Der Morgen dämmert langsam, mein Rücken schmerzt und meine Glieder sind steif. Ich hab kein Auge mehr zugekriegt. Ich setze mich auf. Es fühlt sich alles falsch an. Die Leine fällt rasselnd zu Boden. Es hallt in der Zeit wieder. Ich fühle mich seltsam leer. Etwas fehlt… so sehr. Meine Gedanken sind bei ihr, mein Empfinden gefühllos und benebelt.
„Ich kann das nicht mehr.“ Sie würde niemals so lange warten und es würde auch niemals so lange halten, wenn man es realistisch sah. Die Jahre hatten mich erschlagen.

Ich schaue in mein Posteingang und finde keine Antwort mehr für das, was ich dort lese. Die Reue kommt schnell, hart und bitter.
Langsam beginne ich zu realisieren, was ich getan habe. Ich habe mich von meiner Herrin losgerissen, ohne Vorwarnung, naiv und dumm.
Ich versuche davor wegzulaufen und verschließe meine Gefühle. Der Schmerz kommt dennoch, dumpf, wie betäubt, aber trotzdem stark wie ein Rammbock. Er reißt mich um.

Wie ein Altersschwacher Sack stehe ich wieder auf, setze mich an den Laptop und beginne zu schreiben. Etwas anderes kann ich nicht. Ich muss es einfach aufschreiben. Das Bedürfnis ist übermächtig, mich irgendwie zu erklären.
Die Tastenanschläge sind langsam. Es beschreibe direkt und unausgeschmückt was ich erlebt habe. Ich zittere dabei ununterbrochen. Eine Jacke überzuziehen hilft nich.
Je weiter ich schreibe desto mehr wird mir klar, was in der Nacht passiert ist und doch bleibe ich im Nebel. Als ich irgendwann fertig bin, starre ich auf die Zeilen. Ein Tagebucheintrag? Wie soll ich es ihr sagen? Es ist bloß starr und ohne viele Gefühle. Und eine Erklärung ist es auch nicht.

Heute bin Autist, mehr als je zuvor. Aber das war nie eine Ausrede für irgendetwas. Ich wanke die Treppe runter in die Küche. Sie ist leer. Da ist nichts. Mein Vater sitzt vermutlich in seinem Arbeitszimmer. Ich will ihm nicht begegnen, seine genialen Kommentare nicht hören. Ich gehe zurück. Das Bedürfnis nach Essen ist wie ausgelöscht.

Irgendwie vergeht die Zeit. Ich liege auf dem Boden, reglos, sitze zusammengerollt im Sessel und gehe wieder unruhig auf und ab. Ich kann es nicht ertragen. Die Spannung, der Druck, wie auch immer man dieses unangenehme Gefühl nennt, frisst mich auf.
Willkommen in der Hölle. Wollte ich es nicht so? Doch jetzt ist es wie ein Fluch. Entweder ich brenne vor Schmerz oder ich ertrinke daran. Ich will nicht aufwachen, mich dem nicht stellen.
Um mich abzulenken, gucke ich ein paar Serien in Youtube auf meinem Handy. Sie sind auf chinesisch, mit englischem oder deutschem Untertitel, Drama, eine Menge Blut. Besser komplett Verschwinden aus der Realität.

Als ich aufwache sind allerdings nur wenige Stunden vergangen.
Meine Augen brennen. Die Realität holt mich ein.

Ich setze mich wieder an den Text und schreibe weiter, über die Geschichte hinaus. Es gibt nichts anderes mehr, woran ich mich festhalten kann.
Es schmerzt, wie sich ein Messer in die Brust zu rammen. Das worüber ich nie mehr sprechen wollte… aber jetzt kommt doch alles hoch, ein irrer Schmerz, der mich ergreift und auch eine Erleichterung endlich loszulassen und die Beherrschung zu verlieren. Die Tränen tropfen auf den Tisch. Ich hab sie verloren, habe endgültig versagt.
Was kann ich noch tun? Ich bin völlig hilflos. Mein Hals, der Kloß darin ist so schwer, das ich kaum schlucken kann. Ich atme hastig. Die Buchstaben verschwimmen. Die Trauer ringt mich nieder. Dennoch bleibe ich dabei, auf den Bildschirm starrend...


