Das Mädchen mit dem goldenen Stein - ein Märchen für die Seele.

- Vor einer sehr sehr langen Zeit lebte einmal ein kleines armes Mädchen. Es wohnte mit seiner schwer kranken Mutter in einer halb verfallenen Hütte am Rande eines unüberschaubaren Waldes. Jeden Tag ging das kleine Mädchen in den tiefen dunklen Wald um Beeren, Kräuter und Pilze zu sammeln.

Denn es mußte sich allein um alle lebensnotwendigen Dinge zu kümmern, da seine Mutter gar zu krank und hilflos im Bett lag. Von nirgendwoher bekam die Mutter Geld, um für sich und ihr Kind Speise,Trank und Kleidung zu kaufen. Hilfreiche Menschen aus der Stadt stellten ab und zu alte, abgetragene Kleidung und Speisereste vor die Tür der windschiefen Hütte.

Nun aber verschlimmerte sich die Krankheit der Mutter gar sehr, so dass sich das Mädchen noch mehr Sorgen machte und es bald am Ende seiner Kräfte angekommen war.

In früheren Jahren hatte die Mutter ihrem Töchterchen jedes Jahr zu Weihnachten ein warmes Wintermäntelchen aus den geschenkten Stoffresten genäht. In diesem Jahr aber war die Mutter so schwach geworden, dass sie auch in der Weihnachtszeit gar nicht mehr aus dem Bett kam.

Da musste das kleine Mädchen am heiligen Abend in einem hauchdünnen Kleidchen in den bitterkalten und tief verschneiten Wald gehen, um etwas essbares für sich und die Mutter zu suchen. Als es vor Kälte zitternd im dunklen Wald ankam, sahen das Eichhörnchen, der Rabe und das Rehlein das kleine frierende Mädchen, das ganz traurig und bitterlich weinend daher kam.

Da sprach das Eichhörnchen zu dem kleinen Mädchen: "Wir Tiere im Walde wissen alles über Dich und Deine kranke Mutter. Wir wollen Euch beiden helfen. Komm, ich zeige Dir jetzt mein Bucheckernversteck dort an dem dicken Baumstamm, tief unter dem Laub. Nimm davon soviel du tragen kannst."

Nun kam auch der majestätische Rabe daher und hatte einige Walnüsse in seinem großen Schnabel. "Für Dich kleines Mädchen, damit Du und Deine Mama nicht so hungern müsst", sagte er und blickte dem Mädchen liebevoll ins Gesicht.

Das Rehlein aber sprang jetzt ganz ausgelassen um das Mädchen herum und sprach: "Folge mir." Es führte das kleine Mädchen zu einem uralten Baum, befreite mit seinen kleinen Füßchen eine mächtige Wurzel vom Laub und sprach: "Schau, hier wächst das wohlschmeckendste Moos im ganzen Wald, nimm soviel Du in Deinem dünnen Kleidchen tragen kannst."

Das Mädchen nahm sein Röckchen wie eine Schürze hoch, tat die Bucheckern vom Eichhörnchen und die Walnüsse vom Raben hinein, und obenauf legte sie das herrlich grüne und nach Wald duftende Moos vom Rehlein.

"Danke ihr lieben Tiere des Waldes", rief das kleine Mädchen beim Abschied dem Eichhörnchen, dem Raben und dem Rehlein zu. "Halt an, halt an, warte noch", rief da das Füchslein aus dem Unterholz. "Ich will Dir bei dieser bitteren Kälte meinen Pelz zum wärmen geben." Da nahm das kleine Mädchen dankbar den Pelz, zog ihn an und schnell war es ihm ganz warm geworden. "Danke, danke Ihr lieben Tiere des Waldes", rief das Mädchen beim Abschied allen zu, "ihr habt mich sehr reich beschenkt." Und es machte sich fröhlich auf den Weg nach Hause.

Als nun das kleine Mädchen seine Hütte schon von weitem sah, rief es so laut es konnte: "Mutter, Mutter, ich komme heim!" Die schwer kranke Mutter hörte zwar ihr Kind rufen, konnte ihm aber nicht antworten, da sie gar zu schwach war.

Da stand plötzlich wie aus dem Nichts gekommen ein wunderschöner strahlender Engel vor dem kleinen Mädchen - und er sprach: "Wohin gehst Du in der heiligen Nacht, bei Eis und Schnee und bitterer Kälte?" - "Heim zu meiner lieben Mutter, die liegt schwer krank in ihrem Bett. Ich bringe ihr das Essen, welches mir die lieben Tiere im Wald geschenkt haben", antwortete das Mädchen. "Was trägst Du da für einen wunderschönen Pelz?" fragte jetzt der Engel das Mädchen. "Oh, den hat mir das liebe Füchslein geschenkt, da ich gar so sehr fror", antwortete das Mädchen. "Gib ihn mir", sprach da der Engel, "ich habe noch einen sehr weiten Weg vor mir, heute in der heiligen Nacht.

