Egal wie schön ein Lächeln zu sein scheint, es kann sich darunter immer Trauer verbergen. Traue deshalb niemals dem, was du siehst. Zweifle immer am äußeren. Und glaube niemals dem ersten Eindruck. Versuche immer einen Menschen besser kennen zu lernen.

Er war nur ein alter Mann. Jeden Tag saß er auf dieser alten Bank. Menschen blickten ihn komisch an. Doch entweder nahm er es nicht richtig wahr oder es war ihm einfach egal. Und immer wenn er dort saß, lächelte er. Es war ein schönes lächeln. Egal wie komisch er zu sein schien, sein Lächeln erwärmte jedem das Herz.

Wie jeden Tag saß er dort. Er tat nichts. Naja so sah es aus. Aber der äußere Schein trügt. Denn obwohl er ruhig da saß und nichts besonderes tat, kämpfte er mit sich selbst. Es war nicht nur ein Kampf. Es war schlimmer. Es war eine Schlacht, ein Krieg. Noch viel stärker als ein Konflikt. Jeden Tag geht das so. Alle menschen, die ihn merkwürdig ansahen, hatten keine Ahnung, wie es in ihm aussah. Sie wussten, nicht, wie schwer es ihm fiel jeden Tag die Augen zu öffnen. Wie schwer es ihm fiel dort zu sitzen und zu lächeln. Wie schwer es ihm fiel zu atmen. Jeder Atemzug tat weh. Doch eines wusste er. Je öfter er atmet, je öfter er Schmerz spürt, desto schneller wird alles zu Ende sein. Desto schneller wird er den letzten Atemzug nehmen und desto schneller wird er die Augen zum letzten Mal schließen. Dann wird alles vorbei sein.
Schon oft hat er darüber nachgedacht diesen letzen Atemzug zu beschleunigen. Gerade in dieser Schwierigen Zeit in der Vergangenheit. Schon oft hat er darüber nachgedacht, das Leben früher zu beenden. Doch niemals konnte er es. Nicht aus Liebe zu sich selbst. Diese Liebe hat er schon vor langer Zeit verloren. Er tat es nicht, aus Liebe zu seiner rau und seinem Sohn. Das sind die einzigen Schätze im Leben dieses Mannes. Beim Gedanken an seine Frau, musste er schlucken. Die Frau, die er liebte, die er beschützen wollte, lag Todkrank im Bett. Und was tat sein Sohn? Der Sohn, der immer ein großes Herz hatte, der immer für seine Eltern da war, fiel in ein tiefes schwarzes Loch, als seine Mutter krank wurde. Er trank. Schon oft musste er aus der Notaufnahme abgeholt werden.
Viele Passanten liefen an ihm vorbei. Sie beachteten ihn nicht. Und wenn sie es taten, dann blickten sie ihn komisch an oder Ignorierten ihn. Sie hatten keine Ahnung, was in ihm Vor sich ging. Niemand setzte sich jemals neben ihn. Warum sollte jemand auch? Doch heute war es anders….
Ein Junge, etwa 25, setzte sich neben den Mann. Dieser war verwirrt, freute sich aber auch. Leicht neigte er seinen Kopf zur Seite und merkte, wie der Junge ihn musterte. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen, weil er ihn sehr an sich selbst erinnerte. Die selben markanten Gesichtszüge, dasselbe Haar sogar dasselbe Grübchen. Lange saßen sie so schweigend da. Keiner bewegt sich, keiner sagte etwas. Beide schienen die Leute um sich herum, die in Eile, entspannt oder gehetzt vorbeigingen. Beide schienen alle Geräusche um sich herum Auszublenden. Alles was sie hörten, war das gleichmäßige Atmen des jeweils anderen.
Der Junge öffnete seinen Mund und stellte sich vor:“Hallo, ich bin Lukas. Ähm… Also ich sehe sie so oft hier sitzen. Immer lächelnd. Aber irgendwie sehen sie dennoch traurig aus. Ich also…Ich wollte fragen, ob alles in Ordnung ist?“
Der alte mann musste lachen. Es war ein angenehmes aber raues Lachen. Er wusste nicht, wann er das letzte Mal so herzlich gelacht hatte. Der Junge war sehr verwirrt. Sein hellbraunes Haar hing ihm ins Gesicht und bedeckte seine haselnussbraunen Augenetwas. Mit einer schnellen Handbewegung hatte er dies geändert. Auch sein verwirrter Gesichtsausdruck verschwand, als der Mann zu erzählen begann: „Weißt du, schon seit langer Zeit komme ich hierher. Ich sitze hier und beobachte die Passanten, die vorbeigehen. Siehst du die Frau in der roten Jacke dort drüben? Sie kommt hier jeden Freitag vorbei. Furchtbar gestresst, die Arme. Und ja du hast recht. Mein Lächeln zeigt überhaupt nicht wie es mir geht. Aber ach wie unhöflich, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt und deine Frage noch gar nicht beantwortet. Ich bin Helmut Schwarz, erster Offizier aus dem zweiten Weltkrieg. Und nein nichts ist in Ordnung. Und nichts wird jemals wieder in Ordnung sein.
