Das Märchenschloss

© Claudia Matthes

Da war sie wieder, die zusammengedrückte Tube der Zahnpasta. Sie liegt, mal wieder, nicht in ihrem vorbestimmten Platz sondern einfach, unachtsam, auf dem Waschbeckenrand.
Zum hunderttausenden Mal nehme ich die Tube, rolle sie von unten her auf und stelle sie zurück in den Zahnbecher. 

Groll steigt in mir auf während ich, nach dem Duschen, in den noch beschlagenen Spiegel schaue. Der Spiegel gibt nur einen Teil meines Anlitzes frei während er langsam von den Seiten her auftrocknet.
Kennt ihr das? Es zeichnen sich die ulkigsten Umrisse im Spiegel ab. Heute wirkt es wie die Umrisse eines Schloßes....Ich versinke in Gedanken.....

Wünschen sich nicht alle kleinen Mädchen eine Prinzessin zu sein. In einem Schloss wohnen, im Turm Zimmer und unten wartet der Prinz auf dem weißen Ross...

Nun, ich durfte das ganze erleben, allerdings viele Jahre später. In dieser Zeit ist der Wunsch schon lang vergessen oder verdrängt, wer glaubt auch mit 30 Jahren noch an den Märchen Prinz?

Meine Geschichte ähnelt dem Mädchen Traum schon sehr mit dem einen Unterschied das das Ross ein Motorrad war, ein PS Ross.

Es begann an einem ganz normalen Arbeitstag wie jeder ihn kennt. Der Tag vor dem ersten Mai. An diesem Tag ist die Geschäftigkeit eher hoch da ja am Folgetag ein Feiertag sein soll. Auch ich hatte an diesem Tag an einiges zu denken aber es kam völlig anders...

Seit Wochen wanderten SMS zwischen Oliver, meinem heutigen Mann, und mir hin und her. Anfangs war das ganze eher ein aufregendes Spiel, ähnlich wie in dem Lied meiner Lieblingsband " pur " indem sich die Ehefrau wegträumt und im Traum ihrem Märchen Prinz begegnet. Eines Tages fragt sie sich was wohl passieren würde wenn er wirklich kommt!?
Aber mit zunehmender Zeit wurde aus dem Spiel deutlich mehr. Auch an diesem Tag frotzelten Oliver und ich per SMS herum und malten uns aus wie schön es wäre wenn ich doch bei ihm sein könnte. Ich kann mich noch sehr gut erinnern was genau ich schrieb, nur der damals vordringliche Wunsch war mir nicht ganz klar. So verfasste ich eine SMS mit folgendem Inhalt: " wenn ich heute zu dir käme könnte ich nicht mehr zurück!"
Mir war völlig klar das eine solche Nachricht erschreckend genug wirken müsste um ihn zurück rudern zu lassen, aber es passierte nichts, gar nichts! Die Antwort ließ auf sich warten.
Ich weiß nicht welche Antwort mir lieber gewesen wäre, ich weiß nur das ich sicher war keine Antwort zu bekommen. Plötzlich kam die Antwort. Ich öffnete die Nachricht und dort stand: " alles klar" ich war wie erstarrt! Meine Gedanken purzelten durcheinander. Was nun? Ich musste eine Entscheidung treffen und ich traf sie! Die beste Entscheidung meines Lebens.
An diesem Tag ließ ich alles so laufen wie immer, kümmerte mich um Telefonate, Kunden und was so Anstand mit einer Ausnahme. Ich organisierte die Getränke Lieferung für den Folgetag in meinen Wohnort. Eigentlich hätte ich die an diesem Abend mit nach Hause gebracht, das ging nun nicht mehr.
Nach Feierabend verabschiedete ich mich von den Kollegen, wünschte einen schönen Feiertag und stieg in mein Auto. Ich fuhr los. Aus einem unerfindlichen Grund nahm ich eine andere Strecke als logisch gewesen wäre aber ich dachte nicht groß darüber nach, ich fuhr einfach....
Oliver und ich waren vor der Eisdiele verabredet welche ich bereits aus Besuchen im Vorfeld kannte. Dort stand ich gerade 5 min als ein Motorrad neben mir hielt. Das Visier öffnete sich, es war Olli. Er bat mich ihm zu folgen, noch bevor ich wusste wohin ging die Fahrt los. Wir fuhren eine Weile durch mehrere kleine Orte die ich nicht kannte. In einem dieser Orte Bögen wir ab und fuhren eine Anhöhe hinauf. Oben angekommen ging es durch einen Torbogen und dann standen wir auf einem Schloss oder Burg Parkplatz. Alles schien verlassen, außer uns war niemand zu sehen. Ich stieg aus und schloss die Autotür.
Die Begrüßung war leidenschaftlich aber meine Gedanken nicht bei der Sache. Was wollten wir an diesem Ort?
Ich fragte natürlich und bekam folgende Antwort: " eine Prinzessin gehört in ein Schloss!" Ich freute mich über seine Antwort und wartete auf die Bekanntgabe des nächsten Zieles. Irgendwo musste ich ja schlafen und dann kam das völlig unerwartete. Oliver bat mich meine Sachen aus dem Auto zu nehmen und erklärte mir das es für heute kein weiteres Ziel gäbe. Völlig verdutzt tat ich wie geheißen und wir gingen auf die Schloß Tür zu. Ich kann mich nicht mehr erinnern ob sie bereits offen war oder Oliver einen Schlüssel hatte aber wir kamen hinein.

Das Schloss war Menschenleer, keine Anmeldung oder jemand der uns begrüßte und uns einen Schlüssel reichte. Olli führte mich die Treppen hinauf bis wir schließlich ganz oben ankamen. Das Turm Zimmer!
Wir verraten den Raum, ich ging zum Fenster. Die Aussicht war grandios, ich konnte sehr weit schauen, nur sagen konnte ich nix, ich war sprachlos!
Die folgende Nacht bedarf wohl kaum einer Beschreibung. Wir haben so gut wie nicht geschlafen und sind erst gegen morgen als dieser schon leichtes Licht freigab eng umschlungen eingeschlafen.
Kaum drei Stunden später weckte uns ein starkes Hungergefühl und die Lust auf heißen Kaffee. Wir machten uns frisch und zogen uns an.

Das Schloss war nach wie vor völlig leer und als wir die Treppen herunter kamen und den großen Saal betraten traute ich meinen Augen nicht. Mitten im Saal gab es einen liebevoll gedeckten Tisch mit allerlei Frühstück s Köstlichkeiten und in einer silbernen Thermoskanne herrlich dampfenden heißen Kaffee.
Ich schaute mich ungläubig um. Es war tatsächlich niemand zu sehen. Nach dem ausgiebigen Frühstück packten wir unsere Sachen und verließen das schloss.
Bis heute habe ich nicht erfahren wer uns an diesem Morgen das Frühstück richtete und auch nicht wie es möglich war ein ganzes schloss für eine Nacht sein eigen zu nennen.

Der Spiegel ist klar. Ich sehe MICH. Der Tag kann beginnen.


© Traumwelt C.M.


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Beschreibung des Autors zu "Das Märchenschloss"

Es zeichnen sich die ulkigsten Umrisse im Spiegel ab. Heute wirkt es wie die Umrisse eines Schloßes....Ich versinke in Gedanken.....

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