Sie sah in den Spiegel und riss eine Grimasse. ?Bäh!? Na ja, die Maskenbildnerin hatte sich alle Mühe mit ihr gegeben und sie sah ganz hübsch aus.

Mittelgross, mittelschlank, mittelblond mit mittelbraunen Augen. Irgendwie gewöhnlich, dachte sie. Wie viele junge Frauen in dem Alter war sie nicht immer ganz zufrieden mit ihrer Optik. Vielleicht lag es ja an dieser Mittelmässigkeit, dass sie heute hier in dieser blöden Dating-Show und mit ihren fast dreissig Jahren immer noch Single war.

?So eine schwachsinnige Idee?, dachte sie. ?Wie komme ich bloss immer auf solche Dinge!? Aber jetzt war sie da und gleich würde jemand kommen und sie vor die Kamera bitte. Dann wären da hinter einer Wand drei junge Männer versteckt, denen sie doofe Fragen, die von der Redaktion vorbereitet worden waren, vorlesen würde. Irgendwie glaubte sie nicht so recht daran, dass man so seinen Traummann finden würde. Aber sie liess nichts unversucht, schliesslich wollte auch sie mal eine Familie gründen.

Nervös puderte sie sich zum vierten Mal die Nase, die schon längst nicht mehr glänzte. Dann war es endlich soweit, ihr Herz schlug wie wild.

Die Scheinwerfer schienen ihr mitten ins Gesicht, es war grell und sie hörte das Publikum klatschen. Dann kam auch schon der smarte Showmaster auf sie zu, nahm sie sachte am Ellenbogen und führte sie zu dem Barhocker, auf dem sie aufgeregt und mit ein wenig Anlauf, wegen dem kurzen Rock, Platz nahm.

Sie spürte die Schweisstropfen auf ihrer Stirn und hoffte, dass ihr nicht das ganze Make-up übers Gesicht laufen würde. Dann wurde ihr schlagartig bewusst, dass sie die Karte mit den Fragen für die drei Kandidaten in der Garderobe vergessen hatte. Einen kurzen Moment lang dachte sie, sie würde in Ohnmacht fallen. Aber es passierte gar nichts, ausser dass der blonde Beau sie überschwänglich begrüsste und sie bat, sich doch schnell vorzustellen.

?Saskia, erzähl uns doch bitte etwas über dich und wie dein Traummann aussehen soll?, flötete er und bewegte sich dabei wie eine Marionette, bei der man zu fest an den Fäden zieht.

Sie brachte erstmal keinen Ton über ihre Lippen, ihr Hals schien eingefroren zu sein, der Mund fühlte sich an wie nicht mehr da. Der TV Mann wurde schon ein wenig nervös uns sah sie streng von der Seite an, die Kamera kam jetzt noch näher heran und sie hoffte inständig, dass Zuhause an den Bildschirmen niemand sehen konnte, wie ihr das Puder in Tropfenform von der Stirne rann.
Plötzlich fasste sie sich ein Herz: ?Schwamm drüber, nur schnell weg hier!? Sie schluckte ihre Angst hinunter und stellte sich dem Publikum vor, als ob sie das schon tausendmal gemacht hätte.

Der Blonde lachte erleichtert und in den höchsten Tönen. Völlig übertrieben, dachte sie, richtig gespielt.

Gerade hörte sie sich sagen, dass ihr Traummann auf keinen Fall künstlich sein sollte, sondern ehrlich und natürlich. Nanu, das hätte sie sich nicht zugetraut. Langsam kam etwas Farbe auf ihre Wangen.

Der Showmaster wirkte konsterniert, machte aber profimässig weiter und bat sie, nun die Fragen vorzulesen.
?So, Saskia, jetzt darfst du deinen Fragen stellen!? wieder dieses breite Lachen mit diesen weissen Zähnen die sicher auch falsch waren.

Jetzt war sie auf sich selber angewiesen, die Fragen waren vorbereitet und die Antworten der Kandidaten natürlich auch. Was sollte sie machen?

?Also, Kandidat Nummer 1, ich habe hinten meine Karte mit den drei Fragen drauf liegen lassen, du siehst, ich bin leicht aus der Ruhe zu bringen, schusselig, unzuverlässig, nicht wirklich lustig und kein bisschen spontan, denn mir fällt überhaupt nichts ein was ich dich fragen könnte. Was machen wir denn jetzt??

Bevor der entsetzte Blondie etwas machen konnte hörte sie schon die übereifrige Stimme von Kandidat Nummer eins, die da pflichtbewusst von der Karte ablas, was die Mitarbeiterin von Tele33 für ihn aufgeschrieben hatte: ?Ja, Saskia, du erinnerst dich doch sicher an Dirty Dancing, ich würde mit dir im Aufzug einen körpernahen Lambada üben, denn ich bin Tanzlehrer von Beruf.?

Penibles Schweigen im Publikum, dann vereinzelte Lacher. Die Situation war ja sowas von peinlich.

?Äh, Kandidat Nummer zwei?? Noch hatte sie eine schwache Hoffnung, dass sich doch noch alles zum Guten wenden würde.

?Kein Problem, Saskia, erstmal würde ich dich verführen und dann, als technisch versiertes Double von McGuyver würde ich mit deiner Haarspange zwei Kabel kurzschliessen und den Fahrstuhl wieder flott machen?.

Der Saal tobte vor Begeisterung.

Sie jedoch war den Tränen nahe und mit der allerletzten Kraft hauchte sie ins Mikrofon: ?Kandidat Nummer drei, was sagst du dazu??

Eine sympathische Stimme meldete sich: ?Echt beschissen die Situation, ach Saskia, heute ist wohl weder dein noch mein Tag, ich weiss auch nicht was ich sagen soll, ich habe meine Antworten in der Garderobe liegen lassen.?

Das war er, ihr Traummann, Saskia wusste es in eben diesem Augenblick und ein breites Lächeln huschte über ihr Gesicht.


© Daniela Affolter-Mangold


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