Du erwachst, alles ist neu. Deine Augen, wie sie
strahlen. Dein Körper ist rein und fein,
nichts Böses haftet daran. Die Jugendjahren in
weiss gekleidet, bilden sich darauf langsam Farbtupfer ab.
Das Leben ist schön. Neugierig nimmst du alles
mit offenen Augen auf.
Beendest die Schule,
dein Studium, noch besser, die Universität. So stolzierst
du umher, wie ein junger Gockel. Gehst durch die
Welt, als könntest du sie erobern, und wahrscheinlich
kannst du es auch. Weiter, immer weiter die Treppe hinauf,
strebst nach Vollkommenheit. Mit jeder Sache, die du
erledigst, verfolgst du ein Ziel. Wenn dir etwas nicht
passt, oder im Wege steht, dann rufst du aus.
Das hat aber nichts mit Überheblichkeit zu tun,
ich denke da an Hingabe, die Hingabe ist
eine wichtige Sache.

Die Welt soll nach dir besser sein. Solche naiven
Gedanken hat doch jeder einmal. Hier, du stolperst,
vielleicht fällst du sogar hin. Sie lachen und zeigen
mit dem Finger auf dich. Entweder hast du die Kraft
aufzustehen, weiter zu gehen. Oder du bleibst liegen,
weinend fluchend. Noch schlimmer, wenn du eines Tages
ganz oben angelangt bist, keine Ziele mehr hast. Dort ist
die Luft sehr dünn und niemand kann dir folgen. Wie
einsam musste Goethe sein?

Allein diese Gedanken lassen deine Augen ermatten,
der Glanz deines Ichs erlischt langsam, alles eine Frage
der Zeit. Schon oft hast du Bilder gesehen, die deinen
Geist erschüttert haben, die Seele verdünnt oder vernebelt.
Du denkst an deine Jugend, wie du damals
glücklich warst. So soll es wieder sein, entschliesst du.
Aber es wird nie mehr so sein wie damals, dein unreiner
Korpus hindert dich daran, probiere nur. Die Seele ist darin
gefangen, du bist ein Gefängnis deiner Hässlichkeit selbst.
Es gibt Tage, da ist das Glücklichsein in deinem Haus und Monate
wo es ausbleibt. Du musst schon ein schneller Läufer sein,
wenn man dem Glück nachrennen will.



Die Sonne geht stillschweigend auf und ebenso unter,
ohne auch um deine Erlaubnis zu fragen. Ein Tag vergangen
und verloren. Menschen kommen, Menschen gehen. Und die Welt
lässt sich nicht verbessern, sie wird sogar noch schlechter wegen dir.
Jedenfalls wird dir bewusst, für wen du dich abgemüht hast, nämlich
nur für dich. Wie schon König Salomon wusste, „es war alles eitel und
Haschen nach Wind.“ Du sinnst zurück, deine Augen richten sich
gen innen, abwesend.


Wir bleiben alle einmal im dunklen Meer liegen, schlussendlich
versteht sich.Wenn du im sterben liegst, von deinen lieben Freunden
umgeben, da kehrt er zurück. Ich habe dies bei
meinem Grossvater entdeckt. Denn wenn du stirbst,
aufersteht er wieder, dieser Glanz in deinen Augen.
Noch einmal funkelt er, als hättest du nun
das Licht gesehen, als würdest du nun jeglichen Sinn verstehen,
ein leises Lächeln, der Vorhang fällt. Du schliesst die Augen,
es ist vollbracht.


© J.Schopfer


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