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Der Falter breitet langsam seine geknickten Flügel- wie Fächer im Wind, mitunter wirbelnden Sandkörner aus. Der andere ruht noch im Schatten meiner Hand. So blinzele ich in Richtung der milchigen Sphären am Himmel. Meine Lippen werden von staubiger Luft gesprengt, eine verdorrte Ebene, wartend auf den Monsun. Mein Körper, eine Maschine ohne Rückgrat, hievt sich erst auf alle Viere, dann folgt der gebrechliche und zischende Gang. Der Motor läuft seit Tagen schon auf Reserve, durch so viel Leid und Zerstörung- ganz natürlich eben. Der Funken, der mein Herz antreibt, bleibt wohl nicht für ewig, doch ist zurzeit die Hoffnung. Um mich herum nur staubbedeckte Seen, mit schwarzen Rissen überzogen. Hin und wieder ein grüner Halm, lächerlich, das in dieser Welt noch überhaupt etwas eine Farbe besitzt. Der Himmel trennt nur die Lebenden von den Toten und blickt man in die Ferne so geht dieser doch am Horizont unter. Nur ein Sonnenspiel, ein Trug meiner Augen. Jetzt ist auch der andere Falter weg geflogen und ich nehme alles stechend klar wahr. Bäume links und rechts von mir, gleichen riesigen Nägeln, die lieblos in die Landschaft gehämmert wurden. Jeder Schritt dem Ende der Straße entgegen verschmelzen die Schmerzen an meinen nackten Füßen mit den Scherben auf dem Boden und dem Streicheln des gasigen Windes um meine Knöcheln. Mein Hirn klopft gegen den Schädel, verflucht mein Handeln, als ob es je auf meiner Seite gewesen wäre. Haare, die habe ich schon lange- vielmehr zeichnen jetzt Narben mein verwirrtes Leben. Schlimmer als der Wahnsinn und die Gier nach der Freiheit, ist nicht das unerreichbare Ziel, sondern die Erkenntnis, dass man diesen Weg gar nicht einschlagen muss- sich allerdings doch dafür entschließt. Ich mache mich geleitet von Visionen eines Engels, vergessen in den Spiegelbildern der Pfützen, auf den Weg, dass es diesmal eine Lösung gibt. Zeitlos laufe ich schon- mir war es gleich ob ich im Kreis oder bergauf laufe – meine Gedanken gingen den Bach runter. Schon wieder stehe ich am Rand der Verzweiflung, ob ich jetzt wirklich springen soll... Der Wind packt meine Füße, beißt mich in den Augen und durchbohrt meinen hungernden Bauch. Das Meer vor mir, ein weinendes Kind neben mir. Ich will sie trösten, doch meine Augen verankern sich, sie gehören nicht mehr mir. Hier aber stehe ich auf dem Gipfel, unter mir- Spielende und lächerlich Kämpfende. Das Meer ist wieder schwarz, ist wieder grau, Stecknadeln förmige und gemeißelte Köpfe, ihr Spielzeug ist der Tod. Hier sind Kinder zu alt um zu leben, zu spielen. Hier leben Kinder, wie wir… Dann spüre ich ein zerfallen an meinen Fingern, das kleine Kind, es hat ihre Träne getrocknet- sie sparen auch in der Trauer, als wäre eine Tränen, ein Tropfen Dunkelheit schon genug. „Du … Wieso stehen wir an, warum warten wir? Ich will reisen, ich will doch durch den Lärm nur wieder ein Vöglein hören. Bitte…“ Ihre Augen, schwarze Perlen, in einem milchigen Gesicht- ihre Träne ist jetzt eine kleine Narbe, das Haar wird eins mit dem Wind. „ Bitte …“ Erneut beginnt mein Arm zu zerfallen, ein Wasserfall aus Sand; meine Ohren, ein packendes, zerreißendes Singen zeichnet mir nasse Risse unter die Lider. Ich weine nicht, ich sehe nur die Wahrheit. Der Sand und das Gestein werden gestillt, das Kind lässt los, es wankt wie eine Feder- langsam aber doch zerbrechlich Richtung Klippe. Tanzt mit ihrem Finger auf der Kante, meine Beine beben im Rhythmus. Das Kind jetzt nur noch ein lichtumfasster verschwommener Spiegel, dreht sich um, durchbohrt meine Leere. Ein Himmelstor, eine Wärme, ein Klirren durchbricht die Stille. Ich stehe am Rand, blicke auf einen kalten Fels, so leblos, so verstrahlt, mit Rissen wie Stacheldraht umwickelt blickt er in die Ferne. Meine Narbe durchfließt wieder Wasser… „ Verrate mir was Freiheit ist, ich habe es vergessen. Sag mir wie es ist, wie es sich anfühlt.“ Ich wende mich wieder dem Brocken zu, schaue in die holen Mulden in seinem Gesicht… „Verrate mir wie Fallen ist…“ Fallen ist wie ein Versuch, ein Versuch sich der Liebe hinzugebe, der einzig schöne Fluch.
