Hier saß ich nun, wie jeden Tag in meinem eisigen Gefängnis. Vor wenigen Wochen hatte man aus meinem Volk ausgerechnet mich auserwählt als nächster den ewigen Job anzutreten. Man hatte mir gesagt es sei eine Ehre auserwählt zu werden. Ich hielt das für eine seltsame Art sich das Exil schönzureden. Bisher ist von diesem Job noch nie jemand zurückgekehrt. Die Götter kamen und nahmen den Auserwählten einfach mit und dann war er für immer weg. Man sah oder hörte nie wieder von ihm. Vielleicht gab es diesen Job auch gar nicht, dachte ich früher. Aber nun saß ich ja hier. Ich wusste nun, was mit den anderen passiert war. Aber früher dachte ich immer, dass sie vielleicht einfach getötet wurden. Oder dass die Götter sie dann auch noch aßen. Die Legenden unserer Ahnen erzählten da viel verschiedenes. Bis dahin gab es für mich aber nur die eine Realität. Jeden Tag kamen die Götter und forderten vier Auserwählte. Jeden Tag verließen vier von uns die Gemeinde um nie wiederzukehren. Es war schon ein Wunder, dass unser Volk überhaupt noch existierte. Die Alten, die es irgendwie bis hierher geschafft hatten, ohne ausgewählt zu werden, erzählten uns, dass die Götter früher täglich noch mehr von ihnen geholt hatten, doch die Population irgendwann so ausgedünnt war, dass sie sich auf vier beschränken mussten.

Ich wünschte ich könnte ihnen erzählen was sie erwartete, nachdem die Götter sie gewählt hatten. Dass auf sie kein ehrenvoller Job wartete, sondern dass die Götter sie in eiskalte, widerlich stinkende Gefängnisse sperrten mit einer einzigen, ständigen Aufgabe, der man zu jeder Tages- und Nachtzeit nachkommen musste. Wenn sich die Tür öffnete musste der Schalter bedient werden um das Licht anzuschalten. Und das immer und immer und immer wieder. Aber heute entschied ich mich dazu es zu beenden. Ich würde dieser Aufgabe nicht mehr nachkommen. Mal schauen was dann passierte. Darüber gab es ja nicht einmal Legenden.


Heike öffnete den Kühlschrank. “Mist”, dachte sie. “Das Licht ist wohl kaputt gegangen.”


© Menschenblind


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