'Mono' . . . Religion und Terror

Auch für mich ist Terrorismus primär barbarisch,verbrecherisch,unmenschlich. Er agiert grundsätzlich gegen alle religionsunahängigen positiven Grundwerte und Eigenschaften,die der Menschheit bis heute das Uberleben gesichert haben.
Der Mensch ist natürlich primär ein soziales Wesen mit der Sehnsucht nach Liebe,Freundschaft,Gemeinschaft. Er sucht Vertrauen,Anerkennung,den Ausgleich unterschiedlicher Meinungen und Interessen.
Warum gelingt uns also nicht die Gestaltung einer besseren Welt ?
Ich schreibe die folgenden Zeilen in vollem Bewußtsein einer Einseitigkeit meiner Betrachtung der zu diskutierenden Problematik.Der Krieg in Afghanistan,der fatale Einmarsch der USA im Irak,der nordafrikanische Frühling, die erschreckende Vielfalt der Fehler der tonangebenden westlichen Staaten im zwanzigsten Jahrhundert sind mir plausibel als Erklärung der gegenwärtigen Krise.Auch die erhellenden Analysen zur daraus resultierenden Befindlichkeit der Jugend,die sich ergebenden oft aussichtslosen Zukunftsperspektiven kann ich voll nachvollziehen - mit allen daraus möglichen Chancen für falsche Propheten.
Ich sehe auch das Vakuum,welches entsteht,wenn traditionelle Werte scheinbar verloren gehen . . . Globalisierung,Neoliberalismus,Konsumismus . . .
Doch es bleibt für mich dabei,diese Rationalen greifen als alleinige Erklärungen zu kurz.
Die vielfältigen klugen Analysen zur Genese und den Ursachen von Fundamentalismus und Terrorismus möchte ich deswegen durch meine ganz persönlichen und damit subjektiven Gedanken ergänzen.Leider sind diese nicht geeignet, Hoffnung auf kurzfristige Problemlösungen zu begründen.Die Ausführungen spiegeln,wie könnte es anders sein, meine ganz persönliche Wahrnehmung und Erklärung unserer gemeisamen Welt.
Sie können darüber hinaus nur eine Teilerklärung darstellen angesichts der
Komplexität des zu diskutierenden Phänomens.

Also hier mein 'Mosaiksteinchen' als Beitrag zur Diskussion :
Wer mag schon Menschen,die ständig monologisieren?Wer kennt nicht die großen Probleme von Monokulturen ? Wer überhaupt mag Monotonie ? Sind Monopople meist nicht offensichtlich ziemlich schlimm? Wer fährt nur Monoskie ? Wie groß ist die Anzahl der Fans der Monarchie ? Wer möchte sich bei Fehlsichtigkeit mit einem Monokel behelfen ? Was überhaupt lässt sich ausschließlich monokausal erklären ?

Schon die genannten wenigen Beispiele deuten auf ein Grundproblem unserer Existenz hin : das Spannungsverhältnis zwischen komplexer Vielfalt und ihrer oft mißverständlichen Reduktion auf einfache Erklärungen,einfache Gründe.Es funktioniert nicht und die Problematik ist seit Jahrhunderten von extrem unterschätzter Bedeutung, ist für mich aber mitverantwortlich für die gefährlichsten Konflikte der modernen,inzwischen globalisierten Welt.
Das Problem heißt Reduktion von Vielfalt,heißt damit auch Monotheismus.

Denn eine der dikussionswürdigsten Kulturleistungen von Homo sapiens war,so meine ich,die Erfindung und die Entwicklung des Monotheismus.Hat man sich einmal grundsätzlich mit der Entstehung und den Konsequenzen dieser für selbstverständlich gehaltenen Idee beschäftigt,dann gewinnt man eine zusätzliche Perspektive für fast alle aktuellen Probleme . . .
wie ärgerlich aber unbedeutend erscheint der Streit um die Evolutionstheorie an einigen deutschen Gymnasien ? Wie ernst nehmen wir den Versuch von Kreationisten in den USA, Darwins Lehre an den Universitäten zu verbieten,die Bibel als exklusive Datenbasis für Evolution und Erdgeschichte zu rehabiltitieren? Die Reaktionen darauf bewegen sich zwischen einem Schmunzeln und Entsetzen mit mehr oder weniger großer Besorgnis.

