Ludwig van Beethoven

(1770-1827)
an die „Unsterbliche Geliebte“ und an Bettina
Brentano / von Arnim
An wen Beethoven seinen berühmten Brief „An die Unsterbliche
Geliebte“ schrieb, weiß man bis heute nicht. Eine mögliche Kan
didatin ist Antonie Brentano, die er 1810 durch ihre Schwägerin
Bettina kennenlernte und der er das Originalmanuskript seines
Liedes
An die Geliebte
schenkte. Beethoven und Bettina Brentano,
die 1811 Achim von Arnim heiratete, bewunderten sich gegenseitig
aufs Tiefste.
an die „Unsterbliche Geliebte“
Am 6. Juli, Morgens.
Mein Engel, mein Alles, mein Ich – nur einige Worte heute,
und zwar mit Bleistift – mit Deinem, erst bis morgen ist meine
Wohnung sicher bestimmt, welcher nichtswürdige Zeitverderb
in d[er]g[leichen] – warum dieser tiefe Gram, wo die Notwen
-
digkeit spricht. – Kann unsre Liebe anders bestehen als durch
Aufopferungen, durch nicht alles Verlangen, kannst Du es än
-
dern, dass Du nicht ganz mein, ich nicht ganz Dein bin. – Ach
Gott, blicke in die schöne Natur und beruhige Dein Gemüt über

das Müssende. – Die Liebe fordert alles und ganz mit Recht, so
ist es mir mit Dir, Dir mit mir – nur vergisst Du so leicht, dass
ich für mich und für Dich leben muss, wären wir ganz vereinigt,
Du würdest dieses Schmerzliche ebenso wenig als ich empfinden – meine Reise war schrecklich, ich kam erst morgens 4 Uhr
gestern hier an, da es an Pferden mangelte, wählte die Post eine
andere Reiseroute, aber welch schrecklicher Weg, auf der letzten
Station warnte man mich, bei Nacht zu fahren, machte mich
einen Wald fürchten, aber das reizte mich nur – und ich hatte
unrecht, der Wagen musste bei dem schrecklichen Wege brechen, grundlos, bloßer Landweg – ohne solche Postillione, wie
ich hatte, wäre ich liegen geblieben unterwegs – Esterhazi hatte
auf dem andern gewöhnlichen Wege hierfür dasselbe Schicksal
mit acht Pferden, was ich mit vier – jedoch hatte ich zum Teil
wieder Vergnügen, wie immer, wenn ich was glücklich überstehe. Nun geschwind vom Innern zum Äußern, wir werden uns
wohl bald sehen, auch heute kann ich Dir meine Bemerkungen
nicht mitteilen, welche ich während dieser einigen Tage über
mein Leben machte – wären unsre Herzen immer dicht anein
ander, ich machte wohl keine d[er]g[leichen]. Die Brust ist voll,
Dir viel zu sagen – ach – es gibt Momente, wo ich finde, dass die
Sprache noch gar nichts ist. – Erheitre Dich – bleibe mein treuer
einziger Schatz, mein Alles, wie ich Dir, das Übrige müssen die
Götter schicken, was für uns sein muss und sein soll. –
Dein treuer Ludwig.
Abends, Montags, am 6. Juli.
Du leidest, Du mein teuerstes Wesen – eben jetzt nehme ich
wahr, dass die Briefe in aller Frühe aufgegeben werden müssen.
Montags – Donnerstags – die einzigen Tage, wo die Post von
hier nach K. geht. – Du leidest – ach, wo ich bin, bist Du mit
mir, mit mir, und Dir werde ich machen, dass ich mit Dir leben
kann, welches Leben!! so!! ohne Dich – verfolgt von der Güte
des Menschen hier und da, die ich meine – ebenso wenig verdi
nen zu wollen, als sie verdienen – Demut des Menschen gegen
den Menschen – sie schmerzt mich – und wenn ich mich im
Zusammenhang des Universums betrachte, was bin ich und was
ist der – den man den Größten nennt – und doch – ist wieder
hierin das Göttliche des Menschen – ich weine, wenn ich den
-
ke, dass Du erst wahrscheinlich Sonnabends die erste Nachricht
von mir erhältst – wie Du mich auch liebst – stärker liebe ich
Dich doch – doch nie verberge Dich vor mir – gute Nacht – als
Badender muss ich schlafen gehn – ach Gott – so nah! so weit!
ist es nicht ein wahres Himmelsgebäude, unsre Liebe, aber auch
so fest, wie die Feste des Himmels. –
Guten Morgen am 7. Juli.
Schon im Bette drangen sich die Ideen zu Dir, meine Unsterb
-
liche Geliebte, hier und da freudig, dann wieder traurig, vom
Schicksale abwartend, ob es uns erhört – leben kann ich ent
-
weder nur ganz mit Dir oder gar nicht, ja, ich habe beschlos
-
sen, in der Ferne so lange herumzuirren, bis ich in Deine Arme
fliegen kann und mich ganz heimatlich bei Dir nennen kann,
meine Seele von Dir umgeben ins Reich der Geister schicken
kann – ja leider muss es sein, Du wirst Dich fassen umso mehr,
da Du meine Treue gegen Dich kennst, nie eine andre kann
mein Herz besitzen, nie – nie – o Gott, warum sich entfernen
müssen, was man so liebt, und doch ist mein Leben in W., so
wie jetzt, ein kümmerliches Leben. – Deine Liebe macht mich
zum Glücklichsten und Unglücklichsten zugleich – in meinen
Jahren jetzt bedürfte ich einiger Einförmigkeit, Gleichheit des
Lebens – kann diese bei unserm Verhältnisse bestehn? – Engel,
eben erfahre ich, dass die Post alle Tage abgeht – und ich muss
daher schließen, damit Du den B. gleich erhältst – sei ruhig,
nur durch ruhiges Beschauen unsres Daseins können wir unsern
Zweck, zusammen zu leben, erreichen – sei ruhig – liebe mich –
heute – gestern – welche Sehnsucht mit Tränen nach Dir – Dir
– Dir, mein Leben – mein Alles – leb wohl – o liebe mich fort.
– Verkenne nie das treuste Herz Deines Geliebten
ewig Dein
ewig mein
ewig uns.


© Sonnenschein


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