Mein lieber Jörg,
erst mal recht herzlichen Dank für die Einladung und das Gespräch, es war sehr aufschlussreich. Aber leider hat es auch weitere Zweifel in mir hervorgerufen. Wie du sicher bemerkt hast, bin ich ein skeptischer Mensch, der alles auf die Goldwaage legt, und doch den Wert dann anzweifelt, ich bin ein Mensch. Vieles, von dem was wir beide besprochen haben mag stimmen, aber es sind immer die Deutungen aus längst vergangenen Zeiten. Das heute ist mir wichtig und nur das zählt bei mir.
Lieber Jörg, einiges von dem was ich hier aufschreibe, mag in deinen Ohren wie Blasphemie klingen, aber glaube mir, das liegt mir fern. Ich habe mich lediglich mal an dieses Thema mit meinen Zweifeln und skeptischen Gedanken herangewagt. Es ist nicht leicht, aber ich glaube, es wird sich lohnen. Ob zum guten oder schlechten, wer weiß.
Dieses ist nun schon der dritte Entwurf eines Briefes, um dir meine Einstellung dem Glauben gegenüber zu erläutern.
Ob ich ein gläubiger Mensch bin, weiß ich nicht. Das müssen andere entscheiden. Ich jedenfalls leugne nicht, das es etwas gibt, das über uns steht. Es gibt Mächte zwischen Himmel und Erde, die man nicht erklähren kann. Bücher die dieses Phänomen zu erklären versuchen gibt es zu hauf, die Bibel gehört auch dazu. Leider habe ich noch keine passende Antwort gefunden. Aber ich muss zu meinem Leidwesen gestehen, das ich die Bibel noch nicht gelesen habe. Immer nur Erklärungen und die entsprachen nicht meiner persönlichen Auffassung vom Christentum.
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Auch deine Bemühungen mich auf dem rechten Weg zu bringen, sind bei näherer Betrachtungen leider gescheitert. Nicht das du mit deinen Psalmen Unrecht hast, aber ich habe mir ein Weltbild zusammen gebaut, das fest in meiner Seele verankert ist. Ich gebe zu, ich war am Schwanken aber mein Verstand hatte zu viele gegen Argumente, die ich hier im einzelnen nicht aufzählen will.
Aber das heißt nicht, das ich deswegen ein schlechter Christ bin. Im Gegenteil. Ich stelle lediglich einige oder mehrere Psalmen infrage. Ich will dir auch erklären warum. Die Psalmen wurden nach Christi geschrieben, als Brief oder Aussage weiter gegeben. Der Inhalt ist nicht oder nur zum Teil mit dem eigentlichen Wortlaut identisch. Er ist der damaligen Zeit angepasst worden. Eine Bibel ist mehrfach umgeschrieben worden, jedes Kloster der damaligen Zeit hat die Bibel mit eigenen Kommentare belegt. Als Martin Luther die Bibel umgeschrieben hatte, war es schon nicht mehr die Urfassung. Aber ich gebe zu, in vielen Dingen hat die Bibel heute noch recht. Doch leider kann ich mich wenig oder gar nicht mit ihr Identifizieren.
Man hat mich mal gefragt, ob ich Beten kann? Doch was ist genau Beten? Ist es mit verzückt erscheinender Miene und Himmel Werts gerichteten Blick, den Herrn anflehend und um eine Gefälligkeit bitten. Oder ist ein stummes Zwiegespräch, egal wo, ein Gebet. Ich persönlich bevorzuge das Zwiegespräch. Ich bin dann in meinen Gedanken da wo ich sein will und kann dem Herrn sozusagen auf Augenhöhe begegnen. Auch das Bitten um eine Gefälligkeit oder Gnade erspare ich mir, sondern teile dem Herrn direkt meine Sorgen und Probleme mit. Das ist
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für mich der Kontakt zum Herrn.
Ich renne nicht jeden Sonntag in die Kirche, damit mich andere sehen und sagen" das ist aber ein gläubiger Mensch„ und in der Woche belüge und betrüge ich meine Mitmenschen. Nur damit ich am Sonntag wieder Abbitte leisten kann.
Nun ich muss zugeben es sind nicht alle Menschen so. Es gibt auch Leute die von ganzem Herzen Glauben. Aber die sind in der Minderheit und auch die haben irgendwo ein kleines bisschen Dreck am Stecken.
