Ich weiß nicht genau wie ich jetzt beginnen soll. Das Thema ist mir sehr peinlich, aber irgendwie muss die Wahrheit ja wohl mal raus.

Am besten, ich beginne mit dem Elternhaus…

In meiner Familie über Sex zu sprechen, war völlig unmöglich! Der ganze Clan war praktisch frigide und moralisch unfehlbar, daß ich – im übertragenen Sinne – die Fußsohlen seiner Mitglieder gerade noch mit dem Fernglas erspäht hätte. So hoch standen sie über mir, denn ich versuchte, von Anfang an, meinen niederen Gelüsten zu folgen.

Schon als Kind plagten mich tage- und nächtelang perverse Fantasien von spaßigen Spielen. Sie drehten sich um Ringelpietz ohne Klamotten, von hochinteressanten Leibesvisitationen und von versteckten Körperteilen, die ich allerdings nie zu sehen bekam.

Derlei dämliche Absichten wurden mir ausdrücklich, strengstens verboten! Dafür gab es ausreichend ungenannte Gründe. Und große Vorbilder existierten um mich herum genügend. Meine Eltern umarmten sich niemals vor mir. Wie sie nackt aussahen, konnte ich mir nicht einmal vorstellen. Nicht, daß es mir an Vorstellungskraft gemangelt hätte, nein, ich wagte es einfach nicht, eine solche Sünde zu begehen.

Dreimal im Jahr, zum Geburtstag und zu Weihnachten, gaben sie sich ein flüchtiges Küsschen, bei dem ich immer das Gefühl hatte, sie täten das, weil es sich eben so gehört, obwohl sie sich davor ekelten. Die „dienstälteste“ Schwester meines Vaters betrachtete sich als Sippenvorstand, der Ratschläge erteilte, wo er/sie nur konnte. Sie wusste praktisch alles und weil sie so unendlich hoch über allen niederen Dingen stand, lebte sie auch mit einem Geistlichen Rat der Katholischen Kirche, selbstverständlich rein platonisch, zusammen, mit dem sie fast durchgehend lateinisch sprach. Was konnten sie also anderes tun als beten, wenn sie alleine waren?! Sie beteten, glaube ich, für mich.

Man hielt mich, wie ein exotisches Tier, zuhause gefangen, ohne Geld und ohne die Erlaubnis, mich unter Menschen begeben zu dürfen, denn Menschen seien durchweg mit Vorsicht zu genießen, zumindest, wenn sie nicht aus der Verwandtschaft kämen, hieß es.

Ich versuchte mich, nach bestem Wissen und unreinstem Gewissen zu arrangieren, pflegte kindliche Solidarität und versuchte allem gerecht zu werden. Scheinhalber fügte ich mich den hohen Anforderungen, ohne ihnen jedoch jemals wirklich gerecht werden zu können. Außer urbi et orbi tat ich Schreckliches: ich pflegte geheime Freundschaften!

Trotz allen Auflagen und Disziplinarmaßnahmen gelang es mir, den Kontakt mit ein paar wenigen Jungs aufrecht zu erhalten, denen ich jedoch nur am Rande erzählen durfte, wie es bei mir zuhause zuging. Denn geglaubt hätte mir das wohl keiner.

Im Stillen verehrte ich diese ausgesprochen smarten, jungen Herren, die, fein angezogen (ich bekam ja nur Second-hand) ausgingen, sich unangeprangert die Haare föhnen durften und allen möglichen – für mich unmöglichen – Freuden frönten. Was ich für „sexuelle“ (damals errötete ich schon beim Aussprechen dieses Wortes) Wünsche hatte, behielt ich jedoch für mich. Ich war mir sicher, daß sie sie auch nicht verstehen würden.

