Teil ll
Wie neugeboren fühlte sie sich. Erleichtert ließ sie sich rückwärts auf das Bett fallen, griff dabei unter das Kopfkissen und ….zog einen String-Tanga hervor, nicht ihrer. Es wunderte sie gar nichts mehr. Diesen Menschen so falsch eingeschätzt zu haben; sie konnte es nicht fassen. Er hatte wahrscheinlich ihr Haus als seins ausgegeben, um seine Bekanntschaften einladen zu können. Sie ließ die letzten Tage noch einmal Revue passieren: Vor drei Tagen hatte Oliver sie überraschen wollen und hatte für sie beide ein Mitternachtsmenue gekocht, es war ein rundherum gelungener Abend, sie hatten viel getrunken, waren ausgelassen wie die Kinder und dann nur noch Leere. Er musste eine Droge in den Wein oder in das Essen gemischt haben oder in Beides, anders konnte es gar nicht sein, denn sie war ja zwei Tage weggetreten.
Die Tasche! Richtig, da war ja die Tasche, die ihr nicht gehörte. Sie brauchte keinen Code zum Öffnen, sie brauchte nur ein scharfes Messer. Gedacht, geholt. Es war überhaupt nicht schwer die Ledertasche aufzuschlitzen. Was da allerdings zutage kam, war doch sehr überraschend. Ausweise und Scheckkarten diverser Frauen, sie zählte neun Ausweise und zehn Scheckkarten, die zehnte war von ihr, eine die sie selten benutzte und von daher nicht vermisst hatte.
Wenn er die Ausweise der Frauen bei sich hatte, sollte das etwa heißen, diese Frauen gab es nicht mehr? Ihr wurde bei dem Gedanken ganz schlecht. Sie schaffte es gerade noch ins Bad, alles was sie inzwischen zu sich genommen hatte, trat den Rückweg an.
Oliver ein Serienmörder?! Das konnte sie auf keinen Fall auf sich beruhen lassen, dass musste sie unbedingt herausfinden. Zum Inhalt der Tasche gehörte auch jede Menge Schmuck, falsche Papiere von ihm, Führerscheine, Ausweise. Das Aussehen jedes Mal verändert, mit und ohne Brille, mit und ohne Bart und mit unterschiedlichen Haarfarben. Sie kam zu dem Schluss: Oliver war ein professioneller Betrüger und Mörder. Unfassbar, sie schüttelte sich, rannte ins Bad und duschte noch einmal, schrubbte ihre Haut, bis sie wund war. Sie schämte sich so sehr vor sich selber. Das sie auf so einen Menschen hereingefallen war. NEIN, NEIN, NEIN!!! Ihr kamen vor Wut die Tränen, sie hörten nicht auf zu fließen.
Nachdem sie sich beruhigt hatte, fasste sie einen Plan. Zuerst aber wollte sie in einem Zeitungsarchiv versuchen etwas über diese Frauen herauszubekommen, es kam darauf an, was sie herausfinden würde, dann würde sie weitersehen.
Anhand der Ausweise konnte sie sehen wann ungefähr und in welchen Abständen Oliver an diese Ausweise gelangt war. Innerhalb von fünfzehn Jahren mussten diese Begegnungen stattgefunden haben.
Sie musste sich etwas beruhigen, wenigsten einmal wollte sie über diese, sie konnte es gar nicht benennen, „Angelegenheit“ geschlafen haben; aber nicht in diesem Haus. Sie mietete sich im Ort, in einem kleinen Hotel ein. Hier sah sie sich die Ausweise etwas genauer an. Oliver war scheinbar beim Alter nicht so wählerisch, es waren ältere und junge Frauen auf den Ausweisen zusehen. Sie wollte versuchen schon einmal im Vorfeld auf dem Laptop etwas zu recherchieren. Doch nach dem neuen Datenschutzgesetz konnte man nicht mehr so einfach über einzelne Personen etwas im Internet erfahren. Leider. Also doch erst morgen.