Aber - was trauen wir fundamentalistisch orientierten Christen eigentlich noch zu an Gefährdung für aufgeklärte Gesellschaften? Recht wenig - ist die Antwort.Das Christentum ist nach zwei Jahrtausenden nur noch Schatten seiner selbst, hat sich nach Jahrhunderten geprägt von meist peinlichen Rückzugsgefechten in einer vom Staat geduldeten,durch die Aufklärung entschärften Form in einer Traditionsnische eingerichtet.Das ist gut so !
Diese Religion zumindest ist endlich ein zahnloser Tiger - ohne ernsthaften missionarischen Eifer.Wie sollte sich dieser auch noch legitimieren nach den vielen Jahrhunderten mit Kreuzügen,Inquisition,Hexenverbrennungen,christlich motivierter Kolonialgeschichte ?
Der Imperativ für eine Weltdeutung existiert nicht mehr.Ethik wird längst ohne Religion in unserer westlichen Welt viel besser definiert. Ein Ismus aus dem Christentum ist kaum mehr denkbar.Auch Luther wird in seinem 'Jubeljahr' wegen seines Antisemitismus, seiner Frauenfeindlichkeit und seiner antihumanistischen Thesen vom hohen moralischen Sockel kommen- wir werden es erleben.

Leider gibt es den Monotheismus mit nahezu ungebrochenem Deutungsanspruch weiterhin in Form des Islam.Damit ist die Idee weiterhin höchst lebendig.Es ist von großer Bedeutung,dies endlich zur Kenntnis zu nehmen.Hunderte Millionen braver Muslime widerlegen den Gedanken problematischer Zusammenänge keineswegs,denn die Idee "Monotheismus" bedeutet in ihrer Konsequenz , es gibt keine Gewaltenteilung im Absoluten,keine Gewaltenteilung im Sinne Montesquieus.
Er steht damit in einem unauflösbaren Widerspruch zur aufgeklärten Moderne.

Demokratie und aufgeklärte Gesellschaften sind undenkbar ohne Pluralität.Auch Rassismus ist übrigens eine unnötige und dumme Reduktion von Pluralität, eine irrwitzige Behauptung von Überlegenheit auf Grund zufälliger,evolutionär bedingter phänotypischer Unterschiede gattungsspefischer Merkmale.Diese sind aber völlig ungeeignet für eine qualitative Differenzierung von Menschen.

Die amerikanische Verfassung, unser Grundgesetz,die Prinzipien der Aufklärung
definieren die Würde des Individuums,des einzelnen Menschen als unverhandelbar. Sie wird geschützt durch den demokratisch legitimierten Staat, dessen primäres Kennzeichen die Gewaltenteilung in Legislative,Judikative und Exekutive ist.
Es bleibt für mich dabei:
Wenn nur einer das Sagen hat,haben wir ein Problem . . . im Jenseits und hier.Zu
zwingend ergeben sich die uns allen bekannten Dichotomien richtig/falsch, gut/böse,wahr/unwahr.Geraten sie in den (mißbräuchlichen) Zusammenhang mit religiösem Deutungsanspruch ergeben sich Probleme grundsätzlicher Art.

Gerade deshalb konnte die Idee des einen wahren Gottes in den vergangenen zweitausend Jahren für Kriege,Kolonialismus,Imperialismus instrumentalisiert werden.

Gewalt,Aggression und Kriege gibt es ohne Zweifel seit dem es Primaten gibt.

Der Monotheismus jedoch brachte eine neue Form der Gewalt in die Welt: Den Krieg für einen Gott.Die Folgen sind bekannt,beschreiben den Verlauf der Geschichte zweier Millenien.
Dabei ist das Potenzial zur Versöhnung mit Hilfe von und zur Friedensstiftung durch Religion unstrittig,gerät leider aber durch ihre korrupte Legierung mit politischer Macht zu oft in den Hintergrund.Man könnte fast formulieren: ein zwangsläufiger Zusammenhang.
Dabei wird sich kein noch so enthusiastischer Christ mehr in die Luft sprengen.Er glaubt einfach nicht mehr, daß er direkt ins Paradies kommt.Dagegen findet sich im Islam immer noch die verschwindend kleine Minderheit von Gläubigen, die fest überzeugt ist hiervon.
Damit sind grundsätzliche Fragen zur Weltdeutung, die Klärung der Beziehung zwischen Individuum,Staat,Gott leider immer noch auf der Agenda. Dies ist für westliche Gesellschaften und ihr Selbstverständnis ein großes Problem. Denn so lange in der Vorstellung vieler Menschen noch ein Gott die absolute Bezugsgröße für Moral und Lebensgestaltung ist,kann es aus meiner Sicht keinen Frieden geben auf dieser Welt.
So sind die prinzipielle Gleichheit aller Menschen, die grunsätzlich freie sexuelle Lebensorientierung,die von einer Religion gänzlich unabhängige Würde des Menschen immer noch Utopie. Letztere kann aber nur dann unantastbar sein,wenn man den Menschen endgültig erlöst von seiner Bindung an einen allmächtigen Gott.

