Herr Norbert lebte in einem alten Mietshaus. Er lebte schon seit 1967 darin. Damals war er gerade 34 Jahre alt und er konnte die Stufen bis zu seiner Wohnung im 4.Stock noch hochspringen. 2 Stufen auf einmal- das weiß er noch ganz genau. Herr Norberts Alltag war klar geregelt und übesichtlich.Morgens um halb sieben stand er auf, ging ins Bad,duschte sich,rasierte sich nass-darauf legte er Wert, kämmte sich seine weißen,noch vollen Haare,zog sich seinen Bademantel über,die Kleider kamen später, nach dem Frühstück und ging mit seinem eigens gemütlichen Gang in seine Küche,kochte sich Kaffee,deckte den kleinen Tisch, der am Küchenfenster stand und aß ein Brötchen mit Butter und Ei. Dabei schaute er ab und zu aus seinem Küchenfenster im sitzen,schaute auf den Hinterhof,die Fenster gegenüber und auf den Himmel. Aus der Ferne drang Lärm hoch, wenn er das Fenster gekippt hatte, von der Strasse auf der anderen Häuserblockseite.Ansonsten war es ruhig. Nur das gleichmäßige Ticken seiner Küchenuhr war zu hören.Er hatte die Angewohnheit, immer die Zeitung vom Vortag zu lesen, da er die vielen Treppen nur einmal am Tag überwand und zwar um die späte Vormittagszeit, wenn er einen Spaziergang im nahegelegenen Park machte.Dort setzte er sich meist immer auf die gleiche Bank, wenn diese frei war, wenn nicht, nahm er die nächste.Er ging danach einen Einkauf erledigen, der noch gut zu tragen war und wieder nachhause.Er holte aus seinem Briefkasten die Post und die Zeitung und ging langsam die Stufen zu seiner Wohnung hoch.Manchmal fragte er sich, ob es seine Konstitution war die ihm die vielen Treppen noch schaffen ließen oder der eisene Wille, hier nicht ausziehen zu wollen. Vielleicht beides oder im Zusammenhang dessen.Gegen eins kochte er sich immer eine einfache Mahlzeit, ohne viel Aufwand, aber mit viel Gemüse. Danach legte er sich eine Stunde hin.Manchmal schlief er dabei ein, manchmal nicht.
Nachmittags telefonierte er mit einem alten Freund, den er schon aus der Jugend kannte. Da die beiden fast täglich miteinander telefonierten, waren die Gespräche meist kurz.Sein Freund Karl lebte mit seiner Frau und einem kleinen Mops, den Herr Norbert nicht als Hund ansah, wie alle kleinen Hunde, etwa 2 Autostunden von Herrn Norberts Stadt entfernt.Über 20 Jahre hatten sie keinen Kontakt miteinander gehabt, nicht aus Streit,sondern einfach nicht ins Leben des anderen mehr integriert. Als das aber ab einem bestimmten Alter nicht mehr wichtig war, erinnerten sie sich an ihre Freundschaft-vielleicht aus dieser nostalgischen Sentimentalität heraus, die zum Älterwerden wohl dazu gehört. Seit 10 Jahren pflegten sie ihre Freundschaft wieder. Herr Norbert besaß neben der Wohnküche, des Schlafzimmers mit Balkon, dem Bad und des Wohnzimmers, noch ein Zimmer..
Dieses Zimmer verbarg sein Geheimnis das niemand wusste, noch nicht mal Karl...
In dieses Zimmer ging Herr Norbert jeden Tag,meist gegen Abend hinein.Für dieses Zimmer gab es generell keine feste Zeit. Er war schon oft morgens,mittags oder nachts darin. Es war seine Sehnsucht die bestimmte.
Das Zimmer war mittelgroß, mehr länglich als quadratisch.Fenster zur Sonnenseite, daher sehr hell.
An der rechten länglichen Wand stand ein hellgrünes altes Polstersofa. Es war schon ganz verschliessen aber Herr Norbert sass gerne darauf oder lag darin. Es war immer noch weich..butterweich. Nur beim Aufstehen musste er sich hochhangeln, das ging so nicht mehr gut. Ansonsten war das Zimmer mit Möbeln und Erinnerungen vollgestellt wie aus einer anderen Zeit. Da eine alte Kommode aus dunklem edlen Holz,auf deren Anrichte Bilder und Gegenstände, die in einer liebevollen Anordnung standen.Dort ein Beistelltischchen mit gestapelten alten Büchern , ein Stuhl mit ebenfalls gestabelten Büchern auf dem Sitz, eine Staffelei mit Leinwand mit angefangenen Radierungen ,aber von Gestalt noch nicht erkennbar.Herr Norbert malte.Er malte schon seit der Jugend.Früher mit Agryl und Öl,später nur mit Kohle, Kreide und Bleistift. Überall in diesem Raum gab es Bilder.Man sah kaum die Tapete, so viele grosse und kleine Bilderrahmen und Leinwände hingen an den Wänden. Gemalte Leinwände von ihm, dazwischen aufgehangene Skizzen. An der Wand angelehnt, gab es noch mehr fotografierte, gemalte und gezeichnete Bilder und sie hatten fast alle ein Motiv..


© Lee


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Kommentare zu "Die Geschichte des Herrn Norbert"

Re: Die Geschichte des Herrn Norbert

Autor: BenGel   Datum: 23.03.2013 13:01 Uhr

Kommentar: war er wohl auf der Suche nach sich selbst, seinem Sinn
und einem Wesen welche Einsamkeit füllt mit Zweisamkeit
ob er noch findet die Erfüllung, das Bild zu vollenden

interessant geschrieben - schön

Re: Die Geschichte des Herrn Norbert

Autor: Lee   Datum: 25.03.2013 8:06 Uhr

Kommentar: Vielen Dank Bengel:-)!Herr Norbert ist alleine, aber nicht einsam. Er hatte Erfüllung gefunden. Seine Bilder beschreiben das nur,halten das fest.Welche das war oder ist,darüber werde ich noch erzählen:-)

Re: Die Geschichte des Herrn Norbert

Autor: Hans Finke   Datum: 08.06.2013 18:53 Uhr

Kommentar: Die fein beobachtete Chronologie eines alternden Mannes, eingebettet in sein privates Reich haben Sie mit wohlmeinendem Respekt, ja geradezu zärtlich erzählt. Jeder von uns hat sein "geheimes Zimmer", das er vor anderen verschlossen hält, weil es zu wenig "Seelenverwandtschaft" gibt. Wunderschön. LG Hans Finke

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