Die Erfahrung hat mich gelehrt, bist du ganz unten, kann´s nur wieder aufwärts gehen. Ich war in meinem Leben des öfteren in dieser Situation. Bergauf geht´s schwer. Man muss sich etwas anstrengen, muss unbedingt auch selber was tun, aber auch Hilfe annehmen können. Ich fühlte mich schon längere Zeit sehr schlecht, hatte starke Schmerzen im Rücken und nachts im linken Bein. Ich bekam Konzentrations - und Koordinationsschwieigkeiten. Die Kraft in den Gliedmassen liess rapide nach, dauernd war ich müde, konnte nur mehr schlecht schlafen. Ich rannte von einem (Fach) Arzt zum anderen. Vorerst zuckte ein jeder nur ratlos die Schultern, viele meinten, die Symptome fielen nicht in ihr Fachgebiet. Ich hatte auch manchmal den Eindruck von mangelndem Interesse und einige hielten mich für einen "Hypochonder" und gaben mir das auch deutlich zu verstehen. Ich hatte damals schon eine mittelschwere Osteoporose, meine Wirbelsäule hatte auch schon einige Schäden, ebenso eine mittelschwere Neurodermitis, ein Prolaktinom (= ein Tumor an der Gehirnanhangdrüse, welcher sich von zu viel überschüssigem Hormon Prolaktin nährt und leider lebenslänglich, aber gut, gynekologisch behandelbar ist. Daher sind regelmässige Blut -und Magnetressonanz Kontrollen unerlässlich). Ausserdem hatte ich mir, nach einem bewaffneten Überfall an meinem Arbeitsplatz (Tabak - Trafik), zwei junge Männer bedrohten mich massiv mit Pistolen, selber eine auf solche Traumatas spezialisierte Psychologin gesucht, um mit dem Vorgekommenen leichter klarzukommen. Da ein jeder Arzt nur sein Fachgebiet sah, dazu kam noch die psychologisch Betreuung die ich in Anspruch nahm, konnte sich keiner etwas zusammenreimen. Ich wurde meist schnellstmöglichst abgefertigt , reichlich mit Schmerzmittel, verschiedensten Salben und Lotionen, Antidepressiva und guten Ratschlägen versorgt. Anm: Zitat Orthopäde: " Schon kleine Kinder haben Probleme mit der Wirbelsäule. Sogar ich hab´welche, obwohl ich viel jünger bin als sie. Das was sie haben kann nicht soviele Beschwerden machen wie sie angeben. Das ist alles ganz ihrem Alter entsprechend!" Ich hatte damals nicht einmal mehr die Kraft mich zu wehren, so kaputt war ich schon. Ab 5Uhr30 arbeiten bis 13Uhr. Ich hatte im Durchschnitt 250 Kunden in diesem Zeitraum zu bedienen, zu kassieren, Zigaretten, Zeitungen und Diverses nachzuschlichten. Dazu war zwischendurch noch Ware zu übernehmen und auszupacken, zu kontrollieren und einzuräumen. Auch alle eingehenden Zeitungen und Zeitschriften mussten genau gezählt werden und auf den Lieferscheinen abgakt werden, ebenso die nicht verkauften, welche dann zu festen Paketen geschnürrt wurden. Das Geschäftslokal hatte ich auch zu reinigen. Ich war die einzige Angestellte, mein Chef arbeitete von 15Uhr - !8 Uhr und Samstag von 7Uhr - 12Uhr. Also immer zu einer Zeit wo nichts gelliefert wurde und weniger Kundschaft kam. Nachnittags waren dann Arztbesuche oder physikalische Therapie und Heilgymnastik und mein 5 Pers. Haushalt an der Reihe. Mein Mann hat mich schon damals unterstützt, wo er konnte. Er sah, wie es mir ging, obwohl ich es damals so gut wie nur möglich vor der Famiie verbergen wollte, damit sie sich nicht zuviel sorgen müssen. Eines Tages konnte ich ganz einfach nicht mehr. Ich ging in den Krankenstand. Mein Chef war sauer, weil ich ihm nicht sagen konnte wie lange, wusste ich es doch sellbst nicht. Zudem musste er jetzt mehr, obwohl von seiner Mutter unterstützt arbeiten. War ich doch die ganzen 16,5 Jahre welche ich in der Trafik arbeitete, höchstens 10 Tage im Krankenstand gewesen. So hat es mich auch nur momentan gewundert, als am nächsten Morgen schon in aller Herrgottsfrüh eine Kontrolle von der Krankenkasse nachschauen kam, ob ich denn auch tatsächlich krank sei. Ich hatte zum Glück eine langjährige, gute Hausärztin, die mich kannte und der schliessendlich auffiel, dass ich trotz der übrigen undefinierbaren Beschwerden zunehmend langsamer wurde und meine Mimik sich veränderte. Da sie mich im Vorfeld schon einmal zu einem Neurologen geschickt hatte, welcher mir nur ( Hypochonder) Antidepressiva verordnet hatte, beschloss sie, mich in eine Neurologische Ambulanz eines Krankenhauses zu überweisen , gleich mit der Bitte einer nuklearmedizinischen Begutachtung des Kopfes. Nach dieser und einer eingehenden Untersuchung, welche von 2 Ärzten durchgeführt wurde, von denen ich aber überhaupt nichts erfuhr (der Befund wird später mit ihnen besprochen), wusste man endlich was mir wirklich fehlte. Ich mussste noch eine gute Stunde warten, dann wurde ich in das Arztzimmer des Ambulanzchefs gerufen.
Nachdem ich die Diagnose:
MORBUS PARKINSON - UNHEILBAR KRANK - SCHNELLER VERLAUF
