Ein Tag am See

Es war ein Tag wie jeder andere, die Sonne schlich sich durch den Morgennebel, Graureiher standen still auf der Jagd nach Fischen einbeinig in dem kleinen idyllischen See. Der Nebel lichtete sich schon langsam, die Sonne bekam mehr Kraft. Martin sah aus dem Küchenfenster, während die Kaffeemaschine geräuschvoll die Bohnen für den frischen Kaffee mahlte, den sie ihm gerade zubereitete. Martin rieb sich etwas die Augen, irgendetwas irritierte ihn. Jeden Tag um diese Zeit stand er hier und sah auf den See. Und jeden Tag genoss er diesen Ausblick und dachte an diesen Glücksfall, dieses Grundstück kaufen zu können. Zusammen mit diesem einzigartigen See, der jeden Tag des Jahres ein klein wenig anders aussah und doch immer irgendwie gleich.
An diesem Tag war es definitiv anders, doch er konnte nicht sagen, was ihn störte. Der Kaffee war fertig, er nahm den Becher aus der Maschine und trug ihn dampfend und heiß mit auf die Terasse. Auch hier hatte er das Gefühl, das irgendwas nicht stimmte, doch er beschloss, das jetzt erst mal auf sich beruhen zu lassen und stattdessen den Kaffee zu genießen und in aller Ruhe seine neuesten Nachrichten zu lesen. Die erste Mail lautete: "Krüger, bitte so bald wie möglich melden!" Sie kam von Klaus Hanse, seinem Kollegen bei der Mordkommision in Aurich. "Was will der denn so früh schon?" dachte er und klickte zu seinen weiteren Nachrichten, eine wie die andere, er soll sich da melden und dort, es hörte gar nicht auf. Ab 4 Uhr morgens hat das gesamte Kommisariat versucht, ihn zu kontaktieren. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was los war, da poppte auf seinem Handy eine Nachricht auf: "Bundesminister verschwunden". Er klickte darauf, "Herr Michael Richards von der CDU wurde heute Nacht vermutlich entführt, nachdem er auf einer Eröffnungsfeier eines Grabdenkmals in Aurich zu Gast war".
Er rief sofort seinen Kollegen Hanse an, der ins Telefon blaffte:"Na, auch schon wach?" Eigentlich hatte er keine Lust, sich schon morgens so etwas anzuhören, aber um des morgendlichen Friedens willen, hielt er einfach mal die Klappe und hörte nur zu.
"Der Richards ist verschwunden, wir sollen uns drum kümmern, die Kripo scheint wohl etwas überlastet mit ihren 8 Einbrüchen pro Jahr. Und ja, ich weiß, Du bist kein Frühaufsteher, aber bitte komm jetzt mal ins Büro, damit ich Dir die Einzelheiten erzählen kann". "Lass mich meinen Kaffee bitte noch austrinken, dann bin ich schon da" erwiderte Martin und legte auf. Eigentlich könnte er in Frühpension gehen, er hat nur noch 3 Jahre bis zur regulären Rente, "vielleicht sollte ich den Antrag stellen", dachte er bei sich im Stillen. "Aber dann wäre es mir wahrscheinlich ziemlich langweilig" sinnierte er im nächsten Augenblick. Im Rückblick wäre ihm ein wenig Langeweile lieber gewesen...