An dem Wort Fallen erhängt sich der Gedankenschlag, man könne ertrinken, satt zu Fallen eher versinken. Dann ist Fallen nicht mehr des Todes Freund, sondern wenn Liebe, kurz vorm ertrinken droht zu versinken, von den Gedankenschlägen träumt. Aber, wenn der Maler seine Träume strahlt, woher soll er wissen wer sein Lächeln malt? Woher soll er wissen, ob er Leben und Tod versäumt, wenn er Angst vor dem Fallen, dem Ertränker der Gedanken und dem versinkenden Schlag wegrennt und träumt. Ist es das was der Mensch will, rennen? Schneller als Fallen und Ertrinken, um in den Träumen nicht zu versinken, ob man lebt oder stirbt. Unendlich rennen, wach rennen, nicht zu wissen wohin Hauptsache fallen aus der versinkenden, ertrinkenden Hand des Todes, Hauptsache weit, wie Frucht vom Kern entzweit, rennen bis die Wahrheit sich von den Augen befreit. Befreien, das Menschen Glück, wirft uns nach vorne… nach hinten zurück. Befreit man den Geist, wird die Liebe erreicht, zu wissen, dass der Tod sie wieder zerreißt. Befreiung von Wut und Leid, zu Wissen das Zeit die Wunden nicht heilt, dass Zeit die Schwester vom Tod, im Alter die Gedanken ertrinken, das Strahlen des Malers zerfällt, sich klammernd an der Feder am Leben erhält, und die rennende Befreiung durch den Schlag der Zeit, droht zu versinken. Wenn der Tod reist, will er damit sagen du bist ein Papier? Die eine Hälfte sie beißt, die Andere verreist und bricht doch schon nach drei endlosen Fragen: Liebe, Lust und Freiheit erlangen, zusammen und wird zum Himmel getragen. Das wäre dann das erste Mal, dass ein Maler sagen würde, er könne nur auf einem ganzen Papier malen, denn die Hälfte spiegelt nur das Schlechte und Harte vom Leben, die größte Hürde. Wenn sich schon ein halbes Blatt nur halbwertig fühlt, das Blut des Malers ist leer oder die Gedanken sind weg gespült. Wie kann eine halbe Seele im Himmel fröhlich singen und auf der Erde endgültig zerstochen ist und von Liebe gebrochen, im Himmel alleine, zur Hälfte und doch ganz in Gedanken versinkt, im Fallen erhängt, im Leiden beschränkt, eine endlose Frist, bis sie ertrinkt. Der Rhythmus, meine Gedanken, ich weiß das sie beben und schwanken. Richten Fuß vor Fuß, setzen an zum Atmen. Will ich es wissen und wenn ja könnt ich es verraten? Ist die Angst vor dem Fall doch nur der Schall, das Weinen der Dunkelheit, das zweite Stück Papier, welches noch nicht befreit. Egal ob auf Wolke 7 oder durch Zeit verschieben, die Seele auf der Erde, daran zu glauben: was ich war, bin und werde. Kann ich überhaupt leichter als Federn schweben, geteert an Gedanken kleben oder sie zu zerreißen, mich durchbeißen, zu machen, was ich bin, das Feuer in meinen Augen wieder zu entfachen. Damit alle Papierstücke meines Lebens nach Hause ziehen, wo sie zurück in die Freiheit fliehen, die Flüsse begleiten, als Erinnerungen in die Fluten schreiten. Dort können sie nicht ertrinken, man wird sie in den anderen Herzen wiederfinden, welche den Rhythmus des Lebens spielen, ohne Angst vorm Versinken, ohne Angst, dass die Kräfte schwinden. Denn die Gedanken und die Musik sind die Geliebten, wie Sonne und Mond im Feuer baden, umhüllt von unseren Gefühlen, dünne Schwaden. So stehe ich auf dem höchsten Berg des Meeres und blicke Richtung Horizont, lasse Tränen zu Tinte fließen und versuche die Welt mit Lächeln zu übergießen. Damit sie tick tack, lacht wenn die Steine voller klick, klack Pracht von den Erinnerungen stürzen, das Leben verlängern, die Zeiten verkürzen, damit ich wie sie durch Springen Fallen kann. Springen und nicht hineingezogen. Denn so pulsiert mein Geist, durch Gedanken verschleißt, dass ich Tropfen als unter Wasserfällen lebe, doch nicht Tod bin sondern strebe. Durch die Euphorie der Gedanken, um die Regeln der Erinnerung zu zerbrechen, wie Feuer durch die kalten Schranken. Mein Körper ummantelt mit Ranken und Flechten, dass wenn mein Gedanken singen, im Fall nach dem Springen, die Flügel beleben beginnen zu schwingen. Bis auch sie wegen anderen Welten zerfallen, glühen, Funken sprühen.


© Sebastian Musil


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Beschreibung des Autors zu "Traummaler"

Der Protagonist durchlebt in diesem Kapitel eine Verwandlung, er kehrt auf die Welt zurück, wacht aus seinem Traum von der Akazie auf. Er möchte wieder ein kleines Kind sein... will das Leben neu entdecken. Doch er stellt fest, das es in dieser Welt fast keine Hoffnung mehr gibt. Fortsetzung folgt... :D

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