Aus aktuellem Anlass

Dieser Artikel ist so sachlich, wie es eben geht. Das Thema ist ohnehin schon emotional aufgeheizt. Aber eine gewisse persönliche Ansicht kann ich nicht außer Acht lassen. Es ist meine ganz eigene Ansicht, dass möchte ich ausdrücklich betonen!!!
(Englische Passagen wurden der Verständlichkeit halber ins Deutsche übersetzt.)

Seit ca. zwei Jahren kenne ich nun diesen lieben und klugen schwarzen Amerikaner. Viele Gedanken und viele Diskussionen gab es bisher.
Zwei Menschen treffen sich im Internet und kommen aus zwei völlig unterschiedlichen Welten.
Ich wurde 1959 in Deutschland geboren, liberal oder vielleicht auch konservativ erzogen. Ende der 50er/Anfang der 60er war Deutschland sicherlich auch nicht gerade das Gelbe vom Ei.
Er wurde 1961 in Amerika geboren. In einem Land, das zu dieser Zeit noch heftig mit Rassismus kämpfte. Wie er sich fühlte als Schwarzer in diesem Land kann ich mit aller Vorstellungskraft nicht wirklich nachempfinden. Selbst mit Roots im Hintergrund gelingt es mir nicht, dieses unbeschreibliche Leid und diesen Überlebenskampf zu fühlen.
Aber das nur zur Einleitung.

Für mich als Deutsche stellte sich Amerika immer als Land der unbegrenzten Möglichkeiten dar.
Ein Land, in dem Träume wahr werden können.
In den letzten Jahren wurde es mehr und mehr zu einem Land, das anderen erklären wollte, wie Zusammenleben funktioniert.
Ein Land, das immer wieder auf so unterschiedlich dramatische Art und Weise zeigte, dass es eine Weltmacht ist.
Ein Land, das anderen zeigen wollte wie Menschenrechte beachtet werden sollen.
Ich weiß nicht, wie oft ich dachte:
"Dieses große Amerika möchte anderen zeigen, wie sie Menschenrechte respektieren müssen und dann ist es nicht einmal in der Lage, in seinem eigenen Gebiet genau die gleichen Menschenrechte zu respektieren."
Für mich stand und steht Gerechtigkeit seit ich denken kann an allererster Stelle. Doch wo war da nun die Gerechtigkeit?
Seit ich diesen Amerikaner kenne, gibt es immer wieder Fragen von Bekannten, wie sie sagen sollen, wenn sie über ihn sprechen. Neger war in Deutschland – zumindest in meinem Teil von Deutschland – nie ein Problem. Vielleicht hat mancher es als Schimpfwort benutzt. Aber ich bin so nicht aufgewachsen. Für mich war Neger etwas ganz normales. Doch das änderte sich in der Gesellschaft mehr und mehr und ich musste feststellen, dass es einen ganz anderen Hintergrund bekam. In den Schulen wurde das Wort Neger aus dem Vokabular gestrichen. Negerküsse gibt es so auch nicht mehr. Eine Diskussion kam auf, darüber, wie man nun sagen solle, wenn man über Menschen dieser Hautfarbe sprechen wollte.
Also fragte ich meinen Freund, wie ich über ihn sprechen könne, ohne seine Gefühle zu verletzen. Außerdem machte ich mir Gedanken darüber, wie ich wohl als Deutsche in Amerika behandelt werden würde, wenn mir Neger so herausrutscht, weil ich es nicht anderes gewohnt bin und es diese gemeine Bedeutung für mich nicht hat.
Keiner von uns beiden dachte, dass genau solche alltäglichen Dinge eine so entscheidende Bedeutung haben würden.

Seit einigen Wochen ist nun der Konflikt zwischen Schwarz und Weiß wieder hoch gekocht. Ich merke sehr deutlich, dass es mir schwerfällt, eine sachliche Meinung zu äußern. Immer öfter frage ich mich, was geschehen wird, wenn ich mit meinem zukünftigen Mann nach Amerika gehe und ich mit folgenden Ereignissen konfrontiert werde (nur banale Beispiele):