In der Nacht wurde ihr so manches klar. Wenn sie mit ihren Freunden und Oliver zusammen etwas unternehmen wollte, hatte er jedes Mal einen Termin, ein Geschäftsessen oder eine wichtige Reise vor, etc. Ihre Freunde hatten Oliver nie zu Gesicht bekommen, was jetzt tatsächlich ein Glücksfall war, denn sie hatte endlich einen Plan gefasst.
Im Archiv hatte sie über sechs der Frauen, etwas gefunden, zwischen 2008 und 2014 sind sie unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen. Über die anderen konnte sie nichts in Erfahrung bringen. Aber was sie erfahren hatte genügte ihr, um den gefassten Plan in die Tat umzusetzen. Sie hoffte in den nächsten Tagen auf richtig schlechtes Wetter, mit viel Wind und Regen. Gespannt hörte sie jeden Wetterbericht ab. Bei richtig scheußlichem Wetter würden keine Spaziergänger unterwegs sein, denn Zuschauer brauchte sie nicht für die Ausführung ihres Plans. Dann endlich, sie wappnete sich, zog das Ölzeug an, nahm die große Schaufel aus der Garage und machte sich auf den Weg zu dem unter den Dünen liegenden Bunker. Sie wollte noch in dieser Nacht das Kapitel „Oliver“ beenden.
Ein letztes Mal noch ging sie die Treppe zur Metalltür hinunter, vorsichtig drückte sie die Klinke hinunter, die Tür war noch versperrt, auch war nicht zu erkennen, dass die Tür in der letzten Zeit geöffnet worden war. Es gab ihr ein gutes Gefühl, den Mann dort zu wissen, wo sie hätte, nach Olivers Willen, eigentlich sein sollen.
Sehr gut. Jetzt begann sie mit dem eigentlichen Plan, sie stellte sich quasi auf den Bunker und schob den nassen Strandsand auf die Treppe hinunter, stückweise nahm sie die Schaufel zu Hilfe. Es war schon ein ganzes Stück Arbeit, den Eingang samt Treppe zuzuschütten, aber sie gönnte sich keine Pause. Dieses Thema sollte heute ein für alle Mal ein Ende finden. Der Regen machte den Sand hart wie Beton, sie stampfte noch zusätzlich darauf herum, verwischte die Spuren, sodass niemand auch nur erahnen konnte, was hier gerade vor sich gegangen war. Sie war zufrieden mit sich. Sie hatte der Menschheit einen großen Dienst erwiesen. Bis hierher kam das Wasser auch bei Flut nicht, so konnte die Treppe und der Eingang nicht frei gespült werden und das war gut so. Sie nahm die Schaufel und trat den Heimweg an.
Die Tasche und alles was Oliver zurückgelassen hatte, hatte sie bereits vernichtet. Den Schmuck hatte sie separat im Meer versenkt, nichts, aber auch gar nichts sollte mehr an diesen gewissenlosen Menschen erinnern. Das Haus würde sie verkaufen. Olivers Spur verlief somit im wahrsten Sinne des Wortes im Sande, auf Nimmerwiedersehen.
Auf deinem Herzen
liegt ein Trauerflor,
Du wolltest mehr,
doch hast alles verloren.
Suchtest nach Orten
der Liebe und Ruhe,
lauschtest dem Atem
des Windes.
Doch dunkle Lieder [ ... ]
Es brennt das Feld, es brennt der Wald
doch nicht lange, denn schon bald
erlischt auch mal die letzte Glut
denn der Regen und die Flut
wird das Problem schon [ ... ]
Ein Fels in der Brandung, eine Zuflucht im Sturm
Ein Halt beim Schwanken, in Ängsten ein Turm
Ein Leitbild in allem Wachsen und Tun
Da kann ich verweilen, staunen und ruh'n