Ein unschönes Ereignis…


Es war frühmorgens, und die Sonne schien. Der Tau lag noch auf den Gräsern und Halmen. Die Rauchschwalben flogen geschwind zwischen den Häusern und Scheunen des Dorfes hin und her.
Dieses waren Anzeichen für einen herrlichen Sommertag.
Ich begab mich zu meinen Hannoveranern, Schaja und Lola, und schirrte sie an.
Auf dem Schirrhof standen Ackerwagen, Tafelwagen und einige Jagdwagen.
Ich spannte die Pferde vor einen Tafelwagen. Solch ein Wagen war flach und das Aufladen war leichter. Ich wollte die Hackmaschine auflagen, jedoch das gelang mir nicht, sie war zu schwer.
Von den Dorfbewohnern wurde eine solche Maschine „ Igel“ genannt, und das lag an ihren gebogenen Stahlfüßen. Mit ihr konnte man den Ackerboden lockern, und gleichzeitig die Wurzeln der Unkräuter abschneiden.
Mir gelang es nicht, die Maschine aufzuladen. Sie war einfach zu schwer. Kein Mensch weit und breit. Der Gutshof und der Schirrhof waren wie ausgestorben. Die Pferde wurden in ihren Geschirren schon unruhig.
Was sollte ich bloß machen?
Plötzlich erschien, wie aus dem Boden gestampft, Michael. Michael war
geistig behindert. Einige Leute sagten, er sei unser Dorftrottel.
Michael war groß und kräftig von Gestalt, und ein ständiges Grinsen lag auf seinem Gesicht. Er war gutmütig, und auf seine Art auch hilfsbereit.
Michael half mir die Hackmaschine aufzuladen. Er sagte dabei mehrmals: „ Den Igel, den Igel und er machte zwischen jeden Wort eine Pause.“
Ich gab ihm für seine Hilfe einige rote Himbeerdropse, die ich aus meiner Jackentasche nahm.
Er freute sich riesig und hielt die Dropse in die Höhe.
Ab ging „ die Post.“ Vorbei an Weizenfeldern, die so bunt waren wie
Blumenrabatten. In den Feldern wuchs wie hingestreut, roter Klatschmohn, blaue Kornblumen, blassrote Kornrade sowie gelber Hederich. Am Vorgewende wo es feucht war, wuchsen die kleinen, hübschen Ackerstiefmütterchen.
Hoch oben in schwindelnder Höhe jubilieren Lerchen, um dann danach wie ein Stein zu Boden zu fallen.
Der Roggen lag wie ein Brett auf dem Ackerboden. Die langen Roggenhalme konnten dem Regen und Wind nicht widerstehen. Die eingedrillten blauen Wicken taten das Übrige.
Die grünen Blätter der Zuckerrüben glänzten beeindruckend im Sonnenlicht.
Ab und zu war das Krähen eines Jagdfasans zu hören.
Ich erreichte die vorgegebene Flur. Die Gemüsefelder lagen in einer Senke, durch ein klares Bächlein plätscherte.
Ich sollte die Flächen hacken, auf denen Gurken und Salat stand.
Es sollte noch mal gehackt werden, denn die Gurken mit ihren Ranken begannen den Bestand zu schließen.
Ich ließ Schaja am Wagen und strengte sie aus. Lola spannte ich vor den „ Igel.“
Zu bemerken ist, dass Lola ein kleines Hengstfohlen hatte, das zu Hause in der Box stand.
Bei der bevorstehenden Arbeit konnte ich das Fohlen nicht gebrauchen.
Es war schon fast mittags, und die Stute Lola wurde unruhig. Sie blieb öfter stehen und sie befolgte nur widerwillig meinen Kommandos.
Sie verlor aus ihrem Euter ab und zu einige Tropfen gelber Milch. Die Stute ging mir sonst „ gut von der Hand,“ doch in ihrem jetzigen Zustand
war sie zu Recht eigenwillig.
Die Leine hatte ich vor Beginn der Hackarbeit an ihrer Kummetspitze befestigt, da sie sonst immer auf alle Kommandos hörte.
Sie blieb erneut stehen, ich bückte mich, und ich warf ihr einen Erdklumpen auf ihre Kruppe.
Das waren aber wirklich sechs Richtige!
Das Pferd galoppierte in einem Galopp, hinter sich den „ Igel“ ziehend, hoch zur Straße, wo der Wagen mit Schaja stand.
Ein breiter Streifen von Verwüstung war zu sehen. Gurkenpflanzen und Salatköpfe lagen durcheinander, teils mit Ackerklumpen bedeckt.
Ich begann zu schlucken und war den Tränen nahe. Die Stute Lola stand am Wagen, und sie schaute mich mit angelegten Ohren an.
Ich klopfte ihr einige Male auf ihren Hals, und danach befreite ich sie von
der Hackmaschine. Sie war aufgeregt und ihre Halsmuskeln zuckten.
Ich schlug sie nicht, ich schlug während meiner ganzen Lehrzeit nie ein Pferd.
Mit einer Felldecke und mit Kandiszucker wirkte ich auf die Pferde ein.
Ich erzählte keinen von diesem Vorfall.
Einige Tage vergingen und ich hatte den Vorfall fast vergessen. Schaja
hatte vorn links ihr Sommereisen verloren, und ich verließ deshalb später
den Gutshof, da ich noch in der Schmiede war.
Am Ende der Dorfstraße traf ich auf den Gutsinspektor Stehfest. Er winkte mir zu und er deutete mir an, dass ich die Pferde anhalten soll. Stehfest stieg von seinem Motorrad, und mit forschen Schritten kam er zu mir.
In seinem Gesicht war keine Verärgerung zu erkennen.


