Noch nicht

Und wieder, wie schon so oft, sehe ich dich dort am Fuße des alten Leuchtturms stehen. Sanft streichelt der Abendwind dein dunkles Haar.
Das blaue Sommerkleid, meine Güte, wie sehr ich es an dir mag, lässt deine makellose Figur erkennen.
Du hast deine Schuhe ausgezogen. Lässig baumeln sie in deiner linken Hand. Mit nackten Füßen malst du Herzen in den Sand um sie kurz darauf wieder zu verwischen.
Diese Sehnsucht in deinen Augen. Und wie du suchend auf das Meer hinaus schaust.
Wartet doch Ungeduld und Angst auf diesen einen Augenblick. Auf jenen Moment, der sich in Erfüllung und Furcht ergießt.
Warum nur? Warum muss es immer wieder dazu kommen? Doch schon wieder stehst du da und wartest. Wartest auf mich, der genauso wie du jedes Mal hierher kommt. An diesen Ort, den niemand kennt, den niemand kennen darf, außer uns zwei.
Ich warte. Heimlich genieße ich deinen Anblick, der in diesem Moment nur mir gehört. Nur mir, niemandem sonst.
Du hast mich nicht bemerkt. - Noch nicht.

In mir wächst die Lust. Lust, dich zu spüren, zu fühlen, zu atmen.
Ich mache ein paar Schritte in deine Richtung. Ich gehe langsam. Dein Bild soll mir noch eine Weile erhalten bleiben.
Gleich, - gleich bin ich bei dir.
Du lächelst, hast mich kommen hören, drehst dich aber nicht nach mir um. Noch nicht.

Jetzt bin ich dir nah, ganz nah.
Dein Duft raubt mir den Verstand.
Ganz sanft, berühren meine Finger dein Kleid, welches vom seichten Wind getragen, an einigen Stellen nicht einmal deinen Körper berührt.
Du spürst es, du willst es, aber ich gebe es dir nicht. - Noch nicht.

Ich bin aufgeregt, wie immer wenn wir uns hier treffen. Ist es die Freude auf das was uns hierher treibt, oder die Gewissheit, dass wir etwas Verbotenes tun? In diesem Moment ist es egal.

Das Herz rast, mein Atem stellt einen Rekord auf. Ganz zaghaft teile ich die Haare, die deinen Hals bedecken, um für einen ersten, zarten Kuss Platz zu machen. Noch immer drehst du dich nicht um. Dein Kopf fällt leicht nach hinten. Meine Arme halten dich jetzt fester, ja sie umklammern dich beinahe. Jetzt bleibt dir meine Erregung nicht länger verborgen. Dein Körper presst sich an mich.

Und immer wieder dieser Duft. Ich kann nicht, ich will nicht davon lassen. Und ich atme keine Luft mehr, ich atme nur noch dich, dich, dich.

Meine Hände fühlen deinen flachen Bauch und du gibst die Richtung vor.
Das Kleid zeigt Konturen der Erregung. Die Hände folgen mir nicht mehr, sie folgen nur noch dem Gefühl. Deine Brust, so weich und doch so fest. Meine Hände gleiten über die Schultern, wandern den Rücken hinunter und heben verlangend das Kleid über die Hüften. Jetzt, wo sie nur noch Haut spüren, gehen sie auf Endeckungsreise. Eine Reise die ihnen sehr vertraut ist, und doch immer wieder darauf bedacht, etwas Neues zu entdecken.
Ein leises Seufzen. Endlich gibst du deiner Lust nach und du drehst dich nach mir um. Die Schuhe fallen in den Sand und deine Zunge schmeckt nach verbotener Leidenschaft. Wir wissen es längst. Wissen, dass es uns nicht erlaubt ist und doch haben unsere Hände lange aufgehört zu suchen. Sie wollen nur noch finden, geben, nehmen, fühlen.
Lautlos fällt dein Kleid in den Sand.
Dieses Kleid, das meine Sehnsucht gestaltet, das mich willenlos macht. Jetzt ist der Moment gekommen, da ich es nicht mehr an dir sehen will, jetzt will ich dich, es muss weg, weg, weg!
Es geht uns nicht schnell genug. Dein Atem erhebt sich zu einem lustvollen Wimmern. Deine Hände haben längst gefunden was sie suchten und führen einen Machtkampf zwischen Lust und Zurückhaltung.
Benommen fallen wir in den Sand. Du lächelst. Es ist dieses lust- beherrschende Lächeln, welches mich zu deinem Spielball macht. Ein Spielball, mit dem du alles, aber auch wirklich alles anstellen kannst.
Meine Zunge sucht deinen Nacken, deine wohlgeformte Brust, deinen Bauchnabel. Hilflos lässt du es geschehen wie dein Slip Stück für Stück über dein Becken rutscht, immer weiter, ganz zaghaft, ganz langsam, doch du willst jetzt nicht mehr länger warten. Ich will nicht mehr warten und doch zögern wir es hinaus.
Es soll nicht vorbei sein. - Noch nicht.

Meine Zunge findet das wonach sie sich sehnt. Dieser salzig, feuchte Geschmack auf glatt rasierter Haut. Ich will mehr, noch mehr von dir, will alles, will dich am Limit.
Deine Welt, - nicht mehr im Jetzt. Wirbelnde Strudel aus endlosen Farben und ein zitternder Körper der sich in der Unendlichkeit des Seins entlädt.

Glück zeichnet dein Gesicht. Zärtlich streichelt deine Hand über meine Wangen. Ich halte sie fest, sehe dich an und küsse dich zärtlich auf den Mund. Wieder schlagen die Wogen der Lust höher und höher. Du richtest dich auf, ich spüre den Sand unter meinem Rücken und dann sind wir Eins. Die gleichmäßigen Bewegungen deines Schoßes im Gleichklang mit der Brandung, lassen uns noch einmal den Gipfel der Lust erleben. Schweißnass und glücklich liegst du in meinen Armen. Und ich verzehre mich nach deinem Duft. Du machst mich süchtig.
Ich will dich halten, ganz fest halten, doch plötzlich wird mir dein Kleid, dieses blaue, kurze Sommerkleid, zum Feind. Du lächelst nur, löst dich aus meiner Umklammerung und hebst es auf. Du streifst es über und es grinst mich an, als wüsste es, dass es nun wieder einmal vorbei ist

Dann stehst du vor mir. Deine Augen weinen Abschied. Bis zum nächsten Mal, wenn uns unsere Gier erneut hierher zwingt.
Und nun gehst du zurück in eine gewohnt vergilbte, langweilige Geborgenheit. Mit staubbedeckter Seele sehe ich dir nach, verfolge mit den Augen deine Spuren die als letzter Rest von dir übrig bleiben.
Du hast sie nicht mehr angezogen, deine Schuhe. Lässig baumeln sie wieder in der linken Hand. Ich frage mich, ob es Liebe ist. Doch wir waren viel zu erregt, als dass wir von Liebe hätten sprechen können.
Liebe?
Wir werden sie nicht zulassen – noch nicht.


Detlev Zesny, im Juli 2010
(Trollbär Lyrik Wabern)


© Detlev Zesny


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Kommentare zu "Noch nicht"

Re: Noch nicht

Autor: [email protected]   Datum: 12.07.2019 15:14 Uhr

Kommentar: wirlich sehr schön verbliebenes ist oft zu dicht der wahrheit schönster Tarum schön ok wirklich sehr viel gefühle aufeinmal

Re: Noch nicht

Autor: Trollmops   Datum: 12.07.2019 15:20 Uhr

Kommentar: Vielen Dank dafür

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