Ich betrete eine Taverne die fast schon überfüllt ist. Gezielt gehe ich durch die Menge, ohne dass ich auch nur eine Person berühre, bis ich den Tisch in der Ecke erreicht habe. Ohne den dort sitzenden Mann zu grüßen, setzte ich mich ihm gegenüber. Er trägt einen rostbraunen Umhang, der schon etwas mitgenommen ausschaut. Er legt mit zitternder Hand einen Brief auf den Tisch und hält ihn fest. Er zögert und scheint mit sich zu hadern. Ich schaue mich nicht um und nehme nur den Lärm der Leute wahr. Keiner scheint sich auch nur im Geringsten für uns zu interessieren.
„Dies, noch heute Nacht!“, sagt er mit leiser und dennoch ernster Stimme und schiebt den Brief zu mir herüber.
Er ist mit blut rotem Wachs versiegelt. Eine grüne Schnur ist zusätzlich eingebrannt und das Siegel ist eine schlichte Darstellung zweier gekreuzter Messer.
Ohne den Brief zu öffnen nicke ich, stecke ihn ein und verschwinde wieder aus der Taverne. Mir rempelt ein Angetrunkener an, schaut mich erschreckt an und entschuldigt sich rasch. Ohne mich aus dem Auge zu lassen, verschwindet er in der grölenden Masse.
Ich verlasse diesen überfüllten Raum und hole, kaum bin ich draußen angekommen, tief Luft.
Die Sterne funkeln und mein Pferd wartet schon schnaubend auf mich.
„Ganz ruhig alter Junge.“
Ich strich meinem Araber über die Stirn und gab ihm einen sanften Klaps auf seinen Hals.
„Komm Asra, wir haben einen neuen Auftrag.“
Kaum saß ich auf, lief Asra schon los, als wüsste er wohin die Reise geht.
Wir verließen die kleine Stadt Richtung Norden und kaum waren die Lichter hinter mir nur noch wage zu erkennen, nahm ich meine Kapuze ab. Mit einem leisen rascheln rutschte sie mir ins Genick.
Die Nacht ist so klar und der Mond so hell, dass es sicher kein Problem sein dürfte, den Auftrag gleich zu lesen. Ich zog das steife Stück Papier aus meiner Tasche und brach das Siegel. Wie immer in sauberer Handschrift: ein Ort und ein Name. Dazu eine kleine Skizze der Person. Nicht mehr und nicht weniger.
„Asra! Eine Frau!“, sagte ich leicht geschockt. „Seit wann gibt mir unser Gebieter den Auftrag, Frauen zu töten?“
Als hätte er mich verstanden, schnaubte er.
„Auftrag ist Auftrag!“, sprach ich vor mich hin und gab Asra die Sporen. Ohne Mühe wurde er schneller und ich gab ihm die Richtung vor.
Im Morgengrauen kamen wir an. In der nähe der Stadt suchte ich Unterschlupf in einer Scheune. Spät am Nachmittag wurde ich wach und lief ohne Asra in die Stadt.
Ich kann ihn nicht brauchen, wenn ich nach meinem Opfer suche.
Die Gassen waren schmal und wanden sich vom Fluss bis zur Kirche. Ich ging über den kleinen Marktplatz mit dem Brunnen, der von einer Heerschar an Engeln bewacht wird.
In einer dunklen Ecke setzte ich mich auf Kisten und beobachtete die Menschen die achtlos an mir vorbei liefen. Die Ladenbesitzer räumten schon ihre Waren ein und drei Kinder spielten Haschen um den Brunnen.
„Katharina! Katharina! Hilf mir!“, schrie das kleine Mädchen, welches von zwei Buben gejagt wurde. Sie rannte in meine Richtung und sprang direkt neben mir jemanden an.
Eine junge Dame kam aus der Gasse neben mir, fing das Mädchen lachend auf und wirbelte es herum. Die Füße der Kleinen stießen mich an und die zarte Stimme, die gerade noch lachte sprach ein eiliges: „Entschuldigen sie werter Herr!“
Sie setzte das Mädchen ab und wollte gerade mit ihrer Hand den Staub von meiner Schulter streichen.
Ohne darüber nachzudenken, ergriff ich ihr Handgelenk. Sie wurde starr vor Schreck und schien mit dem Atmen aufzuhören.
In der Pfütze vor mir sah ich ihr Bild. Sie sah so lieblich aus, dass ich mich nicht mehr bewegen wollte. Ein Bild so süß wie aus einem Traum. Ich spürte wie sie versuchte sich meinem Griff zu entwinden. Schlagartig ließ ich sie los und sie taumelte einen Schritt nach hinten und rieb sich das Handgelenk.
„Verzeihen sie.“, gab sie leise von sich, als möchte sie sich dafür Entschuldigen, dass ich sie festhielt.
Sie drehte sich um und nahm das Mädchen an die Hand.
„Komm mit Ottilie.“, gab sie dem staunenden Mädchen zu verstehen und zog sie hinter sich her. Wie sie am Brunnen vorbei läuft, sehe ich, wie sie einen kleinen, flachen Stein vom Rand nimmt, ihm einen Kuss gibt und in den Brunnen wirft.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihr hinterher. „Sie ist es!“, sagte ich mir selbst, fast lautlos.
Der Gedanke diese Schönheit zu ermorden raubte mir den Verstand. Auftrag war Auftrag, es musste sein.
Mit sicherem Abstand folgte ich ihr. Sie wohne nahe dem Fluss, so sollte es kein Problem geben, ihre Leiche verschwinden zu lassen.
Ich wartete auf die Dunkelheit und hoffte, sie würde nochmals nach Draußen gehen. Kaum war der Mond im schönsten Schein, so ging sie wirklich nochmals hinaus auf ihre kleine Terrasse. Ein leichtes!
Ich stand noch eine Weile hinter ihr auf dem Dach. Beobachtete sie, wie sie den Flusslauf anschaute und dabei ihr Haar kämmte. Sie legte den Kamm neben sich auf die Steinerne Barriere und drehte sich um. Mit geschlossenen Augen hob sie den Kopf und ich konnte ihr nun direkt ins Gesicht schauen. So schön.
Ich zog meinen Dolch ganz langsam und machte mich Sprungbereit. Ich zögerte, blickte kurz zum Mond, der sich hinter einer schwarzen Wolke verstecken wollte und sprang.
Sie öffnete die Augen und schaute mich voller Liebe an, dann brach sie in meinen Armen blutend zusammen.
„Halt mich! Bis die Nacht zu Ende geht!“, höre ich ihre schwache Stimme noch wimmern.
Und ich halte sie, bis zum Morgengraun.


© Timere Libertati


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Quid sit futurum cras, fuge quaerere.- Was Morgen sein wird, frage nicht.

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