Und schon vermisse ich die Kondensstreifen der Flugzeuge am blauen Himmel. In den Straßen meines Dorfes kaum noch Menschen. Der Schulhof ist verwaist und das Geschrei und Gejauchze der Kinder an der Kita ist verstummt. Selbst die Spielplätze wurden abgeschlossen. Hier und da erscheint jemand vor seinem Haus, es ergibt sich ein kurzes Gespräch. Wie gut tun ein paar Worte ein kurzer Plausch - wir hatten es fast vergessen, auch wenn derzeit Sorge in jeder Silbe ist.

Das Virus beherrscht und formt unser Denken, zuerst kaum spürbar, dann immer intensiver. Ein merkwürdiges Gefühl.
Was tun die Menschen in den Häusern ihres wie tot wirkenden Dorfes ? Entstehen in Stadt und Land gerade nie gedachte Gedanken in ihren Köpfen? Man sieht sich nicht mehr in Gaststätten, Restaurants , auf den Plätzen, in den Straßen. Erzeugt die erzwungene Klausur Veränderungen in uns, die wir erst nach und nach spüren werden?

Kann uns das Hoffnung machen oder muss es uns ängstigen? Kommen wir uns in der Krise näher, obwohl wir uns kaum noch sehen, nicht mehr einander umarmen dürfen? Und die Stille, die sich ausbreitet und über uns ergießt, ist sie nicht jetzt schon eine Bedrohung für Gefühle und Seele ?

Die Kirchenglocken läuten, aber die Gottesdienste finden nicht statt. Die Priester und Pfarrer haben kaum noch Kontakt zu ihren Gemeinden. Die Kranken in Kliniken und Krankenhäusern warten vergeblich auf Besuch, genau wie die Alten in den Heimen. Was macht das mit uns allen ?

Werden die Wirtschaftsführer, die Banker, Politiker endlich neu und gründlich über die Welt nachdenken, die sie ohne es je zu wollen an den Abgrund geführt haben, immer den ewig als unvermeidbar deklarierten Zwängen folgend, die unser System angeblich für das Funktionieren und das Wohlergehen aller vorgibt. Fallen da in diesen Zeiten nach und nach erstmals Schuppen von allen Augen, wird endlich die Sicht frei auf eine Welt, die nur überleben kann, wenn das 'weiter so' umgehend endet ?

Betet der Papst im Vatikan gerade in diesem Augenblick zu Gott und wird ihm geantwortet? Wurde ihm in den letzten zwei Jahrtausenden jemals geantwortet?

Kann Krise denn wirklich Chance sein?

Das Virus verändert die Welt. Wir werden es erleben. Wir dürfen hoffen und gleichzeitig auch große Sorge haben.
In welcher Welt werden wir leben, wenn sie wieder anfängt tief zu atmen ?


© ulli nass


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Beschreibung des Autors zu "Die Welt hält den Atem an (21.3.20)"

Die Krise hat nichts verändert in den Köpfen.Ich hatte eine naive Hoffnung.

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Kommentare zu "Die Welt hält den Atem an (21.3.20)"

Re: Die Welt hält den Atem an (21.3.20)

Autor: Verdichter   Datum: 24.03.2020 15:59 Uhr

Kommentar: Lieber Ulli, ich gehe mit all deinen Gedanken völlig d'accord, nur ist mir zu deiner abschließenden Frage die Antwort sogleich in den Kopf gekommen: in derselben wie zuvor...
Es ist großartig, was gerade überall zu sehen ist, was in den Menschen steckt, aber ich befürchte, dass, wenn man wieder Geld verdienen kann, alles andere dahinter zurückbleibt. So war es immer. Das Virus legt nur die Software lahm, die Hardware ist immer die gleiche...

Trotzdem einen aufmunternden Gruß,
Verdichter

Re: Die Welt hält den Atem an (21.3.20)

Autor: Alf Glocker   Datum: 25.03.2020 8:30 Uhr

Kommentar: ich fürchte wir werden in einer eher unfreien Welt leben...aber wer weiß - vielleicht ist auch das nötig?

lGAlf

Re: Die Welt hält den Atem an (21.3.20)

Autor: ulli nass   Datum: 25.03.2020 8:45 Uhr

Kommentar: Liebe Verdichter,
Lieber Alf,

ihr kenn mich ja bisserl, gelle? Mein Beitrag ist ein 'Leserbrief' bei mir hier in der Zeitung.Inhaltlich dann auch ein Kompromiss.
Ich stimme euch beiden zu . Jeglicher Optimus scheint mir recht unbegründet.
Der Zustand unserer Erde ist aus meiner Sicht dem meist unbegründeten Optimismus unserer Spezies zuzuschreiben, dem dummen Machbarkeitswahn . . .
Wie schön ware es, mit euch gemeinsam was zu trinken.
Corona ist scho auch ein Prüfstein. Bleibt gsund !
ulli

Re: Die Welt hält den Atem an (21.3.20)

Autor: Alf Glocker   Datum: 25.03.2020 8:58 Uhr

Kommentar: bleib auch gesund - das mit dem trinken machen wir virtuell...ich fang schon mal an...lach (witz!)

alf

Re: Die Welt hält den Atem an (21.3.20)

Autor: ulli nass   Datum: 25.03.2020 9:07 Uhr

Kommentar: jo, alles klar alter Weggefährte.
ulli

Re: Die Welt hält den Atem an (21.3.20)

Autor: possum   Datum: 26.03.2020 2:23 Uhr

Kommentar: Lieber Ulli,

lassen wir uns überraschen es steckt ja viel Liebes auch in Menschen, aber dann ... leider die Tendenz bleibt, eher grob zu werden wenns noch enger wird ... ob finanziell lLebensmittel usw
ich meinerseits hoffe wir dürfen es erleben was noch kommt, denn dies steht auch in den Sternen, wer von uns Menschen durch den Virus gehen muß ...

ein tolles Werk, sei lieb gegrüßt und bleib wohlauf!

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