Zweites Kapitel
Im Kommisariat war der Teufel los, alle hetzten herum wie von Wespen gestochen, er war erstaunt, was um diese Zeit in diesem Büro schon los sein konnte. Er kam selten vor neun ins Büro, jetzt war es kurz vor acht und er fühlte sich wie auf einem Rummelplatz. "Moin, auch endlich da?" tönte es ihm gefühlt aus allen Ecken entgegen. Er war ziemlich genervt, als er endlich in seinem Büro ankam und sich setzen konnte. Hanse hat ihn entdeckt und kam sofort zu ihm rüber um ihn auf das Laufende zu bringen. "Stell Dir vor, gestern Abend verschwindet der Richards einfach von der Bildfläche, unter den Augen seiner Bodyguards". "Bodyguards, welche Bodyguards" antwortete Martin, nicht ahnend, was darauf losging. "Ja, hast Du denn keine Ahnung, wie es um unsere Politiker bestellt ist, jeder von denen hat Bodyguards, damit die im schlimmsten Fall ihren Kopf hinhalten. Unsereiner muss ja den Kopf für alles hinhalten und denen wird's geschenkt, auf unsere Kosten. "Hanse, krieg Dich wieder ein, wir können es ja nicht ändern, erzähl mir lieber, wat denn nu gescheh'n ist" antwortete Martin nur. Und Hanse fing an zu erzählen: "Stell' Dir vor, gestern Abend sitzen alle, wirklich alle wichtigen Menschen aus Leer, Emden, Aurich und umliegenden Gemeinden zusammen und wollen über ihre Zukunft sprechen. Richards war der typische Politiker, kaum was gesagt, aber wenn er den Mund aufmachte, kam Politikerschwall aus, ich hätte kotzen können Ich war da ja auch, war eingeladen von Maike, meiner Frau, solltest Du vergessen haben, wie meine Frau heißt. Sie erinnert mich jedes Mal, Dir Grüße auszurichten? Hab ich das schonmal getan? Ich kann mich nicht daran erinnern. Dann tue ich es hiermit". "Hanse, nochmal, ich kenne Deine Probleme, aber möchtest Du mir nicht einfach mal erzählen, was gestern Nacht passiert ist? Nur, damit ich mitreden kann".
"Na dann, schnall Dich an", antwortete Hanse, "der Richards war gestern also auf dieser Veranstaltung und hat von Visionen gesprochen, von Visionen, als hätten wir hier nicht genügend echte Probleme. Der hätte nach der Rede für das Grabdenkmal einfach wieder nach Hause fahren sollen, aber nein, meldete der sich doch auch gleich als Redner für unser Unternehmer-Verbandstreffen an. Der wollte nur gute Stimmung für seine Partei machen, Visionen, pah. Und am Ende fließt doch wieder kein Cent, wie immer." "Hanse", seufzte Martin lang, "komm' doch mal zum Punkt!". "Ja, schon gut, aber über so etwas muss ich mich nun mal immer aufregen. Jedenfalls war er irgendwann fertig mit seinen Visionen und mischte sich unter die Leute, Smalltalk hier, ein paar Worte da, wie solche Schmierlappen sich eben bei jedem anbiedern. Seine Bodyguards waren immer um ihn herum, nicht in unmittelbarer Nähe, aber immer so, dass man sie spürte, wusste, dass sie da sind. Weißt Du, das ist schon ein merkwürdiges Gefühl im Nacken mit unserem geschulten Auge, dass auch wir anfangen, jede Sekunde mit einer Katastrophe zu rechnen, aber hör mal, wir waren in Aurich, nicht in Berlin." Martin seufzte erneut. "Ja, ja, bin gleich soweit". Auch er als Politiker musste mal, und dann war er weg. Einfach so. Er ging auf die Toilette und verschwand, einfach so." Er schnappte mit den Fingern und zeigte ein selbstgefälliges Grinsen. Schnell hatte er aber seine Gesichtszüge wieder im Griff und zeigte Martin ein trauriges Lächeln. "Naja, die Bodyguards waren völlig aufgeschreckt, die ganze Veranstaltungsrunde begann nach ihm zu suchen, bis nach etwa 10 Minuten aus der Küche eine Putzhilfe kam, die bei ihren Spülaktivitäten einen Blutfleck am Boden entdeckt hatte. Und wie das bei so wichtigen Leuten der Fall ist, kam die KTU innerhalb von Minuten und die Laboranalyse dauerte keine Stunde. Unsereiner, Mordkommision, Kripo hin oder her, wir warten manchmal Tage auf ein Ergebnis, aber ich schweife schon wieder ab. Das Ergebnis war klar, das Blut war vom Richards. Und das war das letzte, was wir von ihm gesehen haben, und jetzt kommst Du ins Spiel, als Chefermittler und Koryphäe im Auffinden von kleinsten Spuren".

3. Kapitel
"Martin Krüger, guten Morgen", "Du erinnerst Dich noch an mich? Lars Henrick, von der Spurensicherung". "Guten Morgen Lars, natürlich weiß ich noch, wer Du bist, wie könnte ich diese Geschichte vergessen? Aber Du warst eine Zeitlang im Süden habe ich gehört?". "Ja", erwiderte Lars, "mich hat die Sache ein wenig an den Nerven gepackt und ich brauchte eine Abwechslung, da habe ich mich für ein Jahr nach Landshut versetzen lassen, tiefstes Bayern. Aber jetzt bin ich froh, wieder hier zu sein. Und jetzt das!". Vielleicht etwas sehr theatralisch drehte er sich mit ausgestreckten Armen halb um seine eigene Achse und versuchte, ein grimmiges Gesicht zu machen, was aber nur sehr halbherzig gelang....

Weitermachen oder nicht?


© Chris Z.


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