Erschrocken bemerke ich, das es schon dreizehn Uhr ist. Offenbar bin ich gezwungen mich zusammenzureißen. Kein Pause. Keine Ruhe. Termin heute beim Psychologen, fast ironisch passend. Ich lasse den Text offen und den Laptop an. Der Cursor blinkt. Ich werd dem nichts erzählen.

Ich laufe schnell die Treppe runter, durch den Flur und fluchtartig aus dem Haus, sodass ich meinem Vater erst gar nicht die Möglichkeit gebe, was zu sagen. Ich will nicht, das er mein Gesicht sieht. Das ist ein Zeichen von Schwäche. Mir kann niemand helfen.

Im Auto drehe ich die Musik laut. Jetzt nachzudenken, könnte sich als fatal erweisen. Ich fahre zu schnell. Es ist mir egal. Ich habe sie verloren, diesmal endgültig. Es fühlt sich absolut an.
Ein brennender Schmerz sitzt in meinem Inneren, wie ein glühender Nagel in meiner leeren Brust. Mein Hals ist zugeschnürt. Da ist ein endloser See hinter meinen Augen. Ich kann ihn nicht rauslassen.
Mach keine Dummheiten. Fahr anständig. Ich kann mir keine mehr leisten.

Als ich da bin, beherrsche ich mich nur mit großer Mühe. Ein Parkplatz eine Straße weiter. Ich trage eine Maske nach außen. Mein Gesicht ist wie versteinert.
Es ist sonnig und warm in Köln. Gras wächst zwischen den Gehwegplatten des Bürgersteigs, den ich entlanggehe. Vor der Praxis hüpft ein schwarzer Vogel auf dem Gehweg. Rabenschwarz. Er fällt mir auf.
Ich drücke auf die Klingel. Der Doc öffnet nicht, sondern kommt mit einem Glatzköpfigen Mittvierziger im Blaumann, etwas jünger als er selbst, an den hundert in der Straße parkenden Autos entlang von rechts auf mich zu. Dumm stehe ich da. Der andere holt sein Rad und fährt davon. Ich folge dem Psychologen nach drinnen.

Diesmal geht es um Selbstständigkeit bzw. meine, die welche fehlt, meine Auszugspläne und die Tatsache, das er nicht daran glaubt, das ich ein Aspi bin.
Ich kriege beinahe nichts alleine hin. Meine Pläne sind bloß Pläne. Die Zeit zieht sich wie Kaugummi und ich habe noch nichts erreicht. Kein Ergebnis, Nichts.
Ich versuche die Diagnostik und Ursachen von Asp zu erklären. Er meint, es gäbe keine Beweise das ich es hab, er habe schon ganz andere Autisten gesehen. Ich bin verwirrt und vor den Kopf gestoßen während ich ihm zuhöre und ich bin auch nicht ganz da.
Ich muss ununterbrochen an sie denken, an meine Herrin. Was macht sie jetzt? An was denkt sie? Wie geht es ihr?
Ich wollte ertrinken, jetzt habe ich es.

Die Rückfahrt ist aus meinem Gedächtnis verschwunden. Als ich zurückkomme betäube ich mich direkt wieder. Ich kann die Realität nicht ertragen.
So vergehen ein paar Stunden ohne das ich es bemerke. Es sollte doch bestürzend sein nur noch körperlich anwesend zu sein, oder? Ist es nicht. Mein Geist ist weit fort.

Am Abend laufe ich kurz in Ava rum, rede mit niemand. Dann liege ich stundenlang wach, auf dem Rücken auf dem Boden bis tief in die Nacht. Schlaflos.

