sie wollte immer nur zu gerne fliegen. fliegen über den kleinen bach in ihrem dorf, wo jeder jeden kannte aber doch niemanden, der einfach den boden verlässt um mit wehendem haar, mit wogenden armen über sie hinwegzuschweben ... sie wollte es immer, aber sie wusste nicht, dass sie es konnte. wie auch. genetisch bedingt war der mensch nicht dazu geschaffen, ein flug-wesen zu sein. auch die schwerkraft setzte dem immer wieder einen strich durch die rechnung. und wie sollte sie es denn schaffen ... wenn niemand vor ihr.

doch dann wurde sie krank. ein mädchen aus dem dorf, das sie nie sehr mochte. warum fragten sie sie, etwas zu tun? sie war nie besonders mutig gewesen ... doch der dorfälteste sprach sie an. 'ich weiß, welche träume du hast.', sagte er. 'manche träume sind dazu da, höheres zu erreichen. und manche dazu da, in erfüllung zu gehen.'

sie sollte es versuchen. sie musste. sie war angewiesen. wussten es die anderen? war dies vorherbestimmt? ... ihr weg sollte sie zu den klippen des hohen berges führen. niemand traute sich, dort zu klettern. nicht mehr, seitdem mehrere bergsteiger ums leben kamen ... die klippen des todes, so nannten sie sie.

war sie nur nicht genug wert? sollte sie versuchen, weil es um den versuch nicht schade wäre, würde er nicht klappen? ... danach könnte immernoch ein anderer, wichtigerer geopfert werden ...

am abend aß sie nicht viel. ihre mutter machte sich gedanken, fragte, was sie bekümmerte. 'nichts', antwortete sie. was hätte sie sonst sagen können.

in ihrem zimmer zog es sie zum geöffneten fenster ... die vorhänge wehten im leichten wind. sie schob sie zur seite und sah zum berg ... den klippen des todes - würden sie auch ihren tod bedeuten?
plötzlich überkam sie ... ein unwiderstehlicher drang, auf das fenstersims zu klettern. das fenster war zu niedrig, sie musste sich bücken, um herausklettern zu können. sie konnte 15 meter bis zum boden abschätzen. nein ... sie würde nicht sterben, wenn es nicht klappen würde.

sie wollte ... sie musste ...
also breitete sie die arme aus ...
und sprang ...

als sie die augen öffnete, fühlte sie sich schweben in einer woge aus wind. die schwere ihrer füße spürte sie nicht mehr. sie fühlte eine art freiheit in ihrem herzen, ... war das, was die vögel spüren, wenn sie sich in den wolken tragen lassen? oder war es ihnen so vertraut wie jeder fuß den jeder mensch auf dieser erde setzt, vorantastend in die zukunft voranschreitend? ... jede sekunde könnte ihr tod kommen, fiele sie zurück. doch sie war erfüllt von mut und zuversicht ... sie schwebte, sie schwebte ... höher und höher ... sie flog an den klippen entlang, gen spitze. es war nun ganz dunkel und sie flog im licht des mondes ... immer höher und höher ... bis sie die pflanzen fand, die der dorfälteste ihr genauestens beschrieben hatte. lange stiele, große, sehnige blätter und eine orangene blume, 10 blütenblätter an der zahl. sie pflückte mehrere, als sie spürte, dass ein neuer tag anbrach ...

sie hasste dieses dorf schon immer. es wurde ihr bewusst, als sie den morgen grauen sah. gräulich schien es vor ihr, im dorf, zu liegen. ihre höhenangst schwand vor dem grauen ihres hasses ... sie wollte nicht herunter. sie wollte dort bleiben, wo die vögel ihre nester bauten. hier fühlte sie sich geborgen ... doch es half nichts.

was erwartete sie auf dem boden?
was erwartete sie nach beendigung ihrer mission?


© Da-Hi T. Koch


2 Lesern gefällt dieser Text.



Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "höhen-flug."

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "höhen-flug."

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.