Ein Haken

Eugen Werner Herbert Lokrisch (Freunde riefen ihn maritim EuWeHeLo, ein Ruf wie ein Heulen des Windes, wie ein Spiel der Wellen), mehr Mann als Hund, gelangte unbewußt an den Strand und buddelte sich ein. Über sich die Wolken, neben sich das Irdische. Die Nase zog und war seine ganze Lust. Mit der Schaufel schaufelte es. Und schaufelte. Rauschendes Strandglück vornweg. Schaufelte und schnaufelte. Zeit, ungeteilt, wie nicht gelebt. Als er den Haken gefunden hatte, den er gleich an sich nahm, setzte der Monolog ein, er schaufelte und schnaufelte alles wieder zu und merkte kaum, wie er dies tat.
An dem Abend dachte ich noch nichts von diesem Tag, der mir den Haken bringt. Ich saß bequem und schaute dem Dämmer ins Herz. Ich schnitt Brot, ich versank in mir. Das Holz knackte, bis ich zuckte. Wieder sank ich in Dämmer. Blüte der Nacht, lebst du so dicht neben mir, keimen deine Aromen in mir?
Noch immer schaufelte er, im Monolog kaum bewußt. Geräusche ließen ihn schweben vor sich selbst. Die Nase zog noch immer frischen Duft weitester Meere. Das Loch war verschwunden. Die Schaufel auf der Schulter, trabte ein müder hundsatmiger Mann rückwärts, den Haken versunken im Beutel der Tasche. Monolog? Aber sicher…
Mit wem rede ich nur immer? Sicher schreitet der Fuß, tun es auch die Gedanken? Abend und Nacht kennen keine Scheidung. Gras wächst über dem Giebel, ist dies Glück? Mit dem Haken werde ich bald die Fahne wehen lassen, ein Ding, das im Keller alter Gefühle sauber gefaltet ruht. Wühlkrebse und Schnecken haben den Haken poliert all in der Zeit, seit er versank. Weiß ich davon?
Durch den kleinen Ort, schlurfende Schritte, Töne in der Ferne von allen Seiten. Stille. Wachs für die Ohren, die Nase im Wind, das Auge voll Dämmer. Fortschreitend heimkehren, nicht am Meer, im Menschenheim, dort knistert das Feuer, bricht das Scheit freudig in Glut. Auf die Tür, während der Monolog rinnt und rinnt, Zeit und Raum in sich schlingend, ewiger Vielfraß, schwärzestes Loch, Tunnel ohne Wiederkehr. Der Haken schraubt sich unter den Balken, ein Schinken hängt dran, Duft erfüllt die Wände. Der Hundsmann sitzt, dehnt sich, erinnert, räuspert sein Leben.
Ich weiß nichts. Wohliger Dämmer. Sicher ruht die Fahne. Das Meer rollt, spült schon über der Stelle,wo die Schaufel wütete, vorhin, lang her. Schaum schäumt, schießendes Wasser atmet ungehemmt über den Strand hinweg. Ich schneide Brot, werfe der Katze eins zu, schüttle den Kopf. Hoch über mir der stattliche Schinken. Mit dem Dämmer zusammen neue Lust. Griff in die Tasche hinab: ja der Haken? Fort, oben am Balken. Dröhnendes Schlagen der Uhr, Aufmerken, wieder versinken. So ist das, da bring ich die Schaufel hinaus und merke erst jetzt, daß es längst geschehen ist. Wieder Abend, wieder wie immer. Lauschen am Fenster, Dröhnen der Welt. Ich schließe es. Stille. Stimme. Nachklang, Selbstklang. Wem erzähle ich täglich meine Dinge? Wenn die Freunde zurück sind, werde ich leer sein, mein Schweigen wird wieder befremden. Ein Klopfen an der Scheibe erweist sich ja als Täuschung, nur der Baum grüßt, geschüttelt vom Wind der Nacht. Die Fahne lacht im Traum, dicht verpackt, eckig verengt, fern von der Welt, ganz tief unten. Morgen wird neuer Traum sein, bald bald...


© Horatius


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