ohne dass er von seinen Papeiren aufsah, wie in einem Smaltalk - Gespräch mitgeteilt bekam und er mich auf meine Fragenwie ein Dummerchen behandelte und schaute, mich so schnell wie möglich loszuwerden, begann sich in meinem Kopf alles durcheinander zu drehen. Mir war zwar die Krankheit etwas bekannt, weil meine Patin daran verstarb, kannte aber eigentlich nur ihr Leiden in den letzten schlechten Jahren, als sie im Heim war, kaum mehr das Bett verlassen konnte, zittrig, schwach, nur mehr sehr schlecht sprechen und schlucken konnte, Einlagen brauchte, für kaum etwas mehr Interesse zeigte, Besuche waren ihr recht, aber im Grunde wollte sie nur mehr meine Mama um sich haben. Total personenfixiert. All´ das war für mich Parkinson und ich wurde sehr traurig. Im Stillen sind auch ein paar Tränen geflossen. Ich wollte meine Familie nicht allzu sehr belasten, wollte ihnen so wenig wie möglich Kummer machen. Von einem Tag auf den anderen sozusagen, Arbeit weg (hab´ immer gearbeitet), krank, traurig, nicht wissend wie es weitergehen soll. Träume vom Zeitverbringen mit den Enkerln (ich konnte sie schon damals nicht mehr hochheben, wickeln, geschweige denn, ihnen nachlaufen, sie waren damals in dem Alter wo sie überall dran sind) und ich träumte von Unternehmungen, was ich einmal in meiner gewonnen Freizeit allles machen würde. einem geruhsamen Alter ohne Stress und Sorgen. Auch war bei uns zuhause immer ein sehr reges Treiben . Die Freunde(innen) unserer 3 Söhne durften jederzeit zu uns kommen. Die letzten 16 Jahre war ich ja schon nachmittags zuhause, weil mein Arbeitsplatz gleich "ums Eck" lag. Wir wohnten in einer Altbaugemeindewohnung in Wien.Wir hatten, als die Kinder noch klein waren, wegen der Grösse unserer Familie die Nachbarwohnung dazu bekommen und die beiden zusammengelegt. Wir hatten damals die grösste Wohnung im Bau. So hat es sich von selbst ergeben, dass sich fast immer alle die sich untereinander kannten bei uns trafen, weil hier der meiste Platz war und ich hatte einen grossen Tisch. Manchesmal wurde auch jemand mitgebracht, den man dann auch wieder kannte. Wir hatten einen grossen Freundes - und Bekanntenkeis. Manchesmal wurde auch jemand mitgebracht, den man dann auch wieder kannte. Unsere fast täglichen Treffen, mit Kaffee trinken, Kuchen, Safterln und div. Knabbereien waren immer fröhlich und unterhaltsam. Ein jeder hat ´mal das eine oder andere mitgebracht. Es wurde einfach ausgemacht. Wir brauchten nie wirklich was zusteuern, es war immer mehr als genug da. Ich hab´ halt Kaffe gekocht und mich um´s Geschirr gekümmert. Wenn ich am Wochenende etwas gebacken habe, haben sich immer alle gefreut. In erster Linie war es zwar für meine Familie doch ich machte immer soviel, dass zumindest für alle was zum Kosten abfiel. Für uns wares im grossen und ganzen eine gute Zeit. Die Kinder schon teils im Berufsleben oder in der Ausbildung. Wir hatten beide eine sichere Arbeit. An unserem Haus in Serbien, der Heimat meines Mannes, konnten wir auch weiterbauen.
Von den vielen Freunden und Bekannten blieben mir gerade mal drei treue Freunde übrig, welche mir auch helfen, wenn ich in Wien bin und die mich via Skype oder Chat kontaktieren.
Ich habe jetzt aus folgendem Grund detailierter über mein "vorheriges Leben" berichtet, damit man versteht wie schnell sich alles verändern kann.
Wie schon erwähnt, war mein Denken und Fühlen nach der Diagnose etwas durcheinander geraten. Ich wollte das nicht, aber es war unwiederruflich da. Besonders ein Gedanke krallte sich hartnäckig in meinem Kopf fest:
ICH KANN NICHT MEHR VIEL MACHEN , ES WIRD NOCH SCHLIMMER WERDEN. ICH WERDE BESONDERS FÜR MEINEN MANN EINE BELASTUNG. ICH WERDE NUTZLOS.WAS BIN ICH ALS FRAU NOCH WERT? KANN MICH MEIN MANN NOCH LIEBEN, ODER TUT ER NUR SEINE PFLICHT, WEIL ER EIN GUTER MENSCH IST?
Auch er muss viele Wünsche und Vorstellungen begraben, muss täglich Rücksicht auf mich nehmen, einen Grossteil meiner Arbeiten übernehmen und mir bei vielen Dingen des Alltags behilflich sein. Sich um mich sorgen. Jahre eine kranke Person um sich haben. Er begann mir, (und das wegen mir!) unendlich leid zu tun. Ich habe mir zu diesem Zeitpunkt immer gedacht -
du verpfuscht ihm sein ganzes weiteres Leben. War ich doch vorher immer die einigermassen gut funktionierende Frau und Mutter gewesen. Es kam soweit, dass ich eines Tages zu ihm sagte: "Wenn du das allles nicht willst, gebe ich dich frei, du brauchst nicht aus Pflichtgefühl bei mir bleiben, wenn du dein Leben leben willst." Er hat mich ganz erstaunt angeschaut, ungläubig den Kopf geschüttelt und gemeint: "Was ist den das jetzt für ein Blödsinnn, das ist doch deppert, was du da redest." Damit war für ihn das Thema beendet und ich war heilfroh. Ich begann langsam zu akzeptieren, meine Gedanken zu ordnen und mich so gut es ging zu informieren. Das Gefühl der Wertlosigkeit nagt aber bis heute in mir, nur nicht mehr so vehemment.
Ich begann mir diese Fragen zu stellen:
WAS TUE ICH? - WIE GEHT MEIN LEBEN WEITER ? - WAS IST GUT FÜR MICH? - WAS HAT MIR DAS LEBEN NOCH ZU BIETEN?

