Bruno hat jetzt in einem kleinen Kreis zugegeben, dass er, Bruno, vor wenigen Tagen einen Beauftragten der Gebühreneinzugszentrale für die Rundfunk- und Fernsehgebühren (GEZ) möglicherweise etwas verärgert habe und seitdem befürchte, dass dieser aus einfacher Rachsucht oder aus Gründen, die einem berufsbedingten Vergeltungsbestreben entstammen könnten, ihm, Bruno, nächtens, wenn er sich einer Tiefschlafphase nähere, durch eine telefonische Abfrage bezüglich einer just gesendeten Fernsehunterhaltung die Fortsetzung eines gesunden Schlafes verunmöglichen könne.

Bruno sei von einem der Umsitzenden aufgefordert worden, genau zu erzählen, mit welcher Maßnahme er den Beauftragten der Gebühreneinzugszentrale denn verärgert habe könnte, nicht dass man sich daran ein Beispiel nehmen wolle, keineswegs, sondern mehr aus Gründen der Vermeidung einer ähnlichen Verärgerung aus Unachtsamkeit.

Bruno habe nun auf diese Aufforderung hin mitgeteilt, dass eines Tages jener Beauftragte der GEZ an seiner Haustür geklingelt und einen Ausweis dieser Einzugszentrale mit großer Geste gezückt habe. Bruno habe nach Sichtung dieses Papieres gleich mitgeteilt, dass er selbstverständlich jeden Monat die Gebühren für Rundfunk und Fernsehen widerstandlos von seinem Konto abbuchen lasse. Dieses, so ließ der GEZ-Mann ein wenig naserümpfend wissen, sei ihm bekannt und könne den ihm vorliegenden Unterlagen zweifelsfrei entnommen werden. Vielmehr ginge es jetzt darum, noch einige offene Fragen mit wahrheitsgemäßen Antworten zu schließen.

"Zum Beispiel?" habe Bruno gefragt und sich bemüht, seinem Tonfall eine ähnliche Nasenrümpfung beizumischen, die er selbst gerade habe entgegen nehmen müssen und die ihn, Bruno, einer unteren Stufe seelischer Verletzung durchaus hätte näher bringen können, wäre er nicht von seinem Naturell her mit einer gewissen Unempfindlichkeit ausgestattet gewesen, die ein längeres Leben zusammen mit einer Reihe verschiedener Mitmenschen unweigerlich bewirkt habe.

"Zum Beispiel", sei die Antwort des Beauftragten gewesen und Bruno habe dabei bemerkt, dass dieser bei der Wiederholung der beiden Worte Stimm- und Tonlage von Bruno nachgeahmt habe. Er, Bruno, sei sich plötzlich ganz sicher gewesen, dass nunmehr ein feinsinniger Kampf der Worte beginne, den er, zumal er sich im Rahmen seiner eigenen Haustür befand und somit den Schutz des eigenen Reviers genoss, zu gewinnen verpflichtet gewesen sei.

"Zum Beispiel", habe dieser Gebühren-Kerl wiederholt und sei etwa wie folgt fortgefahren: Zum Beispiel könnten gewisse Veränderungen eingetreten sein, die auch eine Veränderung seines Gebührenstatus zur Folge hätten. Zum Beispiel könne es sein, dass Bruno mittlerweile einen erwachsenen und berufstätigen Sohn oder eine erwachsene und berufstätige Tochter in seinem Hause mit eigenen Empfangsgeräten beherberge, oder dass er, Bruno, zum Beispiel möglicherweise aus beruflichen Gründen ein Fahrzeug mit Rundfunkgerät betreibe, oder dass er, Bruno, zum Beispiel möglicherweise in der Zwischenzeit eine Zweitwohnung erworben habe und diese mit einem eigenen Rundfunk- und/oder Fernsehgerät ausgestattet und vergessen habe, dieselben rechtzeitig anzumelden. So gäbe es viele weitere Gründe, die eine Veränderung des vierteljährlichen Gebühreneinzugs bewirken würden, zum Beispiel. Und die beiden Begriffe "Zum Beispiel" seien jedes Mal auf eine abfällige Art besonders betont worden und dabei habe der Beauftragte mit dem rechten Auge gezwinkert.

Nichts dergleichen, habe Bruno geantwortet und die Frage angehängt, ob sich eine Änderung des Gebührenstatus zum Beispiel auch dadurch ergäbe, dass er einen als Wachperson berufstätigen und frühreifen Hund besitze, der in der Hundehütte im Garten ein eigenes Fernsehgerät betreibe, der allerdings, das wolle Bruno betonen, ausschließlich Sendungen über Katzen verfolge, in ganz seltenen Fällen auch Werbesendungen über Tiernahrung.

Bruno, der nun gefragt wurde, warum er wegen dieses Wortwechsels Vergeltungsmaßnahmen des GEZ-Beauftragten befürchte, die ihm möglicherweise den Schlaf kosten könnten, antwortete, diese Sorgen seien der Beobachtung geschuldet, dass der Beauftragte der Gebühreneinzugszentrale nach seiner Einlassung auf der Stelle kehrt gemacht habe, nicht ohne vorher ihm, Bruno, einen hasserfüllten Blick ins Gesicht zu brennen.


© Rolf Kirsch


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