So verging die Zeit ergebnislos in Sachen „Unmoralische Gedanken“. Nichts davon ließ sich umsetzen, und mit der Zeit war ich richtiggehend froh, rundum keusch geblieben zu sein. Ersatzweise begann ich nun sogar die ehrenüberhäuften Respektspersonen aus Familie und Verwandtschaft zu verachten, denn immerhin lebten sie noch, in zumindest eheähnlichen Gemeinschaften, um ihr Pflichtbewusstsein zu befriedigen. Das stufte ich bald schon als überkandidelt triebhaft ein, denn wer macht schon widerwillig Kinder, wenn er grundsätzlich höheren Werten verpflichtet ist?! Dabei kann es sich doch nur um moralisch wankelmütige Deppen handeln…

Wie dem auch sei – alle wurden älter, einige starben und bald standen mir nur noch die Reste einer aufrechten Sippe gegenüber, die jedoch nicht mehr in der Lage waren, meine abartigen Lust-Energien zu bremsen. Ich ging unter Menschen, wobei ich mir so viele Abfuhren einhandelte, daß mir bald schlecht wurde und ich, aus Sicherheitsgründen, beschloss mich wieder reumütig, dorthin zurückzuziehen, woher ich gekommen war.

Anscheinend konnte kein lebendes Wesen verstehen, daß ich auch
Lust auf Leiber hatte. Sobald ich jemandem davon erzählte, wie es um mich stand, wurde ich, nein, nicht ausgelacht, ich wurde verabscheut! Und so langsam begriff ich damals, warum mich meine Eltern quasi gefangen hielten, mir alles verboten, was mir Spaß gemacht hätte. Ich sah es ein: ich musste einfach pervers veranlagt sein!

Zum großen Glück brach bald darauf eine ganz neue Zeit an. Langsam begann ich mich, mit meiner Veranlagung abzufinden. In den nun entstehenden Freundeskreisen sprach ich ganz locker über meine Träume und schließlich gelang es mir auch, jemanden zu finden, der bereit war, diese mit mir auszuleben…

Daß es später dann auch plötzlich noch andere gab, die mich verstanden und mir nahe sein wollten, genoss ich in vollen Zügen. Und nun, befreit und gereift mit den Jahrzehnten, möchte ich auch die breite Öffentlichkeit darüber informieren, wie ich in Wahrheit bin – auch wenn das heutzutage schon wieder ein bisschen ungewöhnlich ist.

Ja, ich gebe es zu: ICH STEHE TOTAL AUF FRAUEN!!! Was ich selbst besitze, interessiert mich bei anderen wenig, bis gar nicht. Ich verstehe mich als einen Entdecker, der darauf aus ist, Körperteile zu erkunden, die ich nicht habe. Mir ist bewusst, daß dies womöglich, zur Zeit, gar nicht so gerne gesehen wird, aber – es tut mir leid – ich kann nicht anders.

Und noch etwas…nackt sind sie mir am allerliebsten, ich könnte sie unentwegt knuddeln und küssen und…ja, das Eine eben auch. Wenn sie so nett sind wie hübsch, dann kann es sogar vorkommen, daß ich nahezu meinen Kopf verliere. Nie, niemals kann ich es erwarten, eine von ihnen zu gewinnen, egal wie blasiert, zickig oder dämlich, wie emanzipiert, eingebildet oder überheblich sie sind. Ich sehe über alles hinweg, denn sie gehen mir schlichtweg über meinen Verstand – sowahrmirGotthelfe. Nun ist es raus! Ich bitte um euer Verständnis.


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein ganz persönliches Coming-out"

Re: Mein ganz persönliches Coming-out

Autor: noé   Datum: 19.01.2014 15:35 Uhr

Kommentar: Na, dazu hat aber jede Menge Mut gehört! Von jetzt an keine Geheimnisse mehr, kein Verstecken, keine Grauzone, nein: Alfie ist ein NORMAAALO!!
Ich weiß ja nicht, wer JETZT noch mit Dir gesehen werden will...
noé ;o))

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