Faszinierendes Geschöpf

Ich kam als Fremde in dein Reich… auch wenn dies nicht deine Heimat war, noch dein Zuhause. Als Einer von Vielen saßest du dort auf dem Geländer und doch abseits, deine Ebenbilder bestaunend. Aber bin ich nicht dein Ebenbild. Vielleicht… aber nur vielleicht war ich die Einzige, die dir diesen Moment schenken konnte. Einen Moment, moderne Mittel vermögen ihn nicht zu greifen.
War ich doch nicht bei dir zur Belustigung. Deine Welt als Durchgang Degenerierter, die sich anmaßen dich beherrschen zu wollen.
Meine Schuhspitzen in die Erde grabend, blieb ich stehen. Sag, wer bist du nur, dich ans Holz klammernd? Und warum bist du nicht bei deiner Familie?
Dein Blick durchbohrte mich, als sähest du alle meine Sünden mit einem Atemzug. Deine Aura bannte mich, als hätten wir uns etwas zu erzählen fernab von all dem, was sich andere zu erzählen haben.
Der Boden gab mich frei. Schritt um Schritt… ich schritt in deine Richtung, den Blick nicht abwendend. Aufregung erfasste mich. Und so stand ich direkt vor deinem wundervollen Antlitz, wie ich es noch nie so nah bestaunen durfte… Solch ein Mysterium.
Mein Herz begann rasant zu tanzen. Ein Zittern ergriff mich bis in die letzte Zelle meines Körpers.
Meine Hand rief nach dir, so streckte ich sie in deine Richtung, den Blick immer noch nicht abwendend. Wie fühlst du dich an? Sag, möchtest du mich auch?
Ohnmacht… und ich gab mich dir… Keine Angst verspürend… Nein… Ehrfurcht.
Denn so viele Lügen gibt es, so viele Lügen über dich… mich… über uns.
Und dann geschah es!
Deine kleine kalte Hand berührte sanft meinen Zeigefinger. Der Atem vergriff sich an meiner Stimme, als er meinen Körper verließ. Nie hatte ich Vergleichbares gespürt.
Du begannst meinen Finger mit deinen beiden Händen zu umarmen. Gleichzeitig umarmtest du mein Herz.
Ich schämte mich… Ich spürte du liest meine Gedanken. Und ich weiß, wir dachten dasselbe.
Du faszinierendes Geschöpf, das mir die Liebe und Ehrfurcht lehrte…
Ich öffnete meine Hand für dich… Voller Hingabe nahmst du Platz auf mir… meinen Arm studierend… meine Uhr… meine Kleidung. Ich war dein Schiff für einen Augenblick. Eine Nachricht aus weiter Ferne für dich, neue Kunde bringend. Und du gabst mir eine Flaschenpost.
Ich lernte an jenem Tage mehr, als Einhundert Stunden Unterricht mir geben konnten. Worte sind Beschränkung.
Ich spürte wie sich unsere Körper verbanden und wir eine Reise machten, in die Tiefen der Gewissheit. Dinge, die ich nie gelernt hätte, nicht bevor die Welt versteht, dass die Sonne niemals wirklich untergeht.
Meinesgleichen rufen mich… und im selben Erwachen verlässt du meine Burg…. Selbstständig... unsere Séance beendend… Dankbar… gütig… mit der Bitte dich und deine Schau vor meinem inneren Auge nicht zu vergessen.
Und jedes Mal, wenn mich die Dunkelheit zu ergreifen droht, denke ich daran, dass die Sonne niemals wirklich untergeht. Ein jedes Mal denke ich an den kleinen Affen im Freilaufgehege und seine Flaschenpost.

© Anastasia Michailova


© Anastasia Michailova

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Beschreibung des Autors zu "Faszinierendes Geschöpf"

Dies ist der Versuch einen Moment darzustellen, den moderne Mittel nicht zu greifen vermögen. Ein schwer in Worte zu fassendes Erlebnis.

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