Der Wanderfalke Hugo


Es war ein kalter, grauer Wintertag. Die Eiskristalle tanzten und kreisten auf der
gefrorenen Schneefläche. Der unbarmherzige Wind blies einige von ihnen in die Schlehenhecke. Es schien, als wollten die grauen Schneewolken, die Ebene zudecken.
Ich war mit der Oldenburger Stute Hanni unterwegs. Sie zog den Pferdeschlitten,
der mit Industriekartoffeln und minderwertigem Mais beladen war.
Ich war zur Futterstelle der Schwarzkittel unterwegs. Neben mir auf dem Schlitten
saß noch Rex, der Gordonsetter.
Die Stute rutsche einige Male, obwohl sie mit Wintereisen beschlagen war. Jedes Mal, wenn die Stute rutschte, sprang der Setter vom Schlitten, um danach wieder aufzuspringen.
Wir hatten bis zum beginnenden Forst noch ca. einen Kilometer vor uns. Als wir an den Fasanengehegen vorbei kamen, sahen wir auf einer Querstange des Geheges,
einen Wanderfalken sitzen. Der Greif äugte in die Gegend. Wir schienen ihn nicht
zu interessieren.
Da ich dem Falken bei meinen Fahrten öfter begegnete, gab ich ihm den Namen
„Hugo.“
Auf der öden Ebene stand kurz vor dem Forst eine Stieleiche. Auf dieser Eiche versammelte sich öfter ein Schwarm Ringeltauben. Die Ringeltauben sitzen mit Vorliebe auf allein stehenden Eichen. Es gibt für das Verhalten der Tauben zwei Gründe: sie haben erstens eine Futterstelle, und zum anderen können sie ihre Feinde besser beobachten.
Es war ein sonnenheller Wintertag und ich war in der Nähe der Stieleiche, als ich
folgendes beobachtete:
Auf der Eiche saßen mehrere Ringeltauben. Der Wanderfalke hatte sie erspäht.
Er flog einmal, ein zweites Mal und erst beim dritten Mal flogen die Ringeltauben auf.
Hugo erbeutete eine Taube und stürzte mit ihr auf den gefrorenen Schnee.
Mir gelang in letzter Minute den Setter am Halsband festzuhalten. Der Hund bäumte sich auf, er wollte unbedingt zum kröpfenden Falken. Die Stute Hanni erschrak, aber
durch den hohen Schnee konnte sie nicht in Galopp ausbrechen.
Wir schauten Hugo eine Weile zu und setzten dann unsere Fahrt fort.
Es war schon das zeitige Frühjahr und der Schnee begann zu tauen. An diesem Tag fuhr ich mit meinem Pferdegespann Jauche auf die schneefreien Koppeln.
Da beobachtete ich Hugo mit einer seiner Meisterleistungen. Der Wanderfalke griff
eine keilförmig fliegende Gänsekette an. Es waren Graugänse, die nordwestlich flogen. Er griff die Gänse im Vorwärtsflug an, was Wanderfalken in der Regel nicht
tun. Wanderfalken sind immer über ihrer Beute und greifen sie im Sturzflug an.
Der Falke verletzte eine Graugans an der Brust. Die Gänsekette war gesprengt, und
die Tiere flogen laut trompetend auseinander, um sich danach wieder zu einer Kette zu vereinAigen. Die verletzte Graugans flog weiter. Der Falke attackierte und verletzte erneut die fliegende Graugans. Die Gans stürzte gen Boden, wobei der Falke die Gans eng umkreiste. Warum sich der Wanderfalke so ein großes Beutetier ausgesucht hat, ist schwerlich zu erklären.

Viele Forstleute und Ornithologen haben das Erlebnis als „ Jägerlatein“ eingestuft!


© Jürgen


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