Mit tiefer Bassstimme sagte er: „Langer, du hast ja einen Teil der Gemüsefläche, dem Erdboden gleichgemacht.“
Er schnäuzte danach seine rote Knollennase.
Ich versuchte mich zu entschuldigen, jedoch es gelang mir nicht.
Ängstlich stotternd gab in den Sachverhalt wieder, worauf er meinte,
mach dir nicht gleich in die Hose.
Der Gutsinspektor hörte sich meine Schilderung des Vorfalles geduldig an.
Ich stand wie ein „ begossner Pudel“ vor ihm, was ihm veranlasste, mir einige Male auf die Schulter zu klopfen.
Beim Weggehen sagte er. „ Dein Vorkommnis bleibt unter uns, und mit dem Gärtnermeister habe ich schon gesprochen.“
Der Gutsinspektor war immer „ gut auf mich zu sprechen,“ vielleicht lag es daran, dass ich auch während der Ferien auf dem Gut blieb, und verschiedene, anfallende Arbeiten ausführte.
Ich dachte oft, dass er mich als seinen Sohn „ ansieht“ da er keine eigenen Kinder hatte.


© Jürgen


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Beschreibung des Autors zu "Ein unschönes Ereignis..."

Ein wahres Ereignis aus meiner Lehre 1951!




Kommentare zu "Ein unschönes Ereignis..."

Re: Ein unschönes Ereignis...

Autor: Angélique Duvier   Datum: 01.02.2022 20:54 Uhr

Kommentar: Lieber Jürgen, da ist Dir eine gute Beschreibung einer Deiner Lebensgeschichten gelungen. Ich habe sie gern gelesen, denn sie war sehr bewegend und gut verfasst.

Liebe Grüße,

Angélique

Re: Ein unschönes Ereignis...

Autor: Michael Dierl   Datum: 01.02.2022 22:32 Uhr

Kommentar: Hmmmm........der Schaden auf dem Feld erheblich aber besser so als wenn Dir das Pferd Schaden zugeführt hätte. Ich kannte mal jemand da hat das Pferd nach hinten ausgetreten. Gerade da stand der 2 Jährige Sohn und hat den Schlag nicht überlebt. Schon sehr tragisch! Besser dann ein ganzes Feld durchzuflügen als ein Leben zu verlieren.

lg Michael

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