Mehr als zweitausend Jahre kritischen Denkens sollten endlich geklärt haben,daß alle Religionen in den Köpfen von Menschen entstehen, daß sie damit die großen Mysterien der menschlichen Existenz niemals werden erklären können.Die Ahnung,daß unsere legitime Sehnsucht nach verbindlichen Antworten auf die grundlegenden Fragen unserer Existenz unerfüllt bleiben wird, sie könnte sich für alle Zeiten als zutreffend erweisen.
So werden wir zunehmend gezwungen sein,ganz alleine und in exklusiver persönlicher Verantwortung Sinn und Erfüllung in unser kurzes einmaliges Leben zu bringen.Ich halte diesen Gedanken für ein tiefe Wahrheit, die eine große Chance zu einem glücklichen und erfüllten Leben eröffnet.

Aufgeklärt ist diese Welt für mich erst, wenn die totale Verantwortung für die eigene Existenz endlich von allen Menschen verstanden und angenommen ist.Nur diese Erkenntnis macht wirklich frei,sei sie auch in ihren Konsequenzen noch so schwer auszuhalten.
Aufgeklärte religionsfreie Autonomie muss das Ziel sein.
Rechtsradikale,Pegida,AfD etc. haben die Ideen europäischer Aufklärung und
die friedensstiftende Botschaft des Humanismus überhaupt noch nicht verstanden.
Sie machen mir Angst. Der Islam hat in diesen Zusammenhängen noch einen weiten Weg zu gehen.

Mein Appell: der Mensch ist weder gut noch schlecht.Er hat Potenzial für Ausschwitz
und bedingungslose Liebe.Im überaus komplexen Spannungsfeld von Tradition, Religion, Politik, den Auswüchsen des Kapitalismus mit resultierender sozialer Ungerechtigkeit und Armut sind wir alle aufgefordert, die Lehren europäischer Aufklärung und die Inhalte des Humanismus endlich mit neuem Leben zu erfüllen.Ein mühsamer Weg ohne Aussicht auf schnelle Erfolge aber ohne Alternative - und wir müssen ihn endlich konsequent gehen.Es wird ein langer Weg sein.

Er beginnt für mich mit der Gestaltung von Lehrplänen für unsere Schulen,der Sozialisation in Kitas,in der Familie.Viel zu wenig findet sich hier nach wie vor von den Essentials und Wahrheiten der Frieden,Moral und Sinn stiftenden Philosophie- , Kultur-, Wissenschafts- und Geistesgeschichte.
Wir stehen noch ziemlich am Anfang . . .

Imagine there's no heaven . . . I have a dream . . .


© ulli nass


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Beschreibung des Autors zu "Religion und Gewalt"

Monotheismus meint primär monotheistische Offenbarungsreligion.
Die Gewalt nach innen ist ein Kennzeichen der Ausformulierung
der Inhalte.Wer interpretiert richtig? Sind die Inhalte definiert,
treten die Prozesse in Gang,die mein Text versucht zu beschreiben.

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Kommentare zu "Religion und Gewalt"

Re: Religion und Gewalt

Autor: axel c. englert   Datum: 09.12.2015 12:17 Uhr

Kommentar: Ein guter Text! Der Fragen stellt
Und den Hintergrund erhellt...

LG Axel

Re: Religion und Gewalt

Autor: ulli nass   Datum: 09.12.2015 18:25 Uhr

Kommentar: hi devatomm,
natürlich darfst Du mitreden.Und jeder hat das Recht auf seine ganz
eigenen Gedanken . . .
ich muss meine hin und wieder aufschreiben,um dann zu sehen,
ob ich zustimmen kann !?
lb. Grüsse ulli

Re: Religion und Gewalt

Autor: Uwe   Datum: 12.12.2015 17:31 Uhr

Kommentar: Kein Mensch "weiß" - und "für" diesen seinen Mangel schlägt er andere tot. Es ist zum Kotzen.
Ulli, sehr kluger Aufsatz.

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