Jetzt kann mich nichts mehr ablenken und nichts mehr vor meinen Gedanken schützen. Der Schmerz prasselt auf mich herunter. Ich hasse mich. Mache mir Vorwürfe, verstehe mich selber nicht mehr. Verdammter Freak.
Ich quäle mich im Dunkeln. Ich vermisse sie so sehr.

Etwa um vier stehe ich auf. Ich kann nicht mehr länger warten… nicht länger schweigen. Todmüde setze ich mich an den Computer, zusammengekrümmt und frierend auf der Stuhlkante, schreibe den Text fertig und stelle ihn online. Ich glaube nicht mehr daran, das sie ihn liest.
Danach gehe ich nach imv und mache einen Post. Vermutlich den letzten. Ich suche ein Raum, ein Bild ihr zu zeigen was ich fühle.

Schweigen hat nicht geholfen. Es hat alles nur schlimmer gemacht. Ich muss etwas sagen, alles was ungesagt war, angefangen mit dem, was ich unter das Bild schreiben wollte.
Der zweite Tag in der Hölle. Ich werd die Wahrheit zu sagen, soll heißen, ich hab eine Geschichte für dich geschrieben. Aber ich sage es nicht wörtlich. Ich habe keine Hoffnung, das es deine Meinung ändert, deshalb hab ich es nicht gesagt.
Diese Nacht ist endlos.

Ich schreibe mir alles von der Seele, völlig verzweifelt, alles in Frage stellend. Warum zum Teufel hab ich das dann getan, wenn ich es nicht wollte? Um zu Leiden? Für den größten Schmerz... der aus Dummheit.
Der Gedanke, das wir uns in Wirklichkeit niemals treffen würden, der zu versagen, der das sie mich verstößt deswegen, überwältigte mich. Dennoch kein Grund davonzulaufen.
Würde es immer nur Worte zwischen uns geben? Meine Fantasien waren zu romantisch. Das Leben ist so viel härter. Ich flehe sie um eine Antwort an.

Nachdem ich sie zugetextet habe, erreicht die Hoffnungslosigkeit einen Höhepunkt. Es wird zu viel. Brachiale Ängste ergreifen von mir Besitz. Eine Sturzflut von Gefühlen.
Ließt sie es denn überhaupt? Hat sie mich nicht geblockt? Interessiert es sie was ich schreibe, wie es für mich ist? Wer hat meinen Platz jetzt?
Der Schmerz zerreißt mich in Hälften. Ich schreie nach ihr und verliere die Beherrschung, heule wie ein jämmerlicher Schlosshund, zerfließe in Kummer und Selbstmitleid.
Am Morgen versiegen sie langsam und ich gehe unter. Versinke tief in einem dunklen See.

Die Zeit verstreicht quälend langsam, aber ich kann sie wieder wahrnehmen.
Sie antwortet, endlich. Mein Herz fängt schwer an zu pochen.

Ach ja? Auf einmal war es wieder da? Wie dumm von ihm so rumzupochen.
Sie reißt mich runter und gießt Sehnsucht über alles. Ich kann ihre Verletzung zwischen den Zeilen lesen, ihren Schmerz.
Der Verlust und die Schuldgefühle rauben mir jeden klaren Gedanken. Ich beginne den Verstand zu verlieren, bin schlaftrunken, obwohl ich nicht geschlafen hab.
Es ist noch dunkel draußen und im Zimmer. Und jetzt kann ich sie über mir stehen sehen. Ich fantasiere. Sie sieht kalt auf mich herab, packt mich grob an meiner Halskette und zieht mich kurz daran hoch. Nur gerade so, dass ich an der Kette hänge und sie mich würgt. Ihre Worte sind im krassen Gegensatz dazu sanft. Dann stößt sie mich wieder zu Boden, mit voller Wucht, wie nutzlosen Dreck. Schmerz explodiert in meinem Rücken.

