Gestern bin ich etwas früher ins Bett gegangen, ich weiß auch nicht, ich konnte so wunderbar einschlafen wie schon lange nicht mehr. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern auch nur einmal gedacht zu haben Ich muss jetzt schlafen. Nein, daran kann ich mich wirklich nicht erinnern. Das erscheint mir selbst jetzt, im trüben Tageslicht, suspekt. Also von vorn:

Ich ging mit diesem Mark tatsächlich noch ins Wunderbar, oder in die wunder Bar, oder eben Wunder Bar, ich weiß es auch nicht mehr so recht. Ich erinnere mich aber noch, wie ich diesen Mark fragte: „Geschehen hier wahre Wunder, oder wie soll man das verstehen?“. Wie er darauf reagierte brauche ich eigentlich gar nicht mehr zu sagen.. Er lachte natürlich. Natürlich.. und ich rollte die Augen, natürlich. Da saßen wir nun also, in diesem für diese Tageszeit viel zu dunklen, Café und.. Moment, eigentlich saßen wir ja in einer Bar, wenn man dem Namen denn nun trauen durfte. Und genau so verwirrend wie der Name des Lokals war auch die Atmosphäre. Es war nicht nur abgedunkelt sondern es roch auch merkwürdig, nach Bierleitungen und kalter Asche, dabei herrschte auch hier absolutes Rauchverbot, sonst hätte die Lokalität als Künstlertreff durchgehen können, aber so tat es das nicht. Die versprochene Ausstellung bestand aus einigen, für meinen Geschmack viel zu chaotische, Anordnung weniger Bilder an der Wand. Alles schrie förmlich nach gewollt, aber nicht gekonnt und ich hätte am liebsten mit geschrien, denn hier befand ich mich nun mit diesem Herrn Mark, den ich genauso gut kannte, wie ich ihn ansprach.

„Kommen Sie öfters her?“, hörte ich mich fragen.
„Nein, eigentlich nicht.“, und dabei lächelte er und hob die Hand nach der Bedienung.
Das war er also, der Anfang einer wundervollen Konversation, nicht. Ich begann mich zu fragen, was ich dort überhaupt zu suchen hatte. Nein, im Ernst, das fragte ich mich wirklich und weiter, was ich mir denn erhofft hatte, wieso sprang ich überhaupt so leicht auf eine lockere Einladung an? Obwohl, vielleicht war es auch keine Einladung, aber alles war so schnell gegangen, dass ich mich plötzlich fragte, ob ich wohl einen Teil der vorherigen Konversation nicht ganz mitbekommen hatte. Doch, so etwas passte zu mir, vielleicht hatte er ja beiläufig etwas von einem Job gesagt, oder von.. einem Angebot, dass ich nicht hätte abschlagen können? Nein, ich dachte scharf nach, was er überhaupt gesagt oder getan hatte, das mich dazu in die Lage versetzte, ja zu diesem Abstecher hier zu sagen. Meine Augen hatten sich an einem dieser kleinen, fast schon unheimlichen, Bildern festgehangen und irgendwann bemerkte ich, dass ich anfing, mit den Zähnen zu knirschen. Oje, ich war total in Gedanken versunken, und das bemerkte unser kluger Herr Mark natürlich auch schon seit einer Weile. Breit grinsend saß er da, leicht breitbeinig und mit ineinander verschlungenen Armen. Ich schreckte für einen Moment auf und versuchte mich dann unglaublich cool zu geben. Ja, schön lässig fing ich an, Zucker in meinen Cappuccino zu geben, den ich jetzt erst vor mir auf den Tisch bemerkte. Ich schien doch ein wenig länger abwesend gewesen zu sein und er schien für mich bestellt zu haben, sagte aber nichts. Er saß da und grinste schief, ob er wohl wusste, dass er schief grinste? Ganz schön unheimlich.

