Kellermänner

Nachdem ich mein Fahrrad sachgerecht im Keller verstaut hatte, merkte ich schnell, dass ich mal wieder nicht alleine dort war. Wie hätte es auch anders sein können..?
Als ich die Kellertür hinter mir schloss, hörte ich einen meiner Nachbarn in den anderen Kellergängen rascheln und hoffte inständig, dass ich ihm nicht über den Weg lief. Ich schaltete meinen iPod vorsichtshalber gleich auf lautlos, um mich auf eine unvermeidliche Begrüßung gefasst zu machen.
Sonntag ist Ruhetag, dachte ich immer. Normalerweise hielten sich viele ältere Leute strikt an dieses heilige Gesetz. Aber anscheinend hinderte das meinen Nachbarn nicht daran, auch sonntags in seinem Keller herumzukrauchen und Dinge zu machen, von denen ich nichts wissen wollte.

Dabei bietet ein Keller diverse erregende Möglichkeiten für Männer:
– ein Versteck für Schnaps und andere leckere Spirituosen
– Alibi/Zufluchtsort für anonyme Süchte = Suchtbunker
– heimlich trinken, damit es zu Hause keinen Ärger gibt
– Pornohefte angucken und in der hintersten Ecke im Aldibeutel horten
– auf interessante Nachbarinnen warten und im richtigen Moment freundlich vor der Tür erscheinen
– Konserven nach Haltbarkeitsdatum sortieren, obwohl man den Schimmel schon fühlen kann
– gucken, ob noch alle Schrauben im Werkzeugkasten sind und ob der Bohrer noch einwandfrei funktioniert
– sich vom modrigen Kellergeruch berauschen lassen – der feuchte Duft nach Rost, Öl und abgestandener Farbe, sowie Terpentin tut der Nase gut
– Sammellager für kaputte Geräte, die auf den übernächsten Sperrmüll warten..oder noch länger, da Mann sich nicht trennen kann – hatte ja alles mal viel Geld gekostet
– den Keller als letzten Ort der Ruhe nutzen – denn nichts ist schöner, als von altem Kram umgeben zu sein, der vergessene Erinnerungen und Wünsche hervorlockt
Zudem machen sich Männer oft durch hustende Brunftschreie bemerkbar, um allen anderen Mitgliedern des Hauses und Gästen ihre Anwesenheit im Keller zu demonstrieren.

Wahrscheinlich war es genau einer dieser Gründe, warum ich meinen Nachbarn im Keller antraf.
Ich kam gerade vom Sport und hatte keine Lust auf sinnlose Gespräche, die meinem Niveau nicht entsprachen. Unter anderem das Thema: Wetterphilosophie für Anfänger. Der Schnee vom letzten Abend hätte jedenfalls für guten Stoff gesorgt, wenn ich 70 Jahre älter gewesen wäre. Das Wetter ist der zweitwichtigste Gesprächsstoff der älteren Generation, die den Alltag sowieso gemütlich zu Hause vorm TV oder im geselligen Wartezimmer beim Arzt verbringen. Oder im Keller. Manchmal habe ich den Eindruck, als würden sich viele Männer aus oben genannten Gründen im Keller besonders wohl fühlen.
Es gibt so viele Hobbymagazine, aber eine fehlt noch: ‘Faszination Keller – Eldorado für Männer’.

Tatsächlich kam mein Nachbar prompt aus dem Keller, als ich an der ersten Stufe der Treppe ankam und mich schon fast in Sicherheit wiegte.
Mein erster Gedanke war: Oh nein, bitte nicht…Lass mich doch in Ruhe jetzt. Du siehst doch, wie scheiße ich gerade aussehe..und dass ich kein Bock hab..Also quatsch mich nicht an. Du hast sowieso keine Chance bei mir, falls du das denkst..
Geh weg, bitte. Bitte. Schschsch…

Danach sprach mich der Kellermann an, während ich in meinen schwitzigen Sportklamotten und durchgefroren vor ihm stand. Er schaute mich an, als würde er gar nicht sehen, dass meine Schminke verwischt war.
Selbstverständlich nahm ich seine Gesprächsaufforderung mit einem Lächeln entgegen und begrüßte ihn herzlich defensiv.
Ich:”Hallo.”
Kellermann:”Guten Tag! Na, Sie sieht man ja kaum.”
Ich:”Ja, viel zu tun, viel unterwegs, viel arbeiten……”
Kellermann:”Kommen Sie gerade von der Arbeit?”
Ich:”Nee..ich war unterwegs.”
Kellermann guckte mich prüfend von oben bis unten an und merkte:”Ach, Sie kommen vom Sport? Bei dem Wetter? Och Gott, Sie kleines Ding quälen sich so ab. Das haben Sie doch gar nicht nötig.”
Kellermann wählte also die Strategie mit den schmalzigen Komplimenten, damit ich mich ihm gegenüber mehr öffnete und mich naiver verhielt. Aber das zog bei mir nicht, weil er nicht mein Typ war.
Ich:”Das Wetter stört mich nicht, es gibt kein falsches Wetter…”
Da Kellermann nun spürte, dass das Gespräch keinen Zweck hatte und er nicht in mein Beuteschema passte, konnte ich mit meinem Fuß andeuten, dass unser Zusammentreffen nun beendet war.
Apart setzte ich meinen Fuß auf die Treppenstufe und kündigte unsere Verabschiedung an.
Ich:”Tschüß, schönen Tag noch! Ich muss jetzt los!”
Kellermann:”Danke, ebenfalls! Auf Wiedersehen, junge Dame!”
Danach wurde Kellermann kleinlaut, machte keine weiteren Anstalten und verzog sich nach unserer Verabschiedung wieder zurück in seinen Keller.

Zum Glück war unsere Begegnung nur kurz und ich hatte noch nicht einmal eine Ahnung, wie er hieß, da ich jedes Mal andere Männer im Keller traf und angenommene Pakete für mich immer von deren Ehefrauen abholte, die sich treuherzig in der Wohnung aufhielten. Ich war froh, endlich in meine Wohnung gehen zu können, die sich gleich über dem Keller befand.
Zum Schluss nahm ich noch ein verräterisches Indiz wahr. Denn als ich den vollen Beutel mit leeren Flaschen und Einweggläsern hinter der Eingangstür sah, wusste ich: Alles klar, Kellermann.


© Frida Mai, alle Rechte vorbehalten.


3 Lesern gefällt dieser Text.




Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Kellermänner"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Kellermänner"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.