Dankbar blicke ich auf all das, was geschehen, doch weh – mein Herr und mein Gott, was habe ich getan?

Meinen Weg ging ich mit dir; voller Zuversicht folgte ich deinen Spuren. Wie aufregend war es, die bunte Vielfalt deiner Schöpfung zu entdecken. Wie in einem Laubwald mitten im Herbst durfte ich mich an deinen vielen Farben erfreuen. Nicht allzu verwunderlich erscheint es mir im Nachhinein, in einem deiner Bäume meiner Vergangenheit begegnet zu sein.

War es Angst vor der Fremde, in die du mich führen wolltest? Angst vor dem Unbekannten, das mich dort erwartete? Gewiss. Und gewiss mangelte es mir an Vertrauen in deine Weisung, als ich mit einem Male an einer Kreuzung stand und mir aus der Ferne in Blättern Erinnerungen an mein früheres Leben entgegen leuchteten. Wie töricht war es von mir, ohne zu zögern unseren alt bewährten Pfad zu verlassen und stattdessen jenem zu folgen, welcher mich zu mir zutiefst vertrauten Dingen zu führen versprach. Wie töricht war ich, zu glauben, dass die Früchte jenes Baumes mich mehr sättigen könnten als deine Früchte der Ausdauer und der grenzenlosen Hoffnung auf dich.

Geblendet von dem Glanz des Schatzes, den ich gefunden zu haben meinte, eilte ich von dir weg und merkte den Irrtum nicht, dem mein Herz in seiner Schwachheit unterlegen war. Weh mir, wie dumm war es von mir, all das mir lieb gewordene, einfach hinter mir zu lassen! Schlimmer als ein störrisches Kind, das sich den Entscheiden seiner Eltern widersetzt, war ich, als ich deiner Entscheide trotzte. Erkannte nicht, wie jenes Kind nicht die Liebe und Mühen seiner Eltern erkennt, mit welch unsagbare Liebe und Mühen um mein Wohlergehen sie du für mich gefällt hast.

Weh mir, selbst erwählte ich mir blutige Wunden, als ich mich in meiner Überstürzung an den Dornen deiner Rosen verletzte. Fügte mit meinem aus Blindheit erwählten Leid nicht minder auch dir Leid zu.

Verloren ging ich im Dickicht meiner Reise in meine Heimat bei dir, doch nie mit mir auch deine Geduld. Zu Tränen rührt sie mich, wenn ich an sie denke. Wie unbeschreiblich zärtlich führtest du mich mit jedem Schritt auf den altbewährten Pfad zurück.

Duftende Blumen ließest du mir zum Troste an den Wegesrändern erblühen. Pflanztest Moos, um mir den Gang über spitze Steine zu erleichtern. Hieltst mich immerzu an meiner Hand, obwohl sie nicht nur gut war, jene Absicht, die mich von dir forttrieb. Wahrlich, wie reuen mich nun mein Ungehorsam und meine Eigensinnigkeit! Wie könnte ich es dir je vergelten, dass ich es dir weiterhin wert war, mich in der Hitze des Gefechtes in ein kühlendes Meer deiner Gnaden zu tauchen. Keinen einzigen Moment sträubtest du dich, mir zu Hilfe zu kommen, als ich den Baum der Selbstsucht erklommen in Not geriet und der Ast unter mir, der mir trügerische Sicherheit gebot, zu brechen begann. Einem nicht zu zerreißenden Netz glichen deine väterlichen Arme, in denen ich wie die Feder eines Vogels weich landete, als ich mit jenem Ast in die Tiefe stürzte.

Was bin ich, ewiger Vater, dass du mir in deiner Fürsorge um mich nachliefst und mich mit deiner Barmherzigkeit einfingst? Keinen Atemzug lang hatte ich mich jemals in meinem Leben deiner Liebe würdig erwiesen und dennoch kämpftest du unaufhörlich um und für mich wie eine junge, starke Löwin um ihr Kleines. Was bin ich, dass du mich in deiner Sanftmut mit der Fülle deiner Zuwendung verwöhnst, obwohl ich noch nicht einmal imstande bin, dir gebührend meine Dankbarkeit entgegenzubringen?

Meinen Weg ging ich weiter. Immer heller erstrahlte mir das Licht deiner Gegenwart im Dunkeln meiner Zweifel; schützend umgab mich deine Geborgenheit wie der laue Wind in den Abendstunden. Immer tiefer führtest du mich in deinen Frieden, gewährtest mir in deiner Güte, dass sich an einer Lichtung das Wirken deines Geistes meinem Verstand offenbarte. Was passierte mit mir? Wie konnte es sein, dass es mir möglich wurde, deinem Willen gehorsam Vergangenem und Gegenwärtigem den Rücken zu kehren und allein mein Herz an dich zu hängen? Mein Herr, nicht sinnlos war der Ausflug zu anderen Ufern als du für mich vorgesehen hattest. Nur noch besser vorbereitet hatte er mich auf das Eigentliche, doch weh mir – nicht wieder möchte ich dir die Strapazen antun, für mich nicht bestimmte, unebene Pfade zu ebnen und Brücken zu bauen, damit ich auf dem Weg zu dir zurück nicht in den Fluten meiner Vorstellungen ertrinke.

Und so gehe ich meinen Weg entschlossen weiter mit dir; voller Zuversicht folge ich deinen Spuren …


© Anita Zöhrer


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Kommentare zu "Mein Weg mit dir, mein Gott"

Re: Mein Weg mit dir, mein Gott

Autor: Varia Antares   Datum: 27.06.2022 19:38 Uhr

Kommentar: Danke für den schönen Text, liebe Anita.

Jetzt ist mir warm ums Herz geworden. :)

Das erinnert mich an ein Erlebnis, das ich neulich in der Kirche hatte. Mein Leben ist nicht wirklich leicht. Ich war wohnungslos und bin schwer krank. Aber als ich im Gottesdienst saß, spürte ich plötzlich so stark Gottes Liebe, dass mir ein Wasserfall aus Tränen aus den Augen lief.

Ich erkannte plötzlich, dass ALLES, was mir je geschah und noch geschieht, nicht TROTZ, sondern WEGEN Gottes bedingungsloser Liebe für mich geschieht. Diese Liebe, die ich in dem Moment spürte, war überwältigend.

Du hast mich an diesen Moment und diese Einsicht erinnert, und dafür danke ich Dir.

Alles Liebe und einen schönen Abend Dir! :)

Re: Mein Weg mit dir, mein Gott

Autor: Angélique Duvier   Datum: 28.06.2022 8:45 Uhr

Kommentar: Ein wundervoller Text von Dir, liebe Anita!

Liebe Grüße,

Angélique

Re: Mein Weg mit dir, mein Gott

Autor: Anita Zöhrer   Datum: 29.06.2022 6:46 Uhr

Kommentar: Liebe Angélique und liebe Varia! Vielen lieben Dank euch beiden!!!

Alles Liebe euch beiden und einen wundervollen Tag,
Anita

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