Panik am Trierer Platz

Es war wie an jedem Morgen, also wie an jedem Morgen an Werktagen. Die Menschen, Schüler, die zur Schule mussten, Berufstätige die bemüht waren rechtzeitig zur Arbeit zu kommen oder An-dere, die zum Arzt wollten, standen gelangweilt an der Bushaltestelle. Es kommen hier viele Busse, doch wenn man Pech hat, sind sie gerade weg. Hinzu kommt, dass sie nie pünktlich sind, daher kann auch niemand sagen welcher schon fort ist, noch kommen muss oder schon wieder ankommen sollte. Letztendlich ist all das aber egal, wir alle standen da und warteten wie jeden Morgen. Die Haltestelle liegt an einer stark befahrenen Straße, insgesamt fünf Spuren. Zwei Spuren stadtaus-wärts und zwei Spuren plus einer Busspur stadteinwärts.

Woher er so plötzlich kam, war nicht ganz klar. Er wirkte als wäre er vom Himmel gefallen, wahr-scheinlich war er es auch. Unversehens stand er mitten auf der Busspur. Schwarz, er war vollends schwarz mit intelligenten schwarzen Augen. Er ging ein Stück in Richtung Fahrbahnmitte, schaute sich interessiert um, die Wartenden hielten die Luft an, sahen sie doch den fließenden Verkehr be-drohlich näher kommen. Er aber hielt seinen Kopf lediglich ein wenig schräg und sah stadtauswärts.

Die vorbeifahrenden Autos zogen geistesgegenwärtig ihr Steuer ein wenig nach links. Durchatmen, einmal tief Luft holen. Keiner wagte es, niemand war in der Lage auch nur einen Ton von sich zu geben. Vielleicht wäre jetzt ein warnender Zuruf angebracht gewesen, doch die Masse blieb stumm. Starr vor Schreck klebten alle Blicke auf der schwarzen Gestalt, die noch immer wie ein neugieriges Kind auf der Busspur hin und her lief. Sein Schritt war raumgreifend, als wäre diese Spur sein Ei-gentum. Von Ferne näherte sich mit bedrohlicher Schnelligkeit ein Taxi, dem es erlaubt ist, auf der Busspur zu fahren. Wieder hielt die Menge die Luft an. Man konnte förmlich fühlen wie sich alle Lungen mit Luft füllen. Es war als wäre unversehens aller Sauerstoff verschwunden.
Er aber trippelte ein Stück nach vorn, dann wieder zur Seite, sah nach rechts und wieder nach links.
Einfach so, als wäre er allein auf dieser Welt. Vielleicht war er es in diesem Augenblick tatsächlich.
Das Taxi blinkte, der Fahrer schaffte es im letzten Augenblick, auf die Nebenspur auszuweichen.
Ausatmen, aber keine Aussicht auf Entspannung.

Während er noch immer die Busspur als sein persönliches Territorium ansah, holten die Wartenden erneut tief Luft um dieselbige wiederum anzuhalten.
Anscheinend fehlte ihm das Verständnis für diese morgendliche Panik. Seelenruhig lief er noch ein wenig Hin und Her. Wieder hielt er den Kopf ein bisschen schief, um alles genau zu beäugen.
Ein unheilschwangeres Schweigen stülpte sich über die Straße. Fassungslosigkeit machte sich breit. Lähmende Angst erfasste die Menge. Fast konnte man meinen die Herzen aller schlagen zu hören, die noch immer nicht in der Lage waren in irgendeiner Form einzuschreiten. Eigentlich hätte man annehmen müssten, dass jemand wach würde und zumindest schreit, etwas in der Art wie: „Hallo, weg da!“, oder so.
Aber nichts dergleichen geschah. Schweigen, Stille, die einem das Gefühl vermittelte, das Selbst der vorbeifahrende Verkehr nicht mehr zu hören war. Alles wurde aufgesogen, von der Angst, der Panik vor dem was passieren könnte, genau genommen passieren musste.
Kaum hatte das Taxi es geschafft auszuweichen, näherte sich auch schon der Bus. Gut auf den hat-ten alle gewartet. Musste der aber gerade jetzt kommen?! Jetzt in diesem Moment, in dem sich wie-der diese tödliche Lautlosigkeit über alles gelegt hatte und einem die Luft zum Atmen nahm?
Der Bus, groß und mächtig kam bedrohlich näher. Unaufhaltsam rollte er heran. Der Schwarze machte keine Anstalten die Spur zu räumen.
Kein Sauerstoff mehr, keine Luft mehr, Schweißtropfen auf der Stirn, entsetzen in den Augen, auf-gerissene tonlose Münder. Abwartendes, fast schon gelangweiltes Stehen auf der Fahrbahn.
Der Bus verlangsamte seine Fahrt, er kam zum Stehen, er hielt an.
Erleichterung, durchatmen!

Als wäre es das Normalste von der Welt, vor allem selbstverständlich stand er noch immer auf der Busspur. Noch einmal sah er uns alle an, bewegte sich dann endgültig, wenn auch langsam, auf den Gehweg zu. Die Umherstehenden machten ehrfürchtig Platz.
Er sah so aus als hätte er es erwartet. Er sah nach rechts, er sah nach links, ein wenig auf uns herab, so als wären wir seine Untertanen. Wahrscheinlich sind wir es auch, denn dann erhob er sich end-lich in die Luft, in die er gehörte, der Rabe.

Ein herzliches Dankeschön, an all diejenigen die an diesem Morgen und hoffentlich auch in Zu-kunft, Verständnis und Rücksicht vielleicht auch Mitgefühl für unsere Mitbewohner, die Tiere, ge-zeigt haben.

Vielen Dank


© IDee


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Kommentare zu "Panik am Trierer-Platz"

Re: Panik am Trierer-Platz

Autor: noé   Datum: 13.04.2014 19:50 Uhr

Kommentar: GAI-LE Geschichte, Spannung bis zum Schluss, super erzählt!
Ganz großes Kompliment!
noé

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