• Wir müssen in einem öffentlichen Gebäude mit dem Paternoster in ein anderes Stockwerk fahren und ich stehe mit ihm und einer weißen Frau in diesem Fahrstuhl. Die Frau schaut ihn mit einem lauernden Blick an. Sie hält ihre Handtasche fester und ihre Augen fragen mich nach Hilfe.
Und ich sage: "Weiße stehlen vermutlich keine Handtaschen!" und schaue Sie mit einem bösen Blick an.
• Wir gehen in einem großen Einkaufscenter shoppen und bereits am Eingang wird er beobachtet, weil er einen Jogginganzug trägt. Ein Kaufhausdetektiv folgt uns und nach einer Weile fragt er mich: "Entschuldigen Sie, werden Sie von diesem Mann belästigt?"
Und ich gebe ihm zur Antwort: "Na hoffentlich, er ist mein Mann!"
• Wir gehen abends noch ein bisschen spazieren und plötzlich wird er von zwei Polizisten gestoppt und wie ein Schwerverbrecher behandelt.
Und ich sage höflich, aber bestimmt: "Lassen Sie gefällst die Hände von meinem Mann. Er hat überhaupt nicht getan."

Das sind nur drei kleine Beispiele. Aber mit dem Hintergrund der momentanen Diskussion in Amerika über weiße Selbstverteidigung und einen schwarzen Jugendlichen in einem Jogginganzug bekommen sie eine ganz andere Bedeutung.

Was geschieht mit ihm in solchen Situationen? Gefährde ich sein Leben, wenn ich so reagiere?
Wie kann ich nach über 50 Jahren Leben in Deutschland da dann meinen Mund halten?
Es war doch schwer genug zu lernen, ihn endlich mal aufzumachen.
Es war doch schwer genug endlich dahin zu kommen, dass ich meine Meinung ohne Angst ausspreche.
Und jetzt muss ich lernen, alles wieder zurückfahren und erst ausgiebig darüber nachdenken, was ich wie und wann sage? Weil ich sonst sein Leben gefährden könnte...
Ich muss lernen, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, weil ich sein und mein Leben damit riskieren würde?
Wirklich???
Diese oder ähnliche Fragen stellen sich immer mehr.
Aber eine Frage schreit mich förmlich an: "Wo ist die Gerechtigkeit?"
Natürlich könnte mancher sagen, dass ich mich das in Deutschland auch des Öfteren fragen könnte. Sicherlich hat er damit auch recht.
Allerdings stellt sich Deutschland nicht so überheblich vor andere Staaten hin und erklärt ihnen nachhaltig wie Menschenrechte eingehalten werden sollen, um sie dann im eigenen Land mit Füßen zu treten.
Vermutlich kämpft Deutschland viel öfter mit den Problemen aus der Vergangenheit und ist immer wieder beschämt, wenn Rassenhass aufkommt.

Anmerkung am Rand:
Ich möchte damit nicht in Abrede stellen, dass es sehr viele Amerikaner gibt, die es gar nicht mögen, wenn sie so in einen Topf mit anderen geworfen werden. Ich bitte, um Verzeihung, dass ich das jetzt ein bisschen pauschalisiere.
Ich möchte ebenfalls nicht in Abrede stellen, dass es diesen rassistischen Hintergrund in Deutschland gibt und dass sich viele Deutsche dafür schämen.
Amerika, Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Einige Fragen möchte ich Dir jetzt gerne stellen:
"Liebes Amerika, wo sind die Möglichkeiten für eine weiße Frau und einen schwarzen Mann?
Wie kann ich als Deutsche mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn eine Zukunft dort planen?
Wie willst Du mir verständlich machen, dass sich alles zum Besseren verändert hat?"

Und mit Tränen in den Augen sehe ich die neusten Nachrichten über den Konflikt zwischen "Schwarz" und "Weiß"...

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© Cornelia G. Becker


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Beschreibung des Autors zu "Amerika zwischen Schwarz und Weiß"

Anlass für diese Gedanken waren die aktuellen Nachrichten über den Tod eines 17jährigen Jungen, der einen Jogginganzug trug und schwarz war. Er lief in einer Straße und ein Weißer fühlte sich bedroht... rief die Polizei, konnte aber nicht warten und lief hinter dieser "Bedrohung" her. Der Junge hat nur Bonbons gekaufen und wollte zurück seinem Vater. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort... und der Weiße erschoss ihn. Angeblich war es Selbstverteidigung. Dadurch entbrannte eine Diskussion über Selbstverteidigung und Waffengesetz in Florida. (Mehr dazu hier: http://www.rp-online.de/panorama/ausland/17-jaehriger-schwarzer-erschossen-1.2764125)

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