Doch wenn du die Geschichte hören willst, musst du viel Zeit haben, denn die Geschichte ist lang und schrecklich.“ Lukas nickte und merkte wie sehr der Mann danach brannte zu erzählen, was ihm womöglich schon seit Jahren auf der Seele lag. Ihm vielleicht sogar die Seele zerstört und vernichtet hat.
„Es war das Jahr 1939. Der erste September. Der Beginn des Krieges. Das Volk war teilweise voller Kriegeslust oder wollte den Krieg schon beenden. Leider muss ich sagen, dass ich voller Tatendrang war. Ich war 20 Jahre alt und doch sehr geschickt, sodass ich zum ersten Offizier ernannt wurde. Und diesen Posten verteidigte ich mit jeder Faser meines Körpers. Wir haben gekämpft, haben Familien zerrissen und Menschenleben zerstört. Zu viele um eine genaue Zahl zu nennen. Es sind so unfassbar viele Tränen geflossen. Furchtbar. 2 Jahre später. Wir hatten schon viele Gebiete erobert und Hitler war sehr mächtig. Niemand hätte ihn stürzen können. Der Krieg war schlimm. Viele meiner besten Freunde starben vor meinen eigenen Augen, entweder wurden sie getötet oder sie haben sich selbst umgebracht. Ich selbst habe oft daran gedacht diesen Schritt zu gehen. Doch eine Sache hielt mich auf. Oder besser gesagt eine Person. Meine Frau. Ich liebte sie und diese Liebe wird nie erlöschen. Zu wissen, dass sie zuhause auf mich wartet mit einem Kind im Bauch, brachte mich durch jede Schlacht. Der Gedanke an sie und meinen Sohn sorgte dafür, dass ich überlebte.
Doch selbst wenn keine sichtbaren Schäden zu sehen sind, heißt es nicht, dass sie nicht da sind. Mit jedem Kind, dass ich tötete, zerstörte ich einen Teil meiner Seele. Einen Teil von mir selbst. All die Mütter, die schrieen ich solle sie töten und ihre Kinder verschonen. All diese Schreie…
JUNGE SIEHST DU DIESE HÄNDE? DIESE HÄNDE GEHÖREN EINEM MÖRDER. DIESE HÄNDE HABEN LEBEN GENOMMEN!!!“
Zum Ende hin, wurde er immer lauter. Er schrie das aus, was er schon immer sagen wollte.
Lukas betrachtete die Hände des Mannes genauer. Sie waren von Narben übersät. Der Mann schien seine Gedanken lesen zu können, denn mit ruhiger Stimme fuhr er fort: „Glaubst du ich habe nicht versucht mir das Leben zu nehmen? Ich habe schlimmeres getan. Ich habe versucht mich zu verstümmeln. Mir selbst Teile meines Körpers zu nehmen. Erfolglos…
Und dann kam der Tag an dem mein wohlgehütestes Geheimnis aufgedeckt wurde. Meine Frau, die sich versteck hielt, wurde gefunden. Sie war Jüdin. Genau. Der Stärkste Offizier hatte sein Herz einer Jüdin geschenkt. Doch ich bereute es nicht, denn ich liebte sie. Und auch mein Sohn wurde fortgebracht. Ich sah ihn nie wieder. Bis heute weiß ich nicht, wo er ist. Vielleicht ist er auch schon tot. Bald würde er seine 26 Geburtstag feiern. Doch viel schlimmer als meine Strafe, war die meiner Frau. Sie wurde in ein KZ Lager gebracht. Nur durch ein Wunder überlebte sie 3 jähre dort. Und ich, ich wurde gefoltert. Sie dachten, ich schrie wegen dem Schmerz. Dich sie irrten sich. Ich schrie, weil ich an meine Frau und mein Kind denken musste. Ich schrie wegen ihren Schmerzen. Miene eigenen spürte ich nicht mehr. Nicht nach dem Krieg. Und dann kam der Tag der Erlösung. An diesen erinnere ich mich nicht mehr…
2 Tage lang wurde ich behandelt. Und danach versuchte ich meine Frau zu finden. Ich konnte mich nur sehr schwach an die vergangenen Jahre erinnern. Alles an das ich zurückdenken konnte, war der Schmerz und das Lächeln meiner Liebe…