Lieber Jörg, dass was ich hier aufschreibe war nicht immer meine Gedanken, aber wenn man mal an der Schwelle des Todes stand, ändert man sich. Man sieht die Welt mit anderen Augen. Meine neue Sichtweise geht heute über dem Horizont von damals hinaus. Ich sehe meine Mitmenschen jetzt mit den Augen und dem Herzen. Und mein Herz will helfen. Es sieht auf einmal die Not der Menschen und ist empfänglich für Mitleid. Geben wenn möglich und nicht nur nehmen. Es ist schwer, den Mensch richtig einzuschätzen, denn der Mensch neigt zum Betrug. Sein Charakter ist verdorben, das weiß ich aus eigener Erfahrung, denn ich war auch mal so. Aber es gibt auch die wirklichen Hilfsbedürftigen und die werden in unser heutigen Zeit immer häufiger. Liegt es da nicht nahe, das man im Sinne Christi hilft? Das habe ich mir zur Religion gemacht. Es ist nicht mein Kopf oder meine Gedanken, die mich lenken, sondern mein Herz. Denn nur wer hilft zu helfen, mit Rat und Tat, ist für mich der Ware Christ. Beten und fromme Sprüche klopfen, Mitleid vorspielen, ist nicht mein Fall, das können andere machen.
Kommen wir nun zu einem anderen Thema, der wie mir schien,
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dir sehr wichtig war.
DER TOD
was bitte schön ist der Tod'? Wir werden geboren um zu Sterben. Das ist Tatsache. Auch das Leben sehr kurz sein kann ist nicht zu leugnen. Jede Kultur und jede Glaubensrichtung hat seine eigene iüber den Tod. Jedoch alle sind sich einig, nach dem Tod kommen wir in den Himmel, oder werden, wie die Hindus meinen, wiedergeboren. Tatsache ist, keiner weiß das so genau. Es ist noch kein Mensch, außer Jesus Christi, auferstanden. Wie du weist, war ich schon mal kurz davor. Doch ich habe weder ein helles Licht noch einen Tunnel gesehen. Auch das Schweben über meinem eigenen Körper habe ich nicht empfunden. Was ich weiß ist, der Tod tut in dem Moment nicht weh. Im Gegenteil, man ist gelöst und irgendwie glücklich. Ich würde sagen, es ist wie die erste Liebe. Man könnte die ganze Welt umarmen, man sieht und hört alles aber man begreift überhaupt nichts. Was gewesen ist, ist in dem Moment vergessen. Der Schmerz und die Trauer deiner Mitmenschen, Eltern und Geschwister, der Ehefrau sind in diesem Moment nicht vorhanden. Man ist nur sich selber bewusst. Wenn es eine rosa Wolke gäbe, man würde auf dieser Wolke schweben.
Nun hat der Tod auch seine schrecklichen Seiten. Die Bibel spricht von Himmel und Hölle. Ich meine, die Hölle erleben viele Menschen schon auf Erden. Mag es durch Krankheit, mit seinen unendlichen Qualen, oder Psychisch sein, der Qualen und Pein sind keine Grenzen gesetzt worden. Sie verschlingen uns und wir sind machtlos, trotz aller Medizin.
Durch lebt dieser Mensch die Hölle? Ihm jedenfalls erscheint es
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so. Er fleht und seine Seele schreit zum Himmel, auch wenn er vorher nicht gläubig war, und bittet um Vergebung und Gnade. Diese Gnade wird im Moment des Todes gewehrt. Er erlebt das, was ich schon zu Anfang erwähnt habe, nur ist er sich selber dessen nicht mehr bewusst, aber die Umwelt, die am Sterbebett sitzt oder steht, sehen es ganz deutlich.
Ich, lieber Jörg, habe die Schrecken des Todes verloren. Man hat, vielleicht Gott, mir eine zweite Chance gegeben, und die werde ich auf meiner weise nutzen. Nicht mit der Bibel in der Hand und Psalmen aufsagend, sondern mit Liebe dem Menschen gegenüber, die meine Hilfe brauchen. Ich werde wenn es nötig ist Helfen und zupacken dort wo man mich braucht. Ich glaube das ist die Bestimmung, die mir Gott im zweiten Leben zugedacht hat.
Ich wünsche dir und deiner Familie frohe Weihnachten und ein gesegnetes neues Jahr
Udo EGGER
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© waschgold


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