"Er ist gestorben!" meine erste Antwort auf die Frage nach ihm.
Verblüffte Gesichter.Ich weiß, dass in den meisten Fällen mit einer gewohnten Antwort gerechnet wurde.."Ja gut geht es uns!" oder "Ralph macht gerade dies und das" aber nicht mit dem Tod. Mit einem Male ist der Schrecken spürbar. Die Verlegenheit, nicht zu wissen, was man auf so eine Nachricht sagen soll, denn auf die tausendmal gestellte Frage "Wie gehts?" kommt nicht die schon tausendmal gehörte Antwort "Gut!"Der Automatismus ist schier unterbrochen. Der Verhaltenskodex darauf ist nicht vorhanden, da so selten gestorben wird. Bei Krieg, Seuchen,hohes Alter im Freundeskreis, wäre es sicher anders.Da wäre der Tod gewohnter.Er würde einfach zum Leben gehören.Heute gehört er nicht zu unserem näheren Umfeld. Es wird nicht zuhause gestorben, meistens werden wir alt,Rituale wie Uhren anhalten und Fenster öffnen in der Todesstunde oder schwarz tragen ein ganzes Jahr, sind verloren gegangen.Den ersten Tod in unserer näheren Umgebung bekommen wir meist nicht mehr als Kinder mit. Wir wachen mit ihm nicht auf und wir gehen nicht mit ihm schlafen.Er ist einfach nicht da und gehört nicht mehr zu unserem Leben Ich komme mir vor, wie ein Todesengel, der die Nachricht in die Welt verbreiten muss.Ich muss bei der Frage nach meinem Mann das schier unbegreifliche sagen, da wir den Tod nicht greifbar haben. Ich muss sagen, dass er tot ist.Die Überlegungen zu Anfang, dies möglichst schonend zu sagen, scheiterten. Ein Tod kann man nicht "durch die Blume" ankündigen. Zu sagen, er ist einfach nicht mehr da, einfach verschwunden, wäre Verrat an sein Leben-als hätte es ihn nie gegeben und er hätte daher nicht die Berechtigung, aus seinem gelebten Leben in den Tod zu gehen.Ich entschied mich, es möglichst klar zu sagen, denn das ist er, der Tod, ganz klar und da, wie die Geburt so klar und da ist.
" aber er war doch noch so jung!" kommt meist zuerst, nach dem ersten Schockmoment.Ja, ich finde es auch unverschämt, dass er mit 39 Jahren starb!Und dann kommt für mich die gefürchteste Frage" ja an was ist er denn gestorben?Hatte er einen Unfall, war er krank?".In diesem Moment sehe ich meist in weit aufgerissenen Augen, mich fragend ansehend und gleichzeitig die weitere Schreckensbotschaft befürchtend. Die urgeheimen Ängste eines jeden, an Krankheit oder Unfall zu sterben kann ich in den Gesichtszügen jetzt lesen und sicher wird dabei gleich-bewusst oder unbewusst- Vergleiche gezogen mit der eigenen Möglichkeit, genau an dieser Krankheit auch sterben zu können oder an jener Art von Unfall.
Ich spreche dann dieses Wort aus...Suizid. Ich sage nicht Freitod..das Wort Frei darin, passte nicht zu seiner Verzweiflung vor seinem Tod. Auch das Wort Selbstmord sage ich nicht, obwohl er sich selbst ermordete. Es ist ein Wort das so gewaltig ist in seiner Beschreibung.Sein Tod kam mit so einer Gewalt, auch für all seine Hinterbliebenen.Die Gewalt die er wählte. Ich will diese überraschende Botschaft an mein Gegenüber nicht noch mit einem gewaltigen Wort verkünden. Als Todesengel möchte ich achtsam sein.
Ich sehe, wie die Fassungslosigkeit steigt und kann es so sehr nachfühlen, bis es fast unerträglich wird, für mich und den Menschen denen ich diese Nachricht überbringe, wie ein Bote des Unglücks.
Der Tod allein hat schon seinen Schrecken, aber Suizid scheint den Schrecken schon fast pervers zu machen. Gerade wenn der Mensch der sich das Leben nahm, nicht an einer unheilvollen Krankheit litt mit all der dazugehörigen Qual. Wenn er nach außen hin so gesund wirkte, nicht hochgradig depressiv wirkte und ansonsten kein großes Unglück bekannt ist, dass einen Suizid nachvollziehbar macht.
" ja war er denn depressiv?Ich habe gar nichts mitbekommen davon!Er wirkte nie so !" Auch ich habe das nicht mitbekommen.Nein, er wirkte ganz und gar nicht schwermütig. Er veränderte sich das letzte halbe Jahr vor seinem Tod. Aber es war keine Schwermütigkeit, keine depressive Verstimmungen die so etwas erahnen oder befürchten ließen. Es war überraschend und doch..im Nachhinein war es eine Konsequenz zu etwas, was kaum ein Mensch der ihn kannte, erahnen konnte...


© Lee


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