Hier, nimm diesen goldenen Stein dafür." - "Das ist wahrlich ein schlechter Tausch", sagte das Mädchen, "einen so herrlich warmen Pelz gegen einen bitterkalten, wenn auch goldenen Stein, einzutauschen." "Nein, nein, nein, Du wirst es nicht bereuen", rief da der Engel, "dieser goldene Stein ist etwas ganz besonderes.

Er ist aus purem Golde und doch wie ein durchscheinend Glas, ich brachte ihn geradewegs aus der himmlischen Stadt Jerusalem mit auf die Erde. Nimm ihn und wenn Du an Gottes Liebe glaubst, wird es Dir und Deiner schwer kranken Mutter bald besser gehen."

Im Herzen des kleinen Mädchens kam ein Hoffnungsschimmer auf - lieber die letzte Wegstrecke frieren als für immer in Armut leben, dachte es sich. Es vertraute dem strahlenden Engel und tauschte den Fuchspelz gegen den goldenen Stein. Sie lächelten sich liebevoll an und beide gingen ihres Weges.

Als das kleine Mädchen in das Zimmer der Mutter kam, stöhnte diese arg vor Schmerzen. "Ach Mutter", rief weinend das Mädchen, "wenn ich Dir doch bloß helfen könnte."
Da, plötzlich erfüllte sich der ganze Raum mit hellem Schein. Alles war in ein überirdisch schönes Licht getaucht - und ein himmlischer Chor begann wunderschön zu singen: "Friede, Friede, Friede auf Erden, alles Unglück muss zum Glück jetzt werden. Friede, Friede in allen Herzen, vergehen müssen nun auch die Schmerzen."

Als der Engelschor verklungen war, erhob sich, wie durch ein Wunder, die Mutter freudestrahlend und gesund von ihrem Krankenbett und rief voller Glück:"Mein geliebtes Töchterlein, wie wunderbar das alles ist, Du kamst in mein Zimmer und plötzlich erstrahlte es in einem wunderschönen überirdischen Licht.

Der himmlische Chor sang das Lied vom Frieden auf der Welt und in den Herzen der Menschen - und ich wurde wieder gesund."

Da umarmten sich Mutter und Tochter ganz inniglich vor lauter Glück und Freude. Sie aßen dankbar von den schönen Dingen, die ihnen die lieben Tiere des Waldes geschenkt hatten.

Den goldenen Stein aber tat das Mädchen in sein Schatzkästlein, damit es ja nie verloren ginge; denn es ahnte wohl, dass es all das Glück und den Frieden diesem kalten goldenen Stein verdankte, den sie gegen den warmen Fuchspelz eingetauscht hatte.
Von nun an wurde die Mutter nie mehr krank. Auch hatten sie beide immer Essen und Trinken in Fülle, so dass sie anderen Menschen von ihrem Reichtum noch abgeben konnten.

Beide lebten glücklich und zufrieden noch sehr viele Jahre - bis an ihr Lebensende.


© 2013 by Werner Leder. Alle Rechte vorbehalten, besonders das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung, sowie Übersetzung. Kein Teil des Textes darf ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder verarbeitet werden!


© Werner Leder


3 Lesern gefällt dieser Text.





Beschreibung des Autors zu "Das Mädchen mit dem goldenen Stein - eine Weihnachtsgeschichte für die Seele"

Vorwort
Weihnachtsgeschichte für die Seele.

In der Welt der Märchen, und auch Weihnachtsgeschichten, wird Ungerechtigkeit mit Gerechtigkeit ausgeglichen. Hier siegt stets das Gute über das Böse.

Weil die Welt in der wir leben von Grausamkeit, Unrecht, Armut, Krankheit und Tod erfüllt ist, hat der Mensch Sehnsucht nach einer Welt in der stets das Gute siegt.

Diese Welt findet er im Märchen.

Wenn wir ein Märchen lesen, dürfen wir uns mit allen Sinnen in die Handlung fallen lassen und uns in das Leben der handelnden Personen hinein denken. Wir dürfen weinen und lachen - und alle Regungen des Herzens und der Seele mit den Personen empfinden.

Der Leser taucht gedanklich in das Märchengeschehen ein, daher rührt ihn der Inhalt zu Gefühlsäußerungen, z.B.: Hass gegen den Hassenden, Liebe für den Liebenden, Gefühle des Glücks bei Geburten und Hochzeiten, Trauer bei Trennung, Tod usw.

Das Märchen spricht die gesamte Gefühlspalette der menschlichen Seele an. In unserer modernen, kontaktarmen Zeit, wird daher das Märchen immer wichtiger für Menschen, die allein leben und soziale Kontakte aus irgendeinem Grunde meiden.

Aber auch in den Familien ist das Märchen wieder bei jung und alt willkommen und wird mehr und mehr gelesen, aus den oben genannten Gründen. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit. . .

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Das Mädchen mit dem goldenen Stein - eine Weihnachtsgeschichte für die Seele"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Das Mädchen mit dem goldenen Stein - eine Weihnachtsgeschichte für die Seele"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.