns mit Anlauf in den Badesee springen, Hand in Hand, die Handtücher auf der Wiese zurückgelassen, dass unsere eigenen Wellen bis ans andere Ufer schlagen, mit lautem Plitsch Platsch.
Lasst uns auf die stärksten Winde warten, die höchsten Wellen suchen und sie bändigen auf Brettern, mit fliegenden Haaren, Mut und Stolz. Denn wir haben etwas geschafft, und das Strahlen könnte nicht schöner sein auf dem endlosen Wasser mit so viel Blau. Blau, das stark macht. Blau, das doch gar nicht so anders ist, wenn wir auf der eigenen Welle stehen und merken: ja, es könnte schlimmer sein. Schlimmer als eine kalte Dusche.


© Daria Goorißen


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Beschreibung des Autors zu "Kaltes Wasser"

Über die Angst zum Mut und
Über den Mut gegen die Angst




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