Dies ist die Geschichte einer jungen Frau, die ihren Sohn mehr liebte als ihr eigenes Leben…

Es war Juni und die Hitze in Südafrika war schon beinahe unerträglich. Die Blätter raschelten leise im Wind und die Grillen zirpten im hohen Gras. Es war ungewöhnlich still, bis auf einmal gellende Schreie durch die Steppe wehten. Leona schreckte aus ihrem Schlaf und lief wie vom Blitz getroffen so schnell sie konnte zu ihrem Dorf zurück. Es schien verlassen! Was war das? Überall schwirrten Schmeißfliegen umher. Sie hatte auf einmal ein ungutes Gefühl und drehte sich um, doch es war zu spät.
Sie wurde gepackt. Eine Hand legte sich über ihren Mund. Der durchdringende Geruch von Schweiß stieg Leona in die Nase und sie musste würgen. Mit aller Kraft wehrte sie sich gegen die starken Arme, doch je fester das Mädchen kämpfte, um so stärker wurde der Griff, der sie festhielt.
Sie wurde mitgeschliffen. Vorbei an allen Hütten und den kleinen liebevoll errichteten Gärten. Als sie das Dorf hinter sich gelassen hatten, sah sie auch, warum die Luft so drückend heiß und stickig war. Ihr stockte der Atem. Das Herz setzte für einen Moment aus, als sie das Drama erblickte, dass sich dort abgespielt hatte: Neben der schmalen Kirche lagen alle Dorfbewohner. Sie waren tot. Ihre Gesichter verzerrt, die Münder zu einem lautlosem Schrei geformt, die Augen weit aufgerissen, die Körper blutüberströmt und die Gliedmaßen seltsam verdreht. Die Männer, die Frauen, die Ältesten und sogar die Kinder. Keinen hatten sie verschont. Sie waren skrupellos vorgegangen, hatten alle gefoltert und dann erschossen. Leona hörte auf sich zu sträuben. Sie hatte all ihre Hoffnung verloren. Mit einem Schlag war sie vernichtet worden.
Sie wurde gefesselt, ihre Augen verbunden und dann verfrachtete sie jemand auf ein Pferd. Dem verzweifelte Mädchen jagten 1000 Gedanken durch den Kopf. Ihr wurde bewusst, dass sie nur überlebt hatte, weil sie unter ihrem Lieblingsbaum eingeschlafen war.
Nach einem scheinbar endlosen Ritt ins Ungewisse hielten sie an und zerrten das arme Mädchen rücksichtslos vom Pferd. Ihre Fesseln wurden abgenommen und die Augenbinde entfernt. Leona blinzelte gegen das helle Sonnenlicht und hielt sich die Hand vor die Augen um sehen zu können. Sie stand in einem riesigen Hof umgeben von Zuckerrohrplantagen. Da wurde sie unsanft geschubst. Wütend drehte sie sich um und spuckte dem jungen Burschen ins Gesicht. Dieser grinste sie nur dreist an und bugsierte sie zu dem Holzhaus am Ende des Hofes. Dort angekommen führte er sie in ein Zimmer, wo sie sich waschen und etwas anderes anziehen sollte. Als sie sich weigerte, schlug er ihr ins Gesicht. Es blieb Leona nichts anderes übrig als zu gehorchen. Nachdem sie umgezogen war - es waren alte, löchrige Hosen und ein viel zu weites Hemd - brachte der Junge sie zu den Plantagen, wo er ihr erklärte, was sie zu tun hatte. Als sie sich an die Arbeit machte, konnte sie ihn näher betrachten. Er hatte eine sehr helle Haut und blonde Haare. Leona tippte darauf, dass er Europäer war. Ein leichter Bartflaum über seiner Oberlippe zeigte ihr, dass er um die achtzehn war und für sein Alter war er mit seinen Geschätzten 1,85 m nicht gerade klein.
Grob wurde sie aus ihren Beobachtungen gerissen. Sie merkte schnell, dass man hier lieber nicht herumtrödelte, sonst bekam man die Peitsche zu spüren. Die Arbeit auf den Feldern war mühsam und bald war sie schweißüberströmt.
Es folgte nun jeden Tag das Gleiche: mit Sonnenaufgang arbeiten anfangen und mit Sonnenuntergang aufhören und todmüde auf das Strohlager fallen.
2 Jahre später:
Aus dem verängstigten Mädchen war eine junge Frau geworden. Ihre Brüste waren gewachsen und von der harten Arbeit in den Plantagen war sie sehr stark geworden. Immer öfters bemerkte sie, wie der junge Europäer sie mit gierigem Blick musterte. Doch sie ignorierte ihn. Was sollte sie mit ihm? Er war widerwärtig, hatte schon viele der Frauen hier geschlagen und jene, die schon alt waren, erschoss er einfach, wenn er gerade Lust und Laune dazu hatte.
Eines Tages ließ er Leona zu sich rufen. Mutig trat sie ihm entgegen und fragte, was sein Begehr war. Er antwortete ihr, dass sie sein Begehr war. Leona erschrak und wollte fliehen, doch er hielt sie fest. So kam es, dass sie ein paar Wochen später feststellte, dass sie schwanger war. Die junge Frau war verzweifelt. Sie wollte kein Kind und schon gar nicht von diesem Schwein. Doch sie konnte nichts dagegen tun und so gebar sie neun Monate später einen kleinen Sohn, den sie Liberty nannte.
Als Liberty ein paar Monate alt war rannte Leona mit ihm davon. Ein netter Bauer las sie auf und nahm sie mit in die Stadt. Er hörte aufmerksam zu, als Leona ihm ihre Geschichte erzählte. Er würde sehr wütend auf den jungen Europäer. Am Ziele angekommen, lief das Mädchen geradewegs dem jungen Europäer in die Arme. Er wollte Liberty erschießen. Doch bevor er das schaffte, warf Leona sich vor ihren Sohn und rettete ihm damit das Leben. Der Bauer schnappte sich den kleinen Jungen und fuhr so schnell er konnte aus der Stadt hinaus in die Berge. Die junge Frau starb mit einem Lächeln auf den Lippen.
Leona hat ihr Leben für ihren kleinen Sohn gegeben. Die Gewissheit, dass Liberty ihn Freiheit leben kann, war ihr wichtiger, als ihr eigenes Leben.


© Leona Elisabeth


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