Da, plötzlich passierte es! Er sagte was! „Du hast da was auf deinem Tuch.“, und deutete mit seinem Zeigerfinger auf meine rechte Brust, darüber mein fliederfarbener Schal der nun kleine, braune Sprenkel aufwies. „Danke.“, entgegnete ich ihm höflich. Später würde ich den gesamten Schal mit lila Punkten übersehen und es würde toll aussehen, doch das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Stattdessen verharrte ich in meinem Stuhl und dachte gar nicht daran, irgendetwas zu sagen. Ich dachte, ihm würde es im Nachhinein auch blöd vorgekommen sein, diesen Sitzwechsel überhaupt vorgeschlagen zu haben, sehr wahrscheinlich bereute er bereits. Da kam wieder eine plötzliche Bewegung von gegenüber: „Sind sie häufiger hier?“. Wie bitte? Der wollte mich doch total verkohlen. „Nein. Zum ersten Mal gerade.“, antwortete ich gezwungen knapp. „Dann können Sie mir wohl auch nicht verraten, ob es hier normalerweise anders zugeht?“.
„Nein, das kann ich nicht. Aber wieso fragen Sie? Und wieso..“, ah, ich brabbelte wieder und nun musste ich den Satz auch schon zu Ende führen: „..wollten Sie hier her?“, fragte ich fast schon schüchtern.

„Freunde sagten, ich sollte hier mal einen Blick rein werfen, und das habe ich hiermit auch getan.“

„Wir“, korrigierte ich ihn, „Wir haben das hiermit getan.“, und diesmal lachte ich ihn an.
Von nun an lief das Gespräch wie am Schnürchen und er entpuppte sich im Laufe des Kaffees als charmanter, gebildeter und witziger Kerl mit einem mittelleichten Hang zur Nervensäge.
Nach dem Kaffee machte ich mich allerdings etwas abrupt auf den Weg. Ich nahm den Besuch des Geschäftsführers an unserem Tisch zum Anlass, höflich die Biege zu machen, noch bevor ich genau verstehen konnte, wieso Herr Mark und Herr Geschäftsführer nun überhaupt ins Gespräch kamen und woher sie sich überhaupt kannten. Herr Mark schien auch nicht erfreut, als er bemerkte dass ich im Handumdrehen meine Jacke übergezogen und meine Tasche gepackt hatte. Das wiederum erfreute mich, und ich wollte auch nicht weiter zu ergründen versuchen, wieso ich an diesem Nachmittag mit diesem Herrn in dieser.. Bar gelandet war. So entschied ich, einen Abgang zu machen und mit den zwei Euro, die ich auf dem Tisch hinterlegt hatte, was ich niemandem, auch nicht mir selbst, irgendetwas schuldig.
„Frau Jessica, ich kann nur hoffen, dass wir uns wieder sehen. Entschuldigen Sie bitte..“.
„Schon in Ordnung, ich habe wirklich noch etwas Dringendes zu erledigen. Ich bedanke mich sehr, für das nette Gespräch, Herr Mark. Es war zwischenzeitlich sehr.. amüsant mit Ihnen.“.

Ich ging, ohne mich umzudrehen. Draußen an der frischen Luft, ok eigentlich erst nachdem ich um die Ecke gebogen war, zündete ich mir eine Zigarette an während ich bemerkte, dass meine Haare viel von diesem wunderbaren Geruch aufgesogen hatten, „Wie `ne leere Kneipe früh am Morgen“, hörte ich mich flüstern. Bis zu Hause hatte ich es nicht weit, das war ein weiterer Grund für mein schnelles Verschwinden. Ich hätte Herrn Mark ja schlecht bis ans andere Ende der Stadt führen können, hätte er mich noch ein Stück begleiten wollen. Ich kannte ihn ja nicht einmal, da sollte er nicht wissen, wo ich wohne. Ganz schön altmodisch dieser Gedanke, als ob er dann irgendwas anrichten könnte. Naja, streng genommen könnte er ja, denn er wüsste dann wo ich wohne. Den kurzen Heimweg über dachte ich über alle Möglichkeiten nach, die ein Kerl hätte, wenn er wüsste, wo ich wohnte. Als er zu gruselig wurde beschloss ich, in meinem Kopf die Platte zu wechseln und vielleicht mal über was anderes nachzudenken als Stalker, Massenmörder und Kättensägen-Joe`s.

Zu Hause angekommen versuchte ich, nicht über die bizarre Begegnung mit Herrn Mark nachzudenken. „Den sehe ich eh nie wieder“, vermutete ich laut, während ich mich auszog um schnell unter die Dusche zu hüpfen um meine Haare von dem penetranten Geruch zu befreien. Danach machte ich mich viel zu früh bettfertig denn der Abend kam schnell und ehe ich mich versah, hatte ich ein „neues“ Tuch, auf das ich mich freuen konnte: Flieder mit lila Punkten über kleinen Kaffeeflecken.


© SofiaPierrot


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Beschreibung des Autors zu "Flieder lila gepunktet"

Teil 2 meiner "Königsblau-Reihe"

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