Und nach Monaten sah ich sie wieder. Trotz aller Narben, war sie wunderschön. Ich küsste sie, wie nie zuvor. Doch als sie mich nach unserem Kind fragte, verschwand alle Freude mit einem Mal. Obwohl keiner daran glaubte hatten wir Hoffnung gehabt. Er war mit Sicherheit tot. Wir versuchten weiterzuleben. Wir bekamen sogar noch einen Sohn. Doch die Errinerungen und Narben blieben.
Selbst jetzt ist es nicht besser. Nach all den Jahren nicht. Vor einigen Monaten wurde meine Frau schwer krank und mein Sohn wurde alkoholsüchtig. Mein ganzes Leben wurde auf den Kopf gestellt. Ich komme hierher um mich von allem etwas zu befreien. Einfach um meinen Kopf etwas frei zu kriegen. Doch das Funktioniert nicht so besonders gut. Wenn ich hier sitze, kämpfe ich mit mir selbst. 2 Seiten, die sich bekriegen. Doch nicht die Seiten gut und böse. Sondern leben und tot. Ich überlege jeden Tag mir mein Leben zu nehmen. So wie ich es schon vor Jahren oft tat.“
Er schluckte und eine einzelne Träne rollte über seine Wange. Lukas konnte nicht tun. Wie konnte einem solch netten Mann nur etwas so schlimmes widerfahren? Er sah so nett aus, er war so gutherzig,… und irgendwie erinnerte er ihn etwas an sich selbst.
Er wollte sich entschuldigen, doch er wusste nicht wofür. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte einfach keine Worte. Deswegen tat er etwas anderes. Etwas das der alte Mann brauchte. Er umarmte ihn. Es war eine schöne und angenehme Umarmung. Eine Umarmung, die bei beiden Gänsehaut auslöste. Sie kam dem alten Mann so bekannt vor.
Und noch während dieser Umarmung, während dieser Atemzüge, schloss die Frau des Mannes zum letzten Mal die Augen. Sie nahm ihren letzten Atemzug und verabschiedete sich von der Welt mit einem Lächeln.
Und wie vom Blitz getroffen löste sich der Mann von Lukas, denn nun wusste er warum ihm der Junge so bekannt vorkam, warum die Art wie er sprach ihn zum schmunzeln brachte und warum diese Umarmung so bekannt und schön war. „Wie heißen deine Eltern?“, fragte er ihn, darum bemüht ruhig zu bleiben. „Ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen.“, war die Antwort. Der Mann fühlte sich in seiner Vermutung sicher und stellte deshalb eine weitere Frage: „Wann ist dein Geburtstag?“ Etwas verwirrt Antwortete Lukas: „Ich werde in 2 Tagen 26.“
Und auch Lukas schien mit einem mal alles zu verstehen…
Sie blickten sich an. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Und mit einem Mal umarmten sie sich wieder. Doch diesmal nicht als Fremde, sondern als Vater und Sohn, die sich wiedergefunden haben.
Und auch wenn das Jahr 1966 einige Verluste für beide Männer mit sich brachte, wie der Tod von Frau oder Mutter. So brachte es auch einen Gewinn mit sich, wie die Wiedervereinigung von Vater und Sohn.
Und obwohl der Frau lange hinterher getrauert wurde, so wurde auch das miteinander sein gefeiert. Und mit viel Hilfe und Geduld, schaffte es auch der jüngere Bruder seine Sucht loszuwerden.
Trotz all der Trauer, schien alles doch gut Auszugehen, denn jeder muss lernen mit Verlust Umzugehen. Genauso muss jeder lernen sein Glück zu genießen. Und genau das schafften Vater und Sohn zum Schluss.



Schreibt mir doch bitte, wie ihr die Geschichte gefunden habt :)


© sweeties story


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Beschreibung des Autors zu "Trauer ist schlimm. Doch manchmal kann auch Glück schlimm sein..."

Er war nur ein alter Mann. Jeden tag saß er auf einer alten Bank. Glück kannte er kaum, doch ein Junge zeigte es ihm. Er zeigte ihm, dass man die Vergangenheit vergessen sollte. Und er zeigte ihm nach vorne zu blicken. Aber zu Schuss wird alles anders als erwartet. Nicht nur, dass beide mit einem Verlust leben müssen, sie verändern das Leben des anderen komplett.




Kommentare zu "Trauer ist schlimm. Doch manchmal kann auch Glück schlimm sein..."

Re: Trauer ist schlimm. Doch manchmal kann auch Glück schlimm sein...

Autor: possum   Datum: 10.12.2018 5:36 Uhr

Kommentar: Ein berührendes Werk, liebe Grüße!

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