Fortsetzung folgt

UNGEWISSHEIT - DER FEIND IN MEINEM KOPF - ERSTER TEIL

© ©Maline


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Beschreibung des Autors zu "UNGEWISSHEIT - DER FEIND IN MEINEM KOPF - ERSTER TEIL"

aus: GESCHICHTEN AUS DEM LEBEN ( wahre Begebenheiten)




Kommentare zu "UNGEWISSHEIT - DER FEIND IN MEINEM KOPF - ERSTER TEIL"

Re: UNGEWISSHEIT - DER FEIND IN MEINEM KOPF - ERSTER TEIL

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 10.05.2019 1:54 Uhr

Kommentar: Liebe Maline,
deine Geschichte ist eine Mischung aus Lebenslauf und Krankenbericht. Unglaublich, was du schon alles mitgemacht hast. Und das ist erst der erste Teil ...
Liebe Grüße
Wolfgang

Re: UNGEWISSHEIT - DER FEIND IN MEINEM KOPF - ERSTER TEIL

Autor: possum   Datum: 11.05.2019 0:54 Uhr

Kommentar: Liebe Maline,
dein Werk benötigt keinerlei mehr Worte von mir,
Danke, dass du uns teilnehmen läßt und Alles Alles Liebe dir, herzliche Grüße!

Re: UNGEWISSHEIT - DER FEIND IN MEINEM KOPF - ERSTER TEIL

Autor: Maline   Datum: 11.05.2019 18:07 Uhr

Kommentar: Danke!

Re: UNGEWISSHEIT - DER FEIND IN MEINEM KOPF - ERSTER TEIL

Autor: Maline   Datum: 04.06.2019 10:59 Uhr

Kommentar: Mein Dankeschön auch an alle Leser! LG. Maline

Re: UNGEWISSHEIT - DER FEIND IN MEINEM KOPF - ERSTER TEIL

Autor: Callme-ismael   Datum: 16.07.2019 13:37 Uhr

Kommentar: ... ich finde es sehr ergreifend, stellenweise kann ich nur "Alas" sagen

Der Schluß jedoch, das Bekenntnis Deiner Liebe: da geht mir das gläserne, halbe Herz auf
:)

Grüße & Ahoi

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