Nach endlosen Fahrten durch die italienische Pampa biegen wir von der staubigen Straße nach links ab, fahren durch ein Tor und stehen … im Wald. Was soll das jetzt schon wieder? „Alle aussteigen bitte“, rufen die beiden Maklerinnen uns zu. „Hier haben wir das Haus des Frutteto.“
Ich steige langsam aus. Frutteto. Das heißt Obstbauer, aber ich sehe nur Tannen, Kiefern, Pinien und noch nicht mal ein Haus.
„Das Haus ist gleich hinter den Tannen“, klärt uns die Maklerin auf und dann sehe ich es. Wie furchtbar. Es ist klein, hässlich, hat dunkelrote, verrostete Eisenfensterläden und ist umgeben von hohen Tannen, die im Laufe der Jahre all ihren grünen Schmutz an der Hausfassade verewigt haben. Der Besitzer, ein kleines, dünnes Männchen, kommt uns entgegen. Seine voluminöse Frau ruft uns aus dem Küchenfenster ein „Buon giorno“ entgegen.
Mir ist es hier am Haus zu dunkel, zu kühl und zu muffig. Die Maklerinnen führen uns hinter das Haus. Na, ja, schon etwas luftiger. Aber warum steht weit hinten im Garten unter einer großen Linde der Geländewagen des Hausbesitzers. Ich frage natürlich nach. Das kleine Männchen zeigt nach oben und erklärt, dass der Wagen dort besser stehen würde, weil er dann von den Hubschraubern nicht gesehen werden kann. Automatisch gucke ich auch nach oben. Weit und breit kein Hubschrauber zu sehen. Vielleicht ist der Typ ja schon ein bisschen gaga…
Wir sehen uns die Wiesen an und dann sehe ich auch die Obstbäume: Feigen, Aprikosen, Mirabellen, Äpfel, Pflaumen, Birnen, Kirschen, Mandel- und Walnussbäume und zwei Granatapfelbäume. „Wie viele Obstbäume sind das ungefähr?“ frage ich. „Oh, so um die 500. Das Grundstück geht ja da unten noch weiter“, klärt mich die Maklerin auf, „wir haben hier ungefähr 17.000 qm.“ Ich bin beeindruckt. Vor allem von der Arbeit die da auf uns zukommen könnte.
„Also“, raune ich meinem Mann zu, „was wollen wir mit einem winzigen Haus und 500 Obstbäumen?“ Aber mein Mann winkt ab. „Lass und erst mal den Rest ansehen. Es ist doch wunderschön hier. Wir können den ganzen Tag im Garten arbeiten…“ er kommt ins Schwärmen – ich nicht. Jetzt brauche ich erstmal eine Zigarette. „Darf ich hier im Garten eine Zigarette rauchen?“ Frage ich der Form halber den Besitzer. Er sieht mich grimmig an. „Ja, es ist ja noch hell. Wenn es dunkel wird – lieber nicht rauchen.“ Ich bin etwas irritiert. „Warum?“ frage ich. „Signora, wissen Sie, wie weit man eine Zigarettenglut sehen kann? Nein? Ich sage es Ihnen: 15 km. Das heißt, man kann Sie noch in 15 km Entfernung mit Ihrer brennenden Zigarette sehen.“ Er überreicht mir eine leere Fanta-Dose, „Für die Reste der Zigarette.“
Ja – also, mir macht es nichts aus, wenn irgendjemand in 15 km Entfernung sieht: ah, da raucht einer. Der spinnt.
„Was ist das für ein komischer Typ?“ frage ich die Maklerin leise. Sie wiegt den Kopf in typisch italienischer Manier leicht hin und her und flüstert mir dann zu; „Nun ja, er war mal Geheimagent.“ Ich muss lachen – ach, dass ich aber auch immer alles nicht ernst nehmen kann.
Nun geht’s ins Haus. Dazu müssen aber erst einmal zwei quietschende Gitter zur Seite geschoben werden (hoffentlich hört man das Quietschen nicht noch in 15 km Entfernung…).
Drinnen riecht es verbrannt – oder verräuchert. Wahrscheinlich zieht der Kamin nicht richtig. Die Küche ist gerade den 70er Jahren entsprungen (ächz) und die Wohnzimmertür ist verschlossen. „Ich muss erst mal kurz nachsehen, ob alles in Ordnung ist“, sagt der Geheimagent, macht sich noch dünner, als er schon ist und schlüpft durch einen Türspalt ins Wohnzimmer. Wir warten draußen. Von drinnen hören wir Geräusche und dann geht nach ein paar Minuten die Wohnzimmertür auf. Im Raum steht ein Schreibtisch, der sich unter der Last der großen Funkanlage biegt. Mikrophone, Kabel, beschriebene Zettel und eine Schachtel Munition liegen auf der Tischplatte. An den Wänden hängen Gewehre und Säbel und über der Stuhllehne baumelt ein Halfter (oder wie man das nennt) für eine Pistole. Ja – so sehen also die Häuser von Geheimagenten aus. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Leidet hier jemand an Verfolgungswahn? Oder ist das wirklich alles echt? (Ich erfahre erst später, dass alles echt war…)
Nun kommen wir zur Garage. Ja – und hier hat sich dann mein Mann wahrscheinlich für das Haus entschieden. Es gibt nämlich einen Trecker und noch vielerlei anderes Männerspielzeug. Da kann man nichts machen.
Schon zwei Tage später sitzen wir wieder bei den Maklerinnen im Büro. „Also, 250.000 Euro zahlen wir für das Haus natürlich nicht. Das ist ja total übertrieben“, zetere ich gleich los. „Dann müssen wir dem Besitzer ein Gegenangebot machen“, erklärt mir die Maklerin. „Sagen Sie Ihren Preis.“ Da ich das Haus ja eigentlich nicht so richtig toll finde, nenne ich einen so niedrigen Preis, das die Maklerin Schnappatmung bekommt und ich mich entspannt und zufrieden in dem ungemütlichen Designerstuhl zurücklehne.
„Nur 160.000 Euro. Nein, das kann ich dem Verkäufer nicht anbieten. Das Angebot ist zu niedrig.“
„Ja, dann hat der Verkäufer wohl Pech gehabt. Dann eben nicht.“ Ich bin voll obenauf…
„Wir sind natürlich noch verhandlungsbereit“, wirft mein Mann ein, woraufhin ich ihm einen bösen Blick zuwerfe.
„Na, ja“, sagt die Maklerin „der letzte Käufer wollte auch nicht den gewünschten Preis zahlen und zuerst hat sich der Verkäufer auch darauf eingelassen, aber dann haben einige Leute mitbekommen, für welche Summe er verkaufen will und er ist nach dem Vorvertrag einfach untergetaucht und war ein halbes Jahr verschwunden.“
„Und dann?“ Will ich wissen.
„Irgendwann hatte der Käufer keine Lust mehr zu warten.“ Die Maklerin deutet ein Achselzucken an.
Zwei Tage später sind wir – per Vorvertrag – Obstbauern. Und vor allem mein Mann: stolzer Besitzer eines Treckers. Aber den vollen Preis – haben wir natürlich NICHT gezahlt.


© castagnabella


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