Ich sitze am Tisch und trinke Kaffee, ohne Milch. Mein Vater sitzt gegenüber von mir. Keiner sagt was. Ich nehme ihn kaum wahr.
Warum hast du das getan, fragt sie. Es klingt vorwurfsvoll, verletzt und verständnislos. Eine Frage zu deren Beantwortung ich fast eine halbe Stunde lang tippe. Als ich schließlich vom Handy aufschaue, fragt er: „Ist irgendwas?“ Dabei klingt er unbefangen.
Nein Dad, es ist überhaupt nichts. Bittere Ironie.
„Nichts.“, murmele ich dumpf. Es geht ihn ein Scheissdreck an. Auf seine Kommentare kann ich verzichten. Er geht. Tolles Gespräch.

Ich versuche verzweifelt mich zu erklären, Gründe darzulegen, ihr meine Sicht der Dinge zu zeigen und lerne dabei mehr und mehr wie falsch ich lag. Es waren erneut Missverständnisse.
Ich hab ein Friseurtermin. Es erscheint mir jetzt unwichtig dort hinzugehen und unpassend, das zu schreiben. Ich will das Gespräch nicht abbrechen. Es ist wie eine letzte Chance zu Überleben, an die ich mich klammere.
Sie redet ruhig, ihre Stimme scheint so klar. Mir wird deutlich, das ich viele Gründe hinter ihrem Handeln nicht begriffen habe, Worte anders verstanden, als sie gemeint waren. Ich stolpere und verhaspele mich in Worten, versuche mich zu entschuldigen. Ich flehe sie an, doch alles was ich sage, ist unbeholfen und dünn im Vergleich zu der riesigen Last, die ich auf mich geladen hab.

Als ich unten im Flur stehe, sehe ich sie hinter mir stehen, komplett in schwarz. In der Rechten hält sie eine lange Peitsche. Sie hat die Arme verschränkt und starrt mich nieder. Die Fantasie wirkt derart bedrohlich auf mich, das ich die Schultern hochziehen muss. Mein Kette fühlt sich enger an. Ich gehe Richtung Tür.

„Dein Verhalten in letzter Zeit… das ist nicht mehr normal!“ Ich drehe mich um. Mein Vater steht in der Tür seines Arbeitszimmers. Ich gebe kein Ton von mir.
„Du schleichst hier rum wie ein Toter, du schläfst auf dem Boden und du quälst dich selbst wegen dieser Frau. Das ist krank! - “, macht er weiter.
„Lass mich. Und sie ist nicht "diese Frau"! Sie ist eine Herrin, ok?!“, schmeiße ich unwirsch dazwischen.
„Einfach nur krank!“, wiederholt er, meinen Einwurf ignorierend, „Du machst dich abhängig. Diese ganze Geschichte ist gestört! Sowas sollte es in unserer Gesellschaft nicht geben. Dominat, fürwahr!“ Er ist sichtlich wütend.
Es hat wenig Sinn mit ihm über seine Ansichten zu argumentieren. Hab ich schon zu oft versucht.
Ich nehme den Schlüssel aus der Schublade und schlurfe, ohne ihm eine Antwort zu geben, zur Haustür.
„Wo willst du hin?“, fragt er äußerst freundlich.
„Friseur. Der Wind muss weg.“, brumme ich.
„Was?! Wieder eines deiner "schlauen" Wortbilder?“ Ich kann nichts und ich bin nichts.
„Is egal.“
„Pass auf den Wagen auf!“, blafft er noch, dann werfe ich die Tür hinter mir ins Schloss und schneide ihm so das Wort ab. Ja, das der Wagen bloß kein Kratzer kriegt.

Wieder drehe ich die Musik laut und ich fahre wie der letzte Arsch. Sicher hätte ich mein Führerschein verloren, wären ein paar Polizeikinder unterwegs gewesen.
Vor dem Friseur sitze ich noch ein paar Minuten im Auto. Ich kann jetzt nicht direkt da rein.

