Auf dem Weg zur Beerdigung, fühlte ich mich wie in Trance. Ich kannte zwar den ungefähren Ablauf, ich kannte den Grund, doch so richtig realisieren konnte ich das Geschehene zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Ich hatte schon so viele wertvolle Menschen verloren, doch DARAN "gewöhnen" konnte ich mich nicht!
Heute saß ich im Zug. Heute führte die Strecke von Salzburg nach Feldkirch. In meinem Arm hielt ich unseren Sohn, der gerade mal 2 Monate alt war.
Zur Geburt schrieb uns Katharina eine ganz liebe Karte,sie war nun ein Andenken...

Vier StundenFahrt lagen vor mir. Ich konnte meinen Gedanken freien Lauf lassen. So viele Gefühle kreisten in mir. Ich wusste zwar, was geschehen war, aber glauben konnte ich das noch nicht. Wellenförmig durchfluteten mich Wut, Ohnmach, Trauer, Hilflosigkeit und tiefes Entsetzen.
Zum Weinen hatte ich heute keine Kraft mehr.
Plötzlich riss mich mein Sohn aus diesem Sumpf. Er wollte gestillt werden.
Das eine Kind kommt, ein anderes geht....war DAS gerecht???
Schmerz und Freude waren wieder einmal so dicht beieinander.

Doch über allem stand das große WARUM????!!!
Wie unfair und ungerecht doch das Leben sein konnte!
Warum nur, mussten die Ärzte diese eine Stelle am Steißbein ÜBERSEHEN??? Sie sagten doch, dass ALLES bestrahlt wurde....
Warum ließ so ein kleiner, unscheinbarer Fehler ein solchen Ausmaß annehmen???

WARUM ließ das Universum DAS zu, oder war es Gott, oder WER ist für so etwas Schreckliches zuständig???
Der Verantwortliche soll sich bitte sofort bei mir melden, ich möchte ihm eine rüberziehen, anspucken, würgen, knäbeln, reinhaun...

Welche höhere Macht ist dafür verantwortlich, dass eine Familie in Stücke gerissen wird - einfach so - weil der Plan dieser Macht für meine Nichte einfach kein Happy End kannte....????!!!!

Alle Trauergäste waren sehr gefasst.
Auch die Mutter.
Es war ein sonniger Tag.

In der Kirche saß ich in den ersten Reihen.
Als mein Sohn zu quengeln begann, beschloss ich, mich in das Seitenschiff der Kirche zu setzen, um ihn unauffällig und ungeniert stillen zu können.
Ich weiß noch gut, wie ich dem Pfarrer lauschte, als plötzlich ein Lied aus den Lautsprechern zu mir drang.
Wie gefesselt vernahm ich die ersten Klänge. Es war "Brave" von Josh Groban.

Plötzlich durchdrang mich eine Macht und die Tränen begannen nur so zu fließen! Zum Glück war ich so weit weg vom Rest den Trauergästen, denn es zerriss mich fast an Emotionen!!!
Ich schluchzte und heulte, ich verlor fast die Fassung. Der Sohn wurde ganz unruhig.

In diesem Moment wurde mir so richtig bewusst: Katharina steigt soeben in den Himmel hinauf, sie kommt nie mehr wieder!!!!!

Die Sonne hatte mittlerweile an Kraft noch zugelegt.
Ich schwitzte richtig, als ich mit unserem Sohn im Arm anstand, um meiner lieben Nichte am Grab die letzte Ehre zu erteilen.
Vor mir stand meine Schwester. Als sie sich in ihrem schwarzen, engen Kleid zum Grab beugte, um die Rosen abzulegen, da hatte ich nur einen Gedanken:
WAS musste sie sich wohl jetzt denken!
WAS fühlte sie?
...es war IHRE Tochter...!

WIEVIEL konnte ein Mutterherz nur an Schmerz ertragen?!

Wer fängt SIE auf?

Erst in den Wochen, Monaten, Jahren später, erfuhr ich, wie sehr mir meine Nichte abging, dabei war ich nur die Tante!
Plötzlich hatte ich nicht nur mehr meinen Vater und meine Mutter zu betrauern und los zulassen, nein, es war jetzt auch eine junge Frau, bildhübsch, zielstrebig und aufblühend.
Besonders in meinen schweren Jahren, empfand ich die Verbindung zu Katharina im Himmel, sehr intensiv!
Es ZOG mich förmlich zu ihr HINAUF, da ich dort oben die Ruhe sah, die ich hier herunten nicht mehr fand. Ich wollte ENDLICH wieder SCHLAFEN dürfen!!!!!

Damals schrieb ich sogar das Lied von Gabalier für sie um:
"Oamoi sehn ma uns wieder":

"doch du woast net, amoi volle zwoanzig Johr,
a Schönheit mit deine Longen Hoar...
und weiter:
"doch du woast hoffnungsvoi, net verzogt,
host nu an Hauch vom Lebm ghobt.
Doch letztes Johr, i wor schwächer ois je zuvor,
do hob i deitlich ghert von dir: KUMM AUFA _ DO IS SCHE BEI MIR!"

Ja, eine sehr intensive Zeit, liegt hinter uns.
Mittlerweile mussten wir die Tatsachen akzeptieren.
Wir haben damit leben gelernt.
Doch die Ungerechtigkeit sitzt noch immer in der Luft...

Meine Schönheit, ruhe in Frieden!


© Traudi


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Kommentare zu "Das schwarze Kleid, Teil 3"

Re: Das schwarze Kleid, Teil 3

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 02.03.2019 17:07 Uhr

Kommentar: Liebe Traudi,
du, ich und wir alle hätten uns den Inhalt von Teil 3 anders gewünscht. Aber das Leben hat seine eigenen oft ungerechten Spielregeln. Ich wünsche dir viel Kraft.
Herzliche Grüße
Wolfgang

Re: Das schwarze Kleid, Teil 3

Autor: possum   Datum: 03.03.2019 0:27 Uhr

Kommentar: Auch Alles Alles Liebe von mir und ganz viel Kraft wünsche ich dir aus Herzen liebe Traudi!

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