Meine Gedanken schweifen ab. Ich sehe mich gefesselt mit schweren Eisenketten um Hand- und Fußgelenken zwischen zwei massiven Holzpfählen, welche bis zur Decke reichen in einem kahlen Kellerraum. Sie steht hinter mir wie ein gnadenloser Engel. Ihre Gesichtszüge sind wie gemeißelt und ihre Haare gleißend weiß. Ihre Haut leuchtet über schwarzem Leder.
Ich trage weite helle Sachen, zerfetzt und strotzend vor Schmutz und Blutflecken. Meine Haut ist ebenso schmutzig und meine Haare und Kleidung kleben vor Schweiß.
Sie hält eine metallenen Peitsche, glatt wie die Schuppen einer Schlange, das Ende mit scharfen Eisenstacheln besetzt.
Sie holt aus und zieht sie über mein ganzen Körper. Meine Schreie hallen von den Wänden wider. Die Spitzen bohren sich in mein Oberkörper und reißen tiefe Wunden in die Haut. Mein Blut tränkt den Stoff, tropft auf den Boden. Ein einziger Schlag reicht aus, das ich zusammenbreche. Ich krümme mich vor Schmerzen, winde mich wie ein Ertrinkender am Boden.
Ich habe nicht die Kraft um einen weiteren Schlag zu ertragen.
Gleichzeitig sehe ich eine andere Fantasie, wie sie ihren Heel auf meine Kehle stellt, während ich am oberen Ende auf einer Holztreppe liege und sie mich auf diese Art brutal hinunterschleift. Ihre Worte knallen wie besagte Peitsche. „Steh auf du elender Köter!“ Mit unendlicher Mühe stehe ich noch einmal auf. Schreiend holt sie aus. Die Peitsche zischt durch die Luft.
Der zweite Peitschenschlag lässt mich sofort zu Boden fallen. Ich schreie gellend. Wie ein elektrischer Schock zuckt der Schmerz durch meinen Körper.
Diesmal kann ich nicht wieder aufstehen. Kraftlos und blutend bleibe ich im Dreck liegen. Es bildet sich langsam eine Pfütze. Ich kann kaum meine Augen offenhalten. Ein dritter Schlag könnte mich wohl umbringen.

Ich habe seltsamerweise kein Problem damit hineinzugehen und zu sagen das ich ein Termin habe. Eigentlich habe ich mit dergleichen immer Schwierigkeiten. Doch jetzt ist es nebensächlich. Meine Wahrnehmung ist ohnehin dezent verzerrt. Es sind kaum Kunden da, aber mehr als fünf Mitarbeiterinnen. Ich habe es eilig wieder auf mein Smartphone zu sehen. Immerhin Wlan.

Ich schreibe weiter mit ihr. Das Gespräch ist erstaunlich ruhig und trotzdem tut es weh. Sie wirkt sanft. Nicht wütend. Es ist frustrierend zu erkennen, woran ich gescheitert bin, quälend zu sehen wie nah ich ihr war, wie leicht es sein könnte, wenn ich nur etwas gesagt hätte, anstatt wortlos zu gehen.
Mein Verstand versucht sich mit Müdigkeit und Abschalten zu schützen. Es bringt nichts. Ich werde nur immer verwirrter. Ich knie vor ihr, mein Geist. Ich bin offen, völlig nackt. Sie kann alles sehen. In dem Zustand gibt es keine Barriere, kein ausweichendes Wort. Ich kann nichts verbergen.

Streit und Trennung ist eine seltsame Art jemandes Inneres tiefer kennenzulernen, stelle ich müde fest. Sie ist wunderschön.
Möglicherweise würde es kein Zurück geben, niemals wieder wie davor sein. Das reichte aus um zu ertrinken.

Es ziemlich laut und das Gequassel der Frauen in dem kleinen Friseur drückt mir nur stärker auf die Ohren. Das helle Licht von der Decke blendet mich. Meine Augen schmerzen vor Übermüdung. Obwohl ich beim Abwaschen fast liege, schlafe ich nicht ein. Die Schlaflosigkeit hält an.

Ich stelle mir vor, wie sie mich jetzt sieht und was sie gerade macht, ganz bis in jede Einzelheit. Sie sitzt auf ihrem Sofa hat die Füße hochlegt, keine Socken an, eine Decke über den Beinen. Die Hunde liegen dösend auf den Fliesen. Sie hat ihr Tablet auf dem Schoß. Ein paar warme Sonnenstrahlen fallen durch große Fenstertüren hinein. Die Vorstellung erscheint in dieser Situation derart schön, das die Traurigkeit mich schüttelt. Wie kann ich jetzt nur an so etwas denken?

Die erdrückende Lautstärke im Laden betäubt mich immer weiter und macht das Denken schwer. Ich schreibe langsamer. In meinen Ohren rauscht es.
Doch dann kommt der Frust, die ganzen Gefühle von heute Nacht mit aller Macht zurück und reißen mich nochmal hoch an die Oberfläche. Der Schmerz lässt mich klar sehen, als ich merke wie aussichtslos meine Situation ist. Es quält so sehr sie nicht mit meine Herrin anreden zu können.
Es lässt alles an diesem Gespräch sonderbar wirken, als wäre unsere Verbindung Vergangenheit.

Mein Ausdruck wird immer verworrener. Ich merke es selber, aber es ist mir gleich.
Ich ziehe in Erwägung mich zu betrinken. Ich will davor fliehen. Zu viel der Hölle, zu viel Schmerz. Wie ich mit allem was ich sage auf sie wirke, ist mir längst nicht mehr bewusst.

Wir schreiben immer weiter hin und her, so lange bis ich keine Worte mehr habe.

Die Friseusen merken leider irgendwann doch, das es mir nicht gut geht. Maske hin oder her.
Ich will nicht vor diesen Tanten hier zusammenbrechen, keinesfalls.
Meine Beherrschung ist allerdings nur noch dünn. Und als mich dann eine auf meine Halskette anspricht, verliere ich die Fassung. Bei dem geschäftigen Betrieb bemerkt es zum Glück nicht jeder.
Die dicke Ältere, welche mir eben die Haare geschnitten hat und ihre stark geschminkte jüngere Kollegin scharen sich um mich und versuchen etwas aus mir rausbekommen. Ich antworte fahrig und ausweichend, das alles in Ordnung sei. Sie bedrängen mich nahezu.
Und dann denkt die dämliche Kuh auch noch, ich wäre unzufrieden mit meiner Frisur und würde deswegen die Krise kriegen. Es ist nur noch unangenehm und ich habe keine Kraft mehr sie energisch abzublocken. Es dauerte eine Weile bis ich da weg kam.

Das Gespräch verstummt langsam. Sie schenkt mir eine Ausrede keine weiteren Worte finden zu müssen.

Vor mir ist ein Lkw, der mich ausbremst. Zurück zuhause gehe ich meinem Vater aus dem Weg. Ich bin nicht in der Verfassung ein Wortgefecht auszutragen. Und das ich nicht geschlafen habe, kann jetzt auch ein Blinder sehen.

Es war nur noch ein leises Winseln, als ich ihr schließlich antworte.

Da ist ihre Antwort, die einzige, die es mir erlaubt zu schlafen. Mein Hund.

Ich reagiere zurückhaltend, aber bin in Wahrheit sehr erleichtert, als ich diese Worte lese. Und dann untertreibe ich wieder.

Ich habe Probleme zu kauen. Die Müdigkeit nimmt die Spannung und meine Augenlider werden bleischwer.
Ich habe mir gerade noch die Schuhe von den Füßen gerissen, dann liege ich wie hingeworfen auf dem Fußboden in der Ecke meines Zimmers. Meine Kraft ist restlos verschwunden, vollkommen erschöpft. Ich vermisse dich, so sehr, meine Herrin. Mehr als das.
Die Nachbarn lärmen. Es stört zerrend an meinen Nerven. Ich will aufgeben, endlich loslassen und die Augen schließen.
Ich ziehe die Kopfhörer auf und dämmere weg. Das Gespräch verläuft sich in